EU-Kommission will schärferes Asylrecht: Kommt die Krise in der Ampel?
Die Innenminister europäischer Staaten wollen über eine gemeinsame Asyl- und Sicherheitspolitik beraten. Aus der Ampel kommen unterschiedliche Stimmen. Die Union will einen schärferen Kurs.
Ein allgemeiner Überblick über das Treffen der EU-Justiz- und Innenminister in Luxemburg / Photo: DPA (DPA)

Besonders seit Beginn des Bürgerkriegs in Syrien und der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 beschäftigt die Frage um Flüchtlinge und das Asylrecht immer wieder ganz Europa. In erster Linie ist davon Deutschland betroffen, denn ein Großteil der Flüchtlinge will in Hoffnung auf ein besseres Leben nach Deutschland gelangen. Andere EU-Länder hingegen sind weniger betroffen. Am Donnerstag (8. Juni) wollen die Innenminister der EU über die sogenannte Gemeinsame Asyl- und Sicherheitspolitik (GEAS) beraten, einschließlich einer gerechten Verteilung der Last. Zudem gehört auch die Frage dazu, ob es bereits an den Außengrenzen der EU Vorprüfungen von Asylanträgen geben soll.

Das Vorhaben ist dabei höchst umstritten. Denn es könnte zu einer Verletzung der Rechte von Flüchtlingen führen. Amnesty International rief die Bundesregierung dazu auf, „keine Kompromisse auf Kosten des Flüchtlingsschutzes zu schließen und gegen die geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zu stimmen“. Doch Deutschland befindet sich schon längst auf einem Kurs, der Flüchtlinge immer stärker in die Enge treibt. Die Ampel-Koalition hat sich grundsätzlich offen für Vorprüfungen an den EU-Außengrenzen gezeigt, die die Rechte der Migranten maßgeblich beschneiden dürften.

Uneinigkeit bei der Ampel zur Asylpolitik: Grüne sind tolerant, FDP will hartes Vorgehen

Nichtsdestotrotz ist sich die deutsche Regierung aus SPD, Grünen und FDP uneins über das weitere Vorgehen. Es droht eine Krise in der Ampel – auch wenn sie am Donnerstag beim EU-Gipfel eine geeinte Stimme an den Tag legen will. Die Debatte innerhalb der Koalition dreht sich um die Altersgrenze bei Ausnahmen und wird hauptsächlich zwischen den Grünen und der FDP ausgetragen. Die Grünen setzen sich für einen toleranteren Umgang mit den Flüchtlingen an den EU-Außengrenzen ein und fordern, dass die Altersgrenze bei 18 liegen soll. Heißt: Allen Migranten unter 18 Jahren und Familien mit Kindern sollen die Verfahren erspart werden. Die FDP hingegen verhält sich deutlich radikaler mit Blick auf die Ausnahmen. Die Freien Demokraten wollen eine Altersgrenze von lediglich 12 Jahren und schließen sich somit dem Vorschlag der EU-Kommission an. Die Kommission will eine viel restriktivere Haltung gegenüber Flüchtlingen.

Das entsetzt die Grünen. Sie zeigen sich irritiert über Pläne, Kinder an den EU-Außengrenzen festzusetzen, und kündigen Widerstand an. Die FDP hingegen ist der Meinung, dass jedes weitere Pochen auf Ausnahmen erneut eine EU-weite Einigung mit Blick auf die Asylfrage gefährden würde. Sie fordert eine „menschenwürdige Versorgung“ der Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen. Die menschenverachtenden Ereignisse der Vergangenheit wie etwa die Push-Backs von FRONTEX an der griechischen Küste oder Stacheldrahtzäune lassen an diesen optimistischen Aussagen der Liberalen zweifeln. Eine gute Versorgung würde die Debatte über Ausnahmen laut FDP überflüssig machen. Die Freien Demokraten wollen eigenen Angaben zufolge nicht, dass „die Chance, einen Kompromiss auf europäischer Ebene zu finden“, durch rote Linien in Gefahr gebracht wird.

SPD stellt sich hinter Vorprüfungen an EU-Außengrenzen, CDU will noch mehr Verschärfung

Und wie steht die SPD, insbesondere Innenministerin Nancy Faeser, zu den Diskussionen? Bislang schlägt sie sich nicht klar auf eine Seite. Zwar teilt sie die Bedenken des grünen Koalitionspartners und plädiert ebenso für eine gehobene Altersgrenze von 18 Jahren. Dazu will sie wohl auf EU-Ebene verhandeln. Alles dransetzen will sie aber anscheinend eher nicht. Die Ministerin werde sich nicht verkämpfen, unterstrichen Regierungsquellen. Sie hatte sich schon Anfang des Monats für die Vorprüfungen ausgesprochen. Geht es nach der SPD-Politikerin, ist alles ohnehin halb so wild. Das Vorhaben auf EU-Ebene gelte für Herkunftsstaaten mit geringen Schutzquoten. Ein überwiegender Teil der Flüchtlinge mit Kindern stamme aber aus Ländern mit hohen Quoten wie Syrien und Afghanistan.

Ein schärferes Asylverfahren auf EU-Ebene dürfte die Union auf jeden Fall freuen. Sie beschwert sich über Stimmen, die Ausnahmen für Minderjährige und Familien mit Kindern fordern. Man versuche, den Vorschlag der EU-Kommission „aufzuweichen“, hieß es aus den Reihen der CDU zuletzt. Derartige Ausnahmen würden „den Ansatz“ schwächen. Ohnehin halten CDU/CSU auch beim deutschen Asylgrundrecht eine klare Verschärfung für nötig. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer von der CDU forderte hierfür schon eine Kommission aus Bund, Ländern und Gemeinden. Ein Vorschlag, mit dem er bei Parteichef Friedrich Merz Zustimmung erntete.

Rechte Parteien in Europa auf dem Vormarsch: Anti-Flüchtlingstrend setzt sich immer stärker fort

Die Aussagen und die Haltung gegen Flüchtlinge in ganz Europa bewegen sich ganz klar und immer stärker auf der rechten Bahn. In führenden europäischen Ländern wie Österreich, Frankreich, Italien und Spanien sind rechtsradikale Parteien auf dem Vormarsch. Auch in Deutschland zeichnet sich ein klarer Trend ab: Wären am Sonntag Bundestagswahlen, so würde die AfD zweitstärkste Kraft nach der CDU und würde sich etwa 18 Prozent der Stimmen sichern. Der steile Anstieg der AfD-Stimmen schockierte die deutsche Politik, die jetzt nach Ursachen sucht. Dabei machen viele den Andrang von Flüchtlingen und die unklare, verunsichernde Migrationspolitik der Ampelkoalition verantwortlich. Die AfD profitiert jedenfalls von den Diskussionen um das Asylrecht und gewinnt dadurch an Stimmen.

Dieser Trend ist bedrohlich. Er kann zu einer noch feindlicheren Haltung gegenüber Migranten führen, die auf der Suche nach Schutz ihr Land verlassen mussten. Die stärkere Rolle rechtsradikaler Parteien in der Politik könnte dafür sorgen, dass viele restliche Parteien ebenfalls einen ähnlichen Weg einschlagen und Asylregeln zustimmen, die die Hoffnung auf ein besseres Leben für Flüchtlinge erlöschen lassen. Schließlich wollen sie bei deutschen Wählern nicht in Ungnade fallen und sicherlich nicht zulassen, dass die AfD noch stärker punktet. Der Vorschlag aus der CDU über eine Kommission für ein schärferes Grundasylrecht etwa hat wohl mit dem Erstarken der AfD zu tun, wie Parteichef Merz mit seinen Worten offenbarte. Umso größer das Asylproblem sei, umso größer werde auch die AfD. Selbst bei den Grünen, die sonst immer eine tolerante Position vertreten, machen sich nun Sorgen über einen allmählichen Kurswechsel breit. In einem Brief kritisierten hunderte Grüne aus der Parteibasis die Parteispitze und zeigten sich voller Sorge.

Der rechte Populismus, der sich langsam, aber immer stärker in den Adern von Europa ausbreitet, läuft nun Gefahr, durch neue Gesetze zur Asylpolitik zementiert zu werden. Der rechte Trend im Thema Migration rückt immer stärker ins politische Zentrum. Unklar ist, ob es am Donnerstag in Brüssel auch tatsächlich zu einem Durchbruch kommt. Doch klar ist auf jeden Fall, dass sich der flüchtlingsfeindliche Trend in Europa fortsetzt und keinerlei Abschwächung aufweist. Eine geeinte Asylpolitik mag zwar ein Muss sein, um zukünftige Krisen zu meistern. Es muss jedoch auch eine Politik sein, die die Würde sowie Rechte der Flüchtlinge achtet und sie nicht dämonisiert. Nach dem Umfragehoch würde das der AfD weitere Freude bereiten und als eine Bestätigung dafür dienen, dass der rechte Populismus nun auch in der Flüchtlingsfrage den Weg vorgibt.

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