Symbolbild vom 30.10.2015, China, Peking: Rohbauten in Peking. Schulden von umgerechnet mehr als 300 Milliarden US-Dollar lasten auf dem chinesischen Immobilienriesen Evergrande.  (dpa)
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Am Dienstag blickte die Börsenwelt erneut mit Bangen auf die in Hongkong notierte Aktie des Immobilienkonzerns Evergrande. Nach einem erneuten Kurseinbruch erholte sich die Aktie und schloss knapp unter dem Vortageskurs. Seit Anfang des Jahres haben die Evergrande-Anteile jedoch bereits mehr als 85 Prozent eingebüßt.

Das Unternehmen sitzt auf einem Schuldenberg von umgerechnet mehr als 300 Milliarden US-Dollar (256 Milliarden Euro). Anleger befürchten einen Zahlungsausfall. Der angeschlagene Konzern muss frisches Geld auftreiben, um Banken, Zulieferer und Anleihegläubiger fristgerecht zu bezahlen. Wie der Finanzdienst Bloomberg berichtete, muss der Konzern bereits am Donnerstag auf zwei Anleihen Zinszahlungen im Umfang von über 100 Millionen Dollar leisten.

Zahlungsunfähigkeit für Ratingagentur Fitch „wahrscheinlich“

Zuletzt hatten Ratingagenturen die Bonitätsnote von Evergrande mehrfach herabgestuft. Seit Jahresbeginn ist der Aktienwert des Konzerns um über 85 Prozent gefallen. „Eine Zahlungsunfähigkeit irgendeiner Art erscheint wahrscheinlich“, fand die Agentur Fitch und stufte die Kreditwürdigkeit von Evergrande herab. „Wir glauben, dass das Kreditrisiko hoch ist“, hieß es vonseiten der Agentur. Sie verwies auf knappe Liquidität, rückläufige Verkäufe, verschobene Zahlungen an Zulieferer und Baufirmen.

Die US-Ratingagentur S&P warnte in einer Mitteilung am Montag davor, dass nicht von einer Rettung des Konzerns durch die chinesische Regierung ausgegangen werden könne. Peking wäre demnach nur dann zum Eingreifen gezwungen, „wenn es zu einer weitreichenden Ansteckung käme, die den Zusammenbruch mehrerer großer Bauunternehmen zur Folge hätte und systemische Risiken für die Wirtschaft darstellen würde“, so die Agentur.

Gerade diese Ausführungen deuten jedoch auf ein systemisches Problem hin: Am 28. August kündigte Chinas Internet-Regulierungsbehörde eine zweimonatige Säuberungskampagne im Bereich der Finanz- und Wirtschaftsberichterstattung an. So werden Personen und Institutionen, die Finanzinformationen im Internet und in sozialen Medien verbreiten, nun streng kontrolliert. Das betrifft die großen chinesischen sozialen Netzwerke wie Wechat, Douyin, Sina Weibo und Kuaishou.

China zensiert „illegale Finanznachrichten“ in sozialen Medien

Betreiber der sozialen Netzwerke sollen auf Anweisung der chinesischen Regierung jene Konten sperren, die „wiederholt illegale Finanznachrichten“ verbreiten, Chinas Wirtschaftspolitik „missinterpretieren“ und „Gerüchte verbreiten“. Wer etwa über die hohe Schuldenlast der Regierungen auf unterschiedlichen chinesischen Verwaltungsebenen, die Immobilienblase, Rezession, Stagflation oder über den Anstieg der Arbeitslosigkeit schreibt, dem werde die „Verbreitung von negativer Energie“ unterstellt. Dazu zählt auch, unkommentiert ausländische Berichte über die wirtschaftliche Lage Chinas zu verbreiten.

Der Chef von Evergrande hat seinen Mitarbeitern der Nachrichtenagentur in einem Brief Mut zugesprochen. Er sei fest davon überzeugt, dass man den „dunkelsten Moment“ überwinden könne, hieß es in dem am Dienstag anlässlich des chinesischen Mondfestes verschickten Schreiben von Vorstandschef Xu Jiayin, das von Staatsmedien verbreitet wurde.

Evergrande werde in der Lage sein, die Wiederaufnahme des Baus und der Produktion in vollem Umfang zu beschleunigen und das Hauptziel der „Sicherstellung der Übergabe von Gebäuden“ zu erreichen, um Hauskäufern, Investoren, Partnern und Finanzinstituten eine „verantwortungsvolle Antwort“ zu geben.

Firmenchef ist 34 Milliarden Dollar schwer

Xu Jiayin ist Gründer und Präsident von Evergrande. Er wurde in einem kürzlich erschienenen Vermögensbericht von „Hurn“ als fünftreichste Person Chinas eingestuft. 2019 soll sein Vermögen 34 Milliarden US-Dollar betragen haben.

Evergrande hat Fehlverhalten mehrerer hochrangiger Manager eingeräumt. Sechs Führungskräfte haben demnach mehrere Anlageprodukte des Unternehmens illegalerweise im Voraus eingelöst. Die Angelegenheit werde sehr ernst genommen, hieß es aus dem Unternehmen. Sollte der Immobilienkonzern wirklich pleitegehen, wären davon 200.000 Mitarbeiter direkt betroffen. Bis zu 3,8 Millionen Menschen könnten von den Folgewirkungen ereilt werden.

Immobilienprojekte in mehr als 280 Städten

Das Unternehmen ging im Oktober 2009 an die Börse. Es besitzt der in New York ansässigen chinesischen Dissidentenzeitung „Epoch Times“ zufolge Immobilienprojekte in mehr als 280 chinesischen Städten. Einige der höchsten Wolkenkratzer der Welt wurden durch das Unternehmen geplant und entwickelt, darunter auch das Ocean Flower Island in Hainan.

In den vergangenen Jahren hat Evergrande seine Geschäftsaktivitäten diversifiziert. Neben dem Fußballverein Guangzhou FC, früher Guangzhou Evergrande, besitzt das Unternehmen Tochtergesellschaften für die Automotive-Produktion von E-Autos. Im Lebensmittelgeschäft ist das Unternehmen mit „Evergrande Spring“ präsent. Zudem betreibt es Vergnügungsparks wie die „Hengda Waterworld“ – der nach eigenen Angaben größer als jener von Disney ist.

TRT Deutsch und Agenturen