Wirecard-Betrug: Fahnder prüfen Geldwäsche – Rolle der Geheimdienste unklar (dpa)
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Im Wirecard-Skandal prüft die Anti-Geldwäsche-Einheit des Bundes FIU mittlerweile 144 Vorgänge, die als relevant für die Vorwürfe gegen den Zahlungsdienstleister eingestuft bewerten. Sie teilten sich in 102 Verdachtsmeldungen und 42 sonstige Informationen auf, teilte ein Zoll-Sprecher am Montag in Bonn mit. Die Mehrzahl der Verdachtsmeldungen sei der FIU erst nach dem 22. Juni 2020 zugeleitet worden. An diesem Tag hatte Wirecard Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt.

Jan Marsalek sei „besonders wertvoll“ für Russland

Vier Tage bevor der Wirecard-Betrug aufflog, setzte sich der Wirecard-Vorstand Jan Marsalek von Klagenfurt über mehrere Zwischenstationen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk ab. Das berichtet „Handelsblatt“ am Montag. Mittlerweile soll Marsalek sich auf einem Anwesen in Moskau aufhalten. Bekannte des Geflüchteten berichten, er stehe dort unter der Kontrolle des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR.

Marsalek spricht gut Russisch und soll in Moskau bestens vernetzt sein. Er soll für den Geheimdienst Gelder für russische Auslandsoperationen transferiert haben – wie etwa für geheime russische Investitionen in „failed states“ wie Libyen. Auch Bezahlung von Söldnern in Syrien, der Ukraine und afrikanischen Staaten standen auf der Wunschliste.

Sollte Marsalek bei der Verschleierung der Zahlungswege geholfen und mit organisiert haben, dann sei er „besonders wertvoll“ für Russland. Damit sei er ein „Geheimnisträger erster Güte“.

Wirecard-Geheimdienst-Komplex

Über Wirecard soll Marsalek für russische Betreiber von Onlinecasinos und Glücksspielseiten Geschäfte angebahnt haben, heißt es übereinstimmend in russischen Medien. Die Glücksspielbranche ist in Russland verboten und ansässige Finanzdienstleister dürfen offiziell keinen Zahlungsverkehr abwickeln. Mit aller Wahrscheinlichkeit war Wirecard auch hier behilflich. Laut „Handelsblatt“- Recherchen hat Wirecard in Dubai massenweise Glücksspiel- und Porno-Transaktionen abgewickelt.

Insider berichten, Marsalek habe über Wirecard Informationen über Zahlungsflüsse und zur Frage, welche Personen hinter den Transaktionen steckten geliefert. Dabei habe er stets damit angegeben, mit Nachrichtendiensten zu kooperieren. Seine Partner seien die sogenannten „Five Eyes“, also der Geheimdienstverbund aus US-amerikanischen, britischen, kanadischen, australischen und neuseeländischen Diensten. Nach eigenen Angaben tauscht er sich auch mit dem israelischen Mossad aus. Er verfüge auch über „mehrere Pässe, wie jeder gute Geheimagent“. Die Wirecard-Geheimdienstverflechtungen wollen die Bundestagsabgeordneten jetzt im Finanzausschuss nachhaken.

Vorwurf lautet Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung

Bis zum 22. Juni hätten der FIU im Rahmen ihrer Analyse zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zwei Verdachtsmeldungen in Zusammenhang mit den ersten Vorwürfen gegenüber Wirecard vorgelegen, erläuterte der Zoll-Sprecher. Diese Meldungen seien bereits im Jahr 2019 an das zuständige Landeskriminalamt Bayern abgegeben worden. Zusätzlich sei die Finanzaufsicht Bafin unterrichtet worden. Die FIU habe insoweit ihr vorliegende relevante Erkenntnisse zu Wirecard unmittelbar weitergeleitet und sei damit ihrem gesetzlichen Auftrag vollumfänglich nachgekommen.

Seitdem bewerte die FIU im Rahmen einer vertieften Analyseoperation nochmals alle ihr bislang vorliegenden Informationen zu Wirecard einschließlich der neu bei ihr eingehenden Verdachtsmeldungen im Lichte der aktuellen Erkenntnisse. Dabei habe die FIU den Kriterienkatalog der Untersuchung – über ihren gesetzlichen Kernauftrag hinaus – um Bilanzbetrug, Insiderhandel, Marktmanipulation sowie Betrugs- und Untreuevorwürfe erweitert. Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass Wirecard seit 2015 Scheingewinne auswies - und ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Der Schaden für die kreditgebenden Banken und Investoren könnte sich auf 3,2 Milliarden Euro summieren.

TRT Deutsch und Agenturen