Archivbild. 11.10.2021, Berlin: Ein Autofahrer betankt ein Auto mit dem Kraftstoff Diesel an einer Tankstelle des Mineralölkonzerns Total in der Chausseestrasse. Der Dieselpreis ist in Deutschland auf ein Rekordhoch gestiegen. (dpa)
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Angetrieben von höheren Energiepreisen hat sich der Anstieg der Verbraucherpreise im November weiter beschleunigt: Die Inflationsrate übersprang die Fünf-Prozent-Marke und erreichte den höchsten Stand seit fast drei Jahrzehnten. Hinweise darauf, dass die Inflation außer Kontrolle geraten könnte, gibt es nach Angaben von EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel aber nicht.

Wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte, liegt die Inflationsrate im November bei voraussichtlich 5,2 Prozent. Im Oktober dieses Jahres hatte die Teuerung bei 4,5 Prozent zum Vorjahresmonat gelegen und damit bereits den höchsten Stand seit August 1993 erreicht. Der November-Wert bedeutet nun den höchsten Stand seit Juni 1992, als die Inflationsrate 5,8 Prozent erreicht hatte, unter anderem durch die Verteuerung bei den Lebenshaltungskosten in Ostdeutschland nach der Wiedervereinigung. Energiepreise als Inflationstreiber
Deutlich teurer als ein Jahr zuvor waren im November nun erneut die Energiepreise, was sich für Verbraucherinnen und Verbraucher zuletzt bereits verstärkt an der Tankstelle oder den Kosten fürs Heizen bemerkbar gemacht hatte. Binnen Jahresfrist legten die Preise für Haushaltsenergie und Kraftstoff nach Angaben der Statistiker um 22,1 Prozent zu, waren also um mehr als ein Fünftel teurer als im November 2020. Im Oktober 2021 hatte das Plus bei den Energiepreisen im Vorjahresvergleich 18,6 Prozent betragen.
Allerdings: Die Vorjahresmonate als Vergleichszeitraum waren stark vom zeitweiligen Nachfrageeinbruch in der Corona-Krise geprägt. So war die Inflation im November 2020 im Vergleich zum November 2019 mit minus 0,3 Prozent sogar negativ; die Energiepreise sanken damals binnen Jahresfrist um 7,7 Prozent. Ein Grund für die damals niedrige Inflation war auch die zeitweilige Absenkung der Mehrwertsteuer bis Ende 2020.

Für die aktuelle Entwicklung hinzu kommt nach Angaben des Statistischen Bundesamtes aber auch, dass Anfang 2021 der CO2-Preis eingeführt wurde und Energie verteuert hat. Außerdem spielen „krisenbedingte Effekte“ wie die deutlichen Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen eine Rolle. Angesichts von weltweiten Lieferengpässen hatte es zuletzt über verschiedene Wirtschaftszweige hinweg bei der Materialbeschaffung deutliche Preissteigerungen gegeben. Diese schlügen sich aber „vorerst nur teilweise und abgeschwächt“ in der Inflationsrate nieder, erklärten die Statistiker.
Wie das Bundesamt weiter ausführte, wurden den vorläufigen Berechnungen zufolge Nahrungsmittel im November um 4,5 Prozent teurer, Dienstleistungen, darunter die Wohnungsmiete, verteuerten sich im Vorjahresvergleich um 2,8 Prozent. EZB unter Druck
Mit vorläufig 5,2 Prozent liegt die Inflation deutlich über dem Zwei-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank (EZB), die zuletzt verstärkt unter Druck geraten war, eine Abkehr von ihrer lockeren Geldpolitik zu erwägen. EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel bekräftigte aber am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“ die Einschätzung der Zentralbanker, dass die derzeit außergewöhnlich hohe Inflation ein vorübergehendes Phänomen sei.

„Wir gehen davon aus, dass im November der Höhepunkt der Inflationsentwicklung erreicht ist und dass die Inflation im kommenden Jahr wieder allmählich zurückgehen wird“, sagte Schnabel. Dabei werde sich die Teuerungsrate wieder „in Richtung unseres Inflationsziels von zwei Prozent“ bewegen. Den meisten Prognosen zufolge werde die Inflation sogar unter die Zwei-Prozent-Marke fallen. „Insofern kann man eigentlich keine Hinweise darauf sehen, dass die Inflation außer Kontrolle gerät.“

Im Moment wäre es ein Fehler, „Zinsen frühzeitig zu erhöhen und damit den Aufschwung zu bremsen“, sagte Schnabel. Denn dies würde zu erhöhter Arbeitslosigkeit führen und „an der aktuell sehr, sehr hohen Inflation gar nichts mehr ändern“.

Auch der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, erklärte, es bestünden „gute Chancen, dass wir mit dem aktuellen Anstieg den Höhepunkt der Inflation erreicht haben“ oder dass dieser zumindest im Dezember erreicht werde. „Wir rechnen spätestens ab Januar mit fallenden Inflationsraten.“

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AFP