NRW Landtag (dpa)
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Als „Stammland“ der Sozialdemokratie gilt Nordrhein-Westfalen schon lange nicht mehr. Seit 2017 regiert eine CDU/FDP-Koalition das bevölkerungsreichste Bundesland. Am 15. Mai wird ein neuer Landtag gewählt. Das Rennen ist völlig offen. Die Wahl in NRW wird auch als „kleine Bundestagswahl“ bezeichnet und in Berlin genau beobachtet.

Nur eine Stimme Mehrheit für CDU/FDP-Bündnis

Die Fakten: Mehr als 13 Millionen Wahlberechtigte sind im bevölkerungsreichsten Bundesland zur Wahl aufgerufen. Rund 786.000 sind Erstwähler. 29 Parteien sind mit Landeslisten zur Abstimmung zugelassen. Der Landtag wird für fünf Jahre gewählt. Insgesamt bewerben sich 1375 Personen um ein Landtagsmandat.

Das Wahlrecht: Jeder Wähler kann zwei Kreuze auf dem Stimmzettel machen. Mit der Erststimme wird über das Direktmandat im Wahlkreis entschieden. Mit der Zweitstimme wird die Landesliste einer Partei gewählt. Es gilt eine Fünf-Prozent-Hürde. Wahlberechtigt sind alle Deutschen, die am Wahltag das 18. Lebensjahr vollendet haben und mindestens seit dem 29. April 2022 in NRW wohnen.

Die Ausgangslage: Derzeit sind fünf Fraktionen im Landtag vertreten. 2017 waren aufgrund von Überhang- und Ausgleichsmandaten insgesamt 199 Abgeordnete in den Landtag eingezogen. Eine CDU/FDP-Koalition löste die rot-grüne Koalition ab und hat eine Mehrheit von nur einer Stimme.

Die CDU gewann die Wahl 2017 mit 33 Prozent vor der SPD, die auf 31,2 Prozent kam. Die FDP erreichte mit 12,6 Prozent den dritten Platz - gefolgt von der AfD, die mit 7,4 Prozent erstmals in den Landtag einzog. Die Grünen stürzten 2017 auf 6,4 Prozent ab. Bei der AfD haben mittlerweile drei Abgeordnete die Fraktion verlassen und sind fraktionslos.

Laschet-Nachfolger will CDU-geführte Landesregierung erhalten

Das Personal: Die CDU schickt Ministerpräsident Hendrik Wüst (46) ins Rennen. Der ehemalige Landesverkehrsminister hatte das Amt erst Ende Oktober von Armin Laschet übernommen, der als Unionskanzlerkandidat gescheitert war. SPD-Herausforderer ist Landespartei- und Fraktionschef Thomas Kutschaty (53), der unter Rot-Grün Landesjustizminister war. Grünen-Spitzenkandidatin ist Landesparteichefin Mona Neubaur (44). Für die FDP geht Familien- und Flüchtlingsminister Joachim Stamp (51) an den Start, der auch Vize-Ministerpräsident ist. Spitzenkandidat der AfD ist Fraktionschef Markus Wagner (57).

Der Wahlkampf: Nach dem Thema Corona prägt jetzt der Ukraine-Krieg den Wahlkampf. Energiesicherheit und Kohleausstieg, gestiegene Sprit- und Energiepreise sowie der Klimawandel sind neben der Schulpolitik und bezahlbarem Wohnraum große Themen. Vor dem Hintergrund der Diskussion um Waffenlieferungen an die Ukraine streiten sich CDU und SPD in NRW auch um die Nähe der Parteien zu Kremlchef Wladimir Putin.

Angeheizt wurde der Wahlkampf durch die sogenannte „Mallorca-Affäre“. Umweltministerin Ursula Heinen-Esser war Anfang April zurückgetreten. Zuvor war bekannt geworden, dass sich die CDU-Politikerin wenige Tage nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 mit Regierungsmitgliedern auf Mallorca getroffen hatte, um den Geburtstag ihres Mannes zu feiern. FDP und Grüne konzentrieren sich hingegen demonstrativ auf Sachthemen wie Wirtschaftspolitik und Klimaschutz.

Kutschaty liebäugelt mit „Ampel“ auch in NRW

Die Umfragen: Die Umfragen sagen ein knappes Rennen zwischen CDU und SPD voraus. Zwei neue Erhebungen sehen die CDU mit einem kleinen Vorsprung vor den Sozialdemokraten. In der ARD-Vorwahlumfrage von Infratest dimap liegt die CDU bei 30 Prozent, die SPD bei 28 Prozent. Eine Forsa-Umfrage der NRW-Zeitungen hatte die SPD ebenfalls bei 28 Prozent gesehen, die CDU aber sogar vier Punkte besser bei 32 Prozent. Eine Insa-Umfrage sah dagegen im April die SPD noch mit 31 Prozent vor der CDU mit 29 Prozent.

Die Grünen liegen in Umfragen bei 16 bis 17 Prozent und könnten ihr bestes Landtagswahlergebnis erreichen. Die FDP könnte mit sieben bis acht Prozent rechnen, die AfD mit sechs bis acht Prozent. Die Linke würde mit etwa drei bis vier Prozent weiterhin draußen bleiben. Anderen Parteien, etwa den Freien Wählern oder dem „Team Todenhöfer“, werden keine Aussichten eingeräumt, in den Landtag zu kommen.

Die Optionen: Eine Neuauflage der schwarz-gelben Koalition gilt als unwahrscheinlich. Für die nächste Landesregierung gäbe es aber mehrere Optionen. Rechnerisch möglich wäre neben einer eher unbeliebten großen Koalition aus CDU und SPD ein schwarz-grünes Bündnis, ein Jamaika-Bündnis aus CDU, Grünen und FDP. Die SPD könnte zudem wie im Bund eine Ampel-Koalition mit Grünen und FDP bilden. Wüst würde gern Schwarz-Gelb fortsetzen, die FDP hält sich jedoch, wie auch die Grünen, alle Optionen offen. Kutschaty kann sich eine Ampel-Koalition wie im Bund vorstellen.

Türkischstämmige Wahlberechtigte machen fast vier Prozent aus

Eine wichtige Rolle könnte vor allem im Fall knapper Mehrheitsverhältnisse auch das Wahlverhalten von Menschen mit Migrationshintergrund spielen. Deshalb rufen Organisationen und Verbände mit Einwandererbezug wahlberechtigte Menschen aus ihrer Community dazu auf, von ihrem Recht zur Stimmabgabe bei der Landtagswahl Gebrauch zu machen.

Unter dem Motto „Gemeinsam Zukunft gestalten! Gemeinsam wählen gehen!” hat beispielsweise die Union Internationaler Demokraten (UID) in einer Presseerklärung die türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen (NRW) zur Teilnahme an den Landtagswahlen aufgerufen.

Bei den Wahlen am 15. Mai sind über 13 Millionen Wahlberechtigte stimmberechtigt. In NRW leben ungefähr 1,2 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln. Davon sind etwa 500.000 Wählerinnen und Wähler stimmberechtigt.

Kuş ruft zu kommunalpolitischem Engagement auf

Der Vorsitzende der UID, Köksal Kuş, betonte in einer Pressekonferenz, die Landtagswahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland seien „fast gleichbedeutend mit den Bundestagswahlen“. Die UID, so Kuş, werde deshalb mit Infoständen sowie über die vereinseigenen sozialen Medienkanäle für die NRW-Landtagswahlen werben.

„Wir müssen uns gerade in den letzten Jahren mit dem zunehmenden Problem des Rassismus auseinandersetzen, weil wir immer wieder im Zentrum dieser Angriffe stehen“, unterstreicht der aus der türkischen Stadt Gümüşhane stammende Bauunternehmer. „Insofern sind diese Wahlen von großer Bedeutung für uns.“

Kuş fügte hinzu, dass es zwar in vielen Parteien Kandidaten türkischer Herkunft gebe, diese Zahl jedoch noch ausbaufähig sei. In Anbetracht dessen bemühe sich die UID, das Interesse der jungen Menschen an der Politik zu steigern und sie in gute Positionen zu bringen. Die Mitwirkung an der Politik beginne auf kommunaler und lokaler Ebene.

„Wir erachten eine hohe Wahlbeteiligung als sehr wichtig für die Fortsetzung der Entwicklung unseres Landes“, mahnt der UID-Vorsitzende an die Adresse wahlberechtigter türkischer Einwanderer. Deshalb seien diese „aufgerufen, unsere Zukunft gemeinsam zu gestalten“.

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TRT Deutsch und Agenturen