Archivbild. 20.12.2016, Berlin: Eine Schneise der Verwüstung ist auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin zu sehen, nachdem der Attentäter Anis Amri mit einem Lastwagen über den Platz gerast war. (dpa)
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Gut viereinhalb Jahre nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz hat ein Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses den Sicherheitsbehörden zahlreiche Defizite attestiert. Der Ausschuss habe jedoch keinen alleinigen Schuldigen und keinen konkreten Einzelfehler benannt, sagte der Vorsitzende Stephan Lenz (CDU) bei der Vorstellung des Abschlussberichts am Montag. „Dennoch haben wir zahlreiche Fehler festgestellt.“ Deren Summe dieser habe „den Anschlag möglich gemacht“. Bericht attestiert Mängel bei Personal und Informationsaustausch Für seinen Abschlussbericht hatte der 2017 eingesetzte Untersuchungsausschuss 92 Zeugen vernommen, rund 1500 Aktenordner gesichtet und insgesamt 64 Mal getagt. Das Ergebnis, die Einschätzung der Ermittlungsarbeit der Behörden zu dem extremistischen Anschlag, wurde auf mehr als 1200 Seiten festgehalten. Darin bemängelten die Abgeordneten unter anderem eine „nicht ausreichende personelle Ausstattung“ des Berliner Landeskriminalamts (LKA) im Untersuchungszeitraum. Es habe eine überdurchschnittliche hohe Arbeitsbelastung und gleichzeitig personelle Engpässe gegeben. Außerdem sei der Informationsaustausch zwischen Sicherheits- und Justizbehörden bezüglich des behördenbekannten Attentäters Anis Amri nur unzureichend gewesen. Ein weiteres Problem sei die Vielzahl der Zuständigkeiten gewesen – 16 verschiedene Behörden waren involviert. Eine Zuständigkeit des Bundeskriminalamts für Amri sei geprüft worden, jedoch nicht erfolgt. Ausschussvorsitzende sieht Verbesserungen Andere Versäumnisse sieht das parlamentarische Gremium in einer nicht umfassenden Aufklärung von Amris Umfeld. Dieser habe über zahlreiche Kontakte in extremistische Kreise sogenannter Salafisten verfügt, die jedoch nicht genügend geprüft worden seien. Kritisch gewürdigt wurden außerdem eine Fehleinschätzung des LKA zu dem Attentäter sowie eine passive Rolle des Berliner Verfassungsschutzes. Der Ausschussvorsitzende Lenz hob hervor, dass es in den vergangenen vier Jahren schon zahlreiche Verbesserungen gegeben habe. So seien 587 neue Stellen im Bereich der Terrorbekämpfung beim LKA geschaffen und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern verbessert worden. Zudem sei ein Gesetz zur verbesserten Versorgung von Anschlagsopfern auf den Weg gebracht worden. Grüne, Linke, FDP und AfD mit Sondervoten Der Abschlussbericht wurde einstimmig von den fünf Fraktionen des Abgeordnetenhauses angenommen. Grüne, Linke, FDP und AfD gaben jedoch Sondervoten ab. Die FDP forderte eine verstärkte Zusammenarbeit von Bund und Ländern. Außerdem müssten die Rechte von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen gestärkt werden. Die Linksfraktion merkte an, dass viele Befugnisse der Sicherheitsbehörden nicht ausreichend ausgeschöpft worden seien. Es brauche nicht nur mehr Personal, sondern eine Überprüfung der Befugnisse, erklärte der Linken-Abgeordnete Niklas Schrader. Die Grünen kritisierten in ihrem Sondervotum unter anderem die Fehleinschätzung des Attentäters durch das LKA und einen Fokus der Berliner Polizei auf Linksextremismus. Im Zusatz der AfD ging es um Amtshilfe der Bundeswehr, die Berlin in den Jahren 2015 und 2016 zur Registrierung von Flüchtlingen erbeten hatte. Attentäter war bereits länger unter Beobachtung Der Anschlag auf dem Breitscheidplatz im Dezember 2016 gilt als der bisher schwerste durch religiös verkleideten Extremismus motivierte Terroranschlag in Deutschland. Der später auf der Flucht in Italien von der Polizei erschossene Attentäter Amri fuhr mit einem Lastwagen in den Weihnachtsmarkt und tötete zwölf Menschen. Später wurde bekannt, dass die Sicherheitsbehörden Amri bereits länger beobachtet hatten. Neben dem Berliner Abgeordnetenhaus setzte auch der Bundestag einen Untersuchungsausschuss ein, um mögliche Fehler aufzuklären. Der Abschlussbericht des Bundestags wurde im Juni vorgelegt. Auch darin wurde die Arbeit der Sicherheitsbehörden kritisiert.

AFP