Jürgen Todenhöfer (juergentodenhoefer.de)
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von Ali Özkök

Jürgen Todenhöfer ist ehemaliger CDU-Bundestagsabgeordneter und Publizist. Er bereiste zahlreiche Krisengebiete im Nahen Osten - darunter Syrien, Irak und Iran.

Wie bewerten Sie die Corona-Strategie in Deutschland?

Die Schließung von Geschäften und damit auch von Fabriken, die diese beliefern, war nicht nötig. Erforderlich sind Abstand und Hygiene. Die konnte man in jedem Geschäft sicherstellen, ohne die Geschäfte zu schließen. Der weitgehende Lockdown war unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist ein zentraler Verfassungsgrundsatz für jedes staatliche Handeln.

Wie sehen Sie die wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns?

Unsere Politiker haben der Wirtschaft dauerhaften Schaden zugefügt. Und damit auch dem Sozialstaat. Jetzt verteilen sie als eine Art Schweigegeld Hunderte von Milliarden mit der Gießkanne. Auch das ist unverhältnismäßig. In der Privatwirtschaft wären solche Krisenmanager längst gefeuert worden. Wir werden in einigen Monaten eine bittere Diskussion über die Fehler der Regierung in der Corona-Krise bekommen. Die Folgen der Maßlosigkeit werden wir noch in vielen Jahren spüren.

Wie bewerten Sie die wachsende Abschottungstendenz in Deutschland vor dem Hintergrund der Migration?

Die deutsche Diskussion in dieser Frage ist kompliziert. Meine Meinung ist einfach: Bei großen Flüchtlingswellen wie 2015 sollten wir weniger Migranten aufnehmen, diese aber viel besser behandeln.

Wie ist das Islambild in Deutschland geprägt? Und wie wirkt es sich auf das Leben der Muslime aus?

Der Hass auf Muslime wird systematisch geschürt. Über den Islam wird viel Dummes und Gehässiges erzählt. Die deutschen Muslime bekommen das voll mit. Das ist eine bittere, verhängnisvolle Entwicklung. Muslime sind genauso wertvolle Menschen wie Christen oder Juden. Sie sind eine Bereicherung Deutschlands. Auch früher schon.

Wie beeinflusst die westliche Politikkultur die Stabilität im Nahen Osten?

Die USA halten den Nahen und Mittleren Osten für strategisch sehr wichtig. Deshalb versuchen sie, ihn zu dominieren. Die Europäer sind dabei brave Mitläufer. Das bisherige Ergebnis der Politik des Westens im Mittleren Osten ist Chaos und Destabillierung.

Von welchen Maximen sollte Ihrer Meinung nach Deutschlands Verhältnis zum Nahen Osten geleitet werden?

Wir halten die Demokratie für die beste Staatsform. Aber in der politischen Realität sind manche unserer Partner eben keine Demokratien. Die Golfstaaten zum Beispiel. Wir können jetzt nicht einfach sagen, mit denen reden wir nicht. Aber wir können in allen Gesprächen für unsere Werte werben. Wir sollten sie vorleben und nicht nur vorheucheln.

Können Sie genauer erklären, aus welchen Gründen Sie Annegret Kramp-Karrenbauer vergangenes Jahr in Bezug auf die Türkei kritisiert haben?

Die Türkei ist ein wichtiger und starker Bündnispartner Deutschlands. Mir ging es bei meiner Kritik an AKK nicht um ihre Haltung zur Türkei. Ich fand, dass sie unsere Bundeswehr immer wieder zu schnell und leichtfertig in Krisengebiete schicken will. Unsere Verfassung kennt keine Kriegsminister, sondern nur Verteidigungsminister.

Wie bewerten Sie den Status des Flüchtlingsabkommens der EU mit der Türkei?

Die EU hat die der Türkei versprochenen Gegenleistungen bisher einfach nicht erbracht. Sie ist vertragsbrüchig. Das kann man gar nicht ernsthaft bestreiten.

Vielen Dank für das Gespräch!


TRT Deutsch