Nach der Einstellung eines EU-Verfahrens, bei dem es um ein umstrittenes Urteil des Bundesverfassungsgerichts ging, hat Bayerns Justizminister Georg Eisenreich Aufklärung vom Bund gefordert. Der CSU-Politiker sagte dem „Münchner Merkur“ (Samstag), er erwarte, „dass die Bundesregierung ihre Stellungnahme, die sie gegenüber der Kommission abgegeben hat, veröffentlicht“. Er befürchte, dass die Bundesregierung Brüssel Zusagen gemacht habe, um eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof abzuwenden. Im Ergebnis sei die Einstellung zwar zu begrüßen. Die Erklärung der EU-Kommission werfe aber wichtige Fragen auf.
Die EU-Kommission hatte am Donnerstag das gegen Deutschland eingeleitete Verfahren wegen eines Urteils des Verfassungsgerichts zur Europäischen Zentralbank (EZB) eingestellt. Die Bundesrepublik habe förmlich erklärt, den Vorrang und die Autonomie des Unionsrechts anzuerkennen, erklärte die für die Überwachung der Einhaltung von EU-Recht zuständige Behörde. Zudem habe Deutschland zugesagt, die Autorität des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) anzuerkennen, dessen Urteile endgültig und verbindlich seien. Auch habe sich die deutsche Regierung verpflichtet, alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel zu nutzen, um weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu vermeiden, die die Kompetenzen der EU-Organe infrage stellten.
Hintergrund ist ein Streit um Anleihekäufe der EZB. Das Bundesverfassungsgericht hatte der EU im Mai 2020 attestiert, damit ihre Kompetenzen überschritten zu haben. Brüssel wiederum sah in dem Karlsruher Urteil einen Verstoß gegen den Grundsatz des Vorrangs von EU-Recht.
Eisenreich zeigte sich alarmiert. „Deutschland ist ein Rechtsstaat mit unabhängigen Gerichten. Dieses Grundprinzip unserer Verfassungsordnung darf nicht angetastet werden“, sagte er der Zeitung. Der Bund könne keine solchen Zusagen gegenüber der EU-Kommission machen, weil jede Einflussnahme der Regierung auf die grundgesetzlich geschützte richterliche Unabhängigkeit ausgeschlossen sei. Um Klarheit zu schaffen, forderte Eisenreich Transparenz.
5 Dez. 2021
EU-Verfahren zu EZB-Urteil eingestellt – Eisenreich fordert Aufklärung
Die EU-Kommission hat das Verfahren gegen Deutschland zum EZB-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes eingestellt. Bayerns Justizminister Eisenreich fordert Aufklärung vom Bund. Er befürchtet verhängnisvolle Zusagen gegenüber Brüssel.
dpa
Ähnliche Nachrichten
Linken-Vize reagiert kühl auf Wagenknechts Ankündigung
Wagenknecht war mal das Aushängeschild der Linken. Doch sie will nicht mehr kandidieren. Für ihre lautstarke Forderung nach Frieden in der Ukraine erntet sie viel Beifall aus der Bevölkerung. Die Parteispitze hingegen zeigt ihr die kalte Schulter.
Selbe Kategorie
Ataman: Es wird „offener und ungehemmter“ diskriminiert
Seitdem Rechtsextreme bei Wahlen mehr Zuspruch erhalten, wird laut Ferda Ataman in Deutschland „offener und ungehemmter diskriminiert“. Gewalttätige Übergriffe auf Minderheiten hätten zugenommen, so die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes.
Rote Linien und Minderheitsregierung: Wie lange hält die Ampel-Koalition?
Die Ampel-Spitzen setzen auf regulären Wahltermin, doch interne Konflikte zwischen den Koalitionspartnern sorgen für Spannungen. Während die SPD offen für Minderheitsregierungen ist, lehnt die Union eine Unterstützung ab. Ein Überblick.
Worüber möchten Sie mehr erfahren?
Beliebt
Iran: Rätselhafte Vergiftungswelle beunruhigt die Bevölkerung
Bei einer landesweiten Anschlagswelle im Iran wurden Hunderte Schulmädchen vergiftet. In Regierungskreisen werden Extremisten dahinter vermutet. Eine offizielle Stellungnahme aus Teheran steht aber noch aus. Die Wut und Sorge der Eltern wächst.