EuGH-Urteil zu angeblichen Rechtsstaatsverstößen könnte Ländern wie Ungarn und Polen viel Geld kosten. (dpa)
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Polen und Ungarn müssen womöglich mit der Kürzung von Mitteln aus dem EU-Haushalt rechnen: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) wies die Klagen der beiden Länder gegen den EU-Rechtsstaatsmechanismus am Mittwoch in Luxemburg ab. Die Regelung sei auf einer geeigneten Rechtsgrundlage erlassen worden, urteilte der EuGH. Das 2021 eingeführte Instrument sieht die Möglichkeit vor, bei Rechtsstaatsverstößen EU-Gelder zu kürzen, wenn deren Missbrauch droht.

Dann können Zahlungen aus dem gemeinsamen Haushalt reduziert oder Mittel aus dem Strukturfonds eingefroren werden. Möglich sind solche Sanktionen, wenn Mitgliedstaaten gegen rechtsstaatliche Grundwerte wie die Unabhängigkeit der Justiz verstoßen und sich die Verstöße negativ auf die finanziellen Interessen der EU auswirken.
Der Rechtsstaatsmechanismus trat bereits zu Beginn des vergangenen Jahres in Kraft, wurde aber noch nicht angewandt. Die Mitgliedsstaaten hatten sich darauf geeinigt, die EuGH-Entscheidung abzuwarten. Auch die EU-Kommission wartete darauf. Das Europaparlament dagegen warf der Kommission Untätigkeit vor und verklagte sie im Oktober sogar deswegen. Polen und Ungarn seit Langem in der Kritik

Die Regierungen von Polen und Ungarn stehen seit Langem wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen in der Kritik. Brüssel befürchtet, dass der Rechtsstaat in beiden Ländern erodiert. Warschau und Polen waren von Anfang an gegen den Mechanismus und klagten dagegen, sie wollten ihn vom EuGH für nichtig erklären lassen.

Damit hatten sie aber keinen Erfolg: Der Gerichtshof urteilte, dass der Rechtsstaatsmechanismus mit dem EU-Vertrag vereinbar sei und mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit und den Grenzen der Zuständigkeit der EU im Einklang stehe.

Ziel sei es, den Unionshaushalt vor Beeinträchtigungen wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit zu schützen, führte er aus - nicht etwa, derartige Verstöße als solche zu ahnden. Der EuGH wies darauf hin, dass das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedsstaaten die Achtung gemeinsamer Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Solidarität voraussetze. Die EU müsse in der Lage sein, diese zu verteidigen.

Der Haushalt sei eines der wichtigsten Instrumente, um die Solidarität zu konkretisieren, hieß es weiter. Wenn ein Mitgliedsstaat gegen rechtsstaatliche Grundsätze verstoße, könne dies die finanziellen Interessen der EU schwer beeinträchtigen. Denn dann sei nicht mehr gewährleistet, dass die Ausgaben den Zielen entsprächen, welche die EU mit der Finanzierung verfolge.

Der EuGH sah auch einen deutlichen Unterschied zum sogenannten Artikel-7-Verfahren, mit dem besonders schwerwiegende Rechtsstaatsverstöße geahndet werden können: Der hier strittige Mechanismus solle den Haushalt der Union schützen und habe damit ein anderes Ziel, erklärte er. Im Rahmen des Rechtsstaatsmechanismus könnten Verhaltensweisen nur begrenzt überprüft werden, weswegen die Zuständigkeiten der EU nicht überschritten würden.

Der Grundsatz der Rechtssicherheit habe seinen Ursprung in gemeinsamen Werten der Mitgliedsstaaten, erklärte der EuGH weiter. Sanktionen könnten im Rahmen des Mechanismus nur dann verhängt werden, wenn es einen echten Zusammenhang gebe zwischen Rechtsstaatsverstößen und einer ernsthaften Bedrohung für die finanziellen Interessen der EU. Die Kommission müsse bei möglichen Verfahren strenge Regeln beachten und unter anderem die betroffenen Mitgliedsstaaten mehrmals anhören.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen begrüßte die Urteile. Sie kündigte für die kommenden Wochen Leitlinien für die Umsetzung des Mechanismus an. Wo die Bedingungen erfüllt seien, werde entschlossen gehandelt, erklärte von der Leyen. EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola teilte mit, das Parlament erwarte nun von der Kommission, dass der Mechanismus schnell in Gang gesetzt werde.

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dpa