Vizepräsident Mike Pence leitet die Sitzung im Kapitol als Präsident des Senats während einer gemeinsamen Sitzung des Repräsentantenhauses und des Senats zur Bestätigung der Stimmen des Wahlmännerkollegiums. (dpa)
Folgen

Hochrangige Mitglieder der scheidenden US-Regierung haben laut übereinstimmenden Medienberichten am Mittwoch (Ortszeit) über eine mögliche Absetzung von Präsident Donald Trump durch sein eigenes Kabinett beraten. Nach Informationen der US-Sender CNN, CBS und ABC sollen sich diese Überlegungen auf einen Zusatzartikel der US-Verfassung gestützt haben, der die Entmachtung des Präsidenten durch das Kabinett grundsätzlich erlaubt.

Als Voraussetzung wird in dem „25th Amendment“ genannt, dass der Präsident „unfähig“ ist, die Pflichten und Vollmachten seines Amtes auszuüben. Kriterien für diese „Unfähigkeit“ sind nicht definiert, gemeint sind generell physische oder mentale Beeinträchtigungen. CNN zitierte anonyme republikanische Führungspolitiker mit den Worten, Trump sei „außer Kontrolle“.

Der abgewählte Präsident, dessen Ausscheiden aus dem Amt ohnehin für den 20. Januar vorgesehen ist, hatte am Mittwoch seine zu Tausenden in Washington versammelte Anhängerschaft mit einem Redeauftritt aufgepeitscht. Darin hatte er seinen völlig unbelegten Vorwurf des massiven Betrugs bei der Präsidentenwahl am 3. November wiederholt und zum Marsch auf das Kapitol – den Sitz des Kongresses – aufgerufen.

Daraufhin stürmten Trump-Anhänger das Kapitol und randalierten stundenlang im Gebäude. Trump rief zwar in einer noch während der Randale ausgestrahlten Videobotschaft zu „Frieden“ auf. Zugleich sagte er seinen randalierenden Anhängern aber auch: „Wir lieben euch“ – und wiederholte seine Wahlbetrugsvorwürfe.

Rufe nach erneutem Amtsenthebungsverfahren

Die Demokraten im Repräsentantenhaus haben in einem Brief an Pence ebenfalls die vorzeitige Entmachtung Trumps durch die eigene Regierung gefordert. Der abgewählte Präsident habe zum Aufruhr angestachelt und „unsere Demokratie zu untergraben versucht“, schrieben die demokratischen Mitglieder des Justizausschusses. Trump sei „mental nicht gesund“ und unfähig, das Wahlergebnis „zu verarbeiten und zu akzeptieren“.

Die demokratische Kongressabgeordnete Ilhan Omar teilte am Mittwoch auf Twitter mit, sie fertige bereits Artikel zur Anklageerhebung an. „Wir können nicht zulassen, dass er im Amt bleibt, es ist eine Frage der Erhaltung unserer Republik und wir müssen unseren Eid erfüllen.“ Ihre Kollegin Carolyn Bourdeaux schloss sich der Forderung an und machte Trump persönlich für den Angriff auf das Kapitol verantwortlich.

Die demokratische Kongressabgeordnete Ayanna Pressley schrieb auf Twitter: „Donald J. Trump sollte sofort vom Repräsentantenhaus angeklagt und vom Senat der Vereinigten Staaten aus dem Amt entfernt werden, sobald der Kongress wieder zusammentritt.“ Der demokratische Kongressabgeordnete Ted Lieu rief Vizepräsident Mike Pence dazu auf, Trump auf Basis des 25. Zusatzartikels der Verfassung für amtsunfähig zu erklären.

Entmachtung hängt von Mike Pence ab

Damit Trump von seinem eigenen Kabinett abgesetzt würde, müsste sein Stellvertreter Mike Pence die Initiative unterstützen. Laut dem Verfassungszusatz muss der Vizepräsident die Kabinettsabstimmung zur Entmachtung des Präsidenten leiten.

Pence war über Trumps vierjährige Amtszeit hinweg dessen treuer Weggefährte, hatte sich aber zuletzt von diesem distanziert. So verurteilte er die Randale im Kapitol und sperrte sich gegen Trumps Forderung, er solle die Zertifizierung des Wahlergebnisses durch den Kongress verhindern. Pence ist kraft seines Amtes zugleich auch Vorsitzender des Senats.

Die im „25th Amendment“ vorgesehene Prozedur zur Absetzung des Präsidenten ist allerdings kompliziert – käme sie tatsächlich ins Rollen, könnte sie noch gar nicht abgeschlossen sein, bevor Trumps Amtszeit ohnehin endet.

Denn ein bloßer Kabinettsbeschluss reicht für die dauerhafte Absetzung des Präsidenten nicht aus. Zwar wird der Präsident sofort des Amtes enthoben, wenn Vizepräsident und Kabinett eine entsprechende Erklärung im Kongress einreichen. Der Präsident kann sich dann jedoch mit einer Gegenerklärung seine Befähigung selbst attestieren, womit er sofort wieder im Amt wäre.

Im nächsten Schritt müssten Vizepräsident und Kabinett abermals die Amtsunfähigkeit des Präsidenten erklären, was zu dessen erneuter vorläufiger Amtsenthebung führen würde. Innerhalb von 21 Tagen müsste dann der Kongress über eine mögliche endgültige Absetzung abstimmen. Dafür wären dann Zweidrittelmehrheiten erforderlich.

TRT Deutsch und Agenturen