UN: Krieg schafft Armutsrisiko für 90 Prozent der Ukrainer (AFP)
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Dauert der Krieg in der Ukraine weiter an, könnten nach ersten Schätzungen der Vereinten Nationen binnen Jahresfrist rund 90 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen sein. Eine anhaltende russische Invasion könnte das Land wirtschaftlich in diesem Zeitraum um fast zwei Jahrzehnte zurückwerfen. Dies teilte das UN-Entwicklungsprogramms UNDP am Mittwoch mit.

„Jeder Tag, den der Frieden auf sich warten lässt, beschleunigt den freien Fall in die Armut für die Ukraine“, warnten die UN. Der Krieg drohe auch kommenden Generationen tiefe soziale und wirtschaftliche Narben zu hinterlassen.

Die akuten Auswirkungen eines langwierigen Kriegs würden bereits jetzt immer offensichtlicher, betont der Leiter des UN-Entwicklungsprogramms, Achim Steiner. Der „alarmierende wirtschaftliche Niedergang“, das Leid und die Not, die der Krieg für die bereits traumatisierte Bevölkerung bringen werde, würden jetzt noch deutlicher zutage treten. „Es ist noch Zeit, diese düstere Entwicklung aufzuhalten.“

Menschen in Tschernihiw ohne Strom, Heizung und Wasser

In der von russischen Truppen eingekreisten Stadt Tschernihiw im Norden der Ukraine muss die Bevölkerung ohne Strom, Heizung und Wasser ausharren. Nur die Gasversorgung funktioniere noch teilweise, teilte die Regionalverwaltung am Sonntag mit. Die Infrastruktur sei durch „aktive Kampfhandlungen“ in der Stadt zerstört worden. Es werde versucht, die Schäden zu reparieren, schrieb Verwaltungschef Wjatscheslaw Tschaus auf Telegram.

Russische Truppen haben die Stadt dicht an der Grenze zu Russland und Belarus seit längerem eingekesselt. Von Tschernihiw führt eine strategisch wichtige Straße 125 Kilometer nach Süden in die Hauptstadt Kiew.

Schon am Samstag beklagte Bürgermeister Wladyslaw Atroschenko große Zerstörungen durch russische Truppen. „Die Stadt ist komplett verwüstet“, sagte er. In den vergangenen Wochen seien mehr als 200 Zivilisten getötet worden. Von den mehr als 285.000 Einwohnern in Tschernihiw vor dem Krieg sei mittlerweile nicht einmal mehr die Hälfte übrig. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

Das Stadtbild wird durch zahlreiche mittelalterliche Kirchen und Klöster geprägt, von denen nach ukrainischen Angaben mindestens zwei beschädigt worden sind. Die Ukraine strebt für das Zentrum von Tschernihiw den Status als Weltkulturerbe an.

Bereits ein Viertel der ukrainischen Bevölkerung auf der Flucht

Laut dem britischen Verteidigungsministerium wird Russland weiterhin Angriffe auf städtische Gebiete fortsetzen, auch unter Inkaufnahme weiterer ziviler Opfer. Die Invasion hat bislang mehr als zehn Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben. Das ist fast ein Viertel der ukrainischen Bevölkerung.

Nach Angaben der Vereinten Nationen sind mehr als 3,7 Millionen von ihnen vollständig aus dem Land geflohen. Man geht davon aus, dass Tausende von Zivilisten ums Leben gekommen sind.

Agenturen