Israel: Demos für und gegen umstrittene Justizreform / Photo: DPA (dpa)
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In Israel haben am Sonntagabend Gegner und Befürworter der umstrittenen Justizreform demonstriert. Während in der Küstenstadt Tel Aviv Zehntausende Unterstützer des geplanten Justizumbaus zusammenkamen, versammelten sich in der Hauptstadt Jerusalem Zehntausende, die dem Vorhaben ablehnend gegenüberstehen. In Jerusalem hatte zudem am Sonntagmittag eine Demonstration für einen Konsens beider Lager stattgefunden.

Medienberichten zufolge griffen Befürworter der Justizreform einen Journalisten und dessen Kamerateam aus zunächst ungeklärter Ursache an. Den Angaben nach kamen viele der Demonstranten mit Bussen aus anderen Orten des Landes sowie Siedlungen im besetzten Westjordanland in das als liberal geltende Tel Aviv. Nach dem Protest seien Demonstranten durch die Stadt gezogen und hätten „Tod den Arabern“ gerufen und Polizeiabsperrungen niedergerissen. Medien schätzten die Teilnehmer der Befürworter der Reform auf rund 50.000, die der Gegner auf 50.000 bis 100.000. Bei der Kundgebung in Jerusalem kam es zu Zusammenstößen zwischen Gegnern der Reform und der Polizei.

Israel: Demos für und gegen umstrittene Justizreform (DPA)

Biden ruft Israels Regierung zu Kompromissbereitschaft auf

Kurz vor der Abstimmung hat US-Präsident Joe Biden die israelische Regierung zu Kompromissbereitschaft aufgerufen. „Es ergibt keinen Sinn für die israelische Führung, dies zu überstürzen - Ziel sollte sein, die Menschen zusammenzubringen und einen Konsens zu finden“, mahnte Biden am Sonntag in einer zuerst vom Nachrichtenportal „Axios“ veröffentlichten und später vom Weißen Haus an die Nachrichtenagentur AFP weitergegebenen Erklärung.

„Aus Sicht von Israels Freunden in den Vereinigten Staaten sieht es so aus, als ob der derzeitige Vorschlag zur Justizreform zu mehr Spaltung führt, nicht zu weniger“, erklärte Biden weiter.

Kritiker fürchten eine willkürliche Besetzung hochrangiger Regierungsposten sowie eine Begünstigung von Korruption. Konkret verdächtigen sie Netanjahu, gegen den ein Korruptionsverfahren läuft, seine Verurteilung abwenden zu wollen.

Israel: Demos für und gegen umstrittene Justizreform (DPA)

Sollte der Gesetzesentwurf angenommen werden, wäre die Klausel über die „Angemessenheit“ der erste wichtige Bestandteil des Justizumbaus. Weitere Änderungen zielen darauf ab, dass die Regierung mehr Mitspracherecht bei der Ernennung von Richtern erhält.

Die Pläne zielen darauf ab, die Befugnisse der Justiz und des Obersten Gerichts einzuschränken und die Stellung des Parlaments und des Ministerpräsidenten zu stärken. Kritiker fürchten infolge der Schwächung der Justiz um die Demokratie in Israel. Befürworter argumentieren hingegen mit einer Wiederherstellung des Gleichgewichts in der Gewaltenteilung.

Knesset berät Justizumbau

Das Parlament in Jerusalem begann am Sonntag eine Marathonsitzung, um über ein Kernelement der umstrittenen Justizreform abschließend zu beraten. Möglicherweise wird schon an diesem Montag darüber abgestimmt. Das Gesetz ist Teil eines größeren Pakets, das von Kritikern als Gefahr für Israels Demokratie eingestuft wird.

Israel: Demos für und gegen umstrittene Justizreform (Others)

Staatschef Izchak Herzog traf am Sonntagabend derweil Regierungschef Benjamin Netanjahu sowie Oppositionsführer Jair Lapid, um einen Kompromiss zwischen Regierung und Opposition zu erreichen, teilte das Büro des Präsidenten mit. Herzog sollte anschließend zudem Oppositionspolitiker Benny Gantz treffen.

Bei Protesten gegen die Justizreform waren am Samstag Organisatoren zufolge mehr als eine halbe Million Menschen im ganzen Land auf die Straße gegangen - es war demnach einer der größten Protesttage seit Beginn der Demonstrationen Anfang Januar. Israel hat rund zehn Millionen Einwohner.

Agenturen