Der Chef des UN-Hilfswerks für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA), Philippe Lazzarini, sieht keine Möglichkeit, die Menschen aus der Stadt Rafah im Süden des Gazastreifens wie von Israel gefordert zu „evakuieren“. „Evakuierung wohin? Es gibt keinen sicheren Ort in Gaza“, sagte Philippe Lazzarini der „Neuen Zürcher Zeitung“ (Donnerstag). Der Norden sei mit nicht explodierten Sprengkörpern übersät. Man könne die Bevölkerung nicht dorthin bringen. Dort herrsche akute Unterernährung, eine Hungersnot drohe. „Es gibt keinen Ort, an den man evakuieren kann.“
Israels Regierung hat die in der Region tätigen UN-Organisationen aufgefordert, die zuvor aus anderen Teilen Gazas vertriebenen Palästinenser nun aus Rafah zu evakuieren. In der Stadt mit einst 300.000 Einwohnern halten sich nach UN-Angaben inzwischen mehr als 1,4 Millionen Menschen auf, die aufgrund massiver Bombardierungen durch Israel in den Süden der abgeriegelten Enklave geflüchtet waren.
Lazzarini sagte, die Bevölkerung sei bereits mehrfach innerhalb des abgeriegelten Küstengebiets geflohen. Mehr als 100.000 Menschen seien entweder getötet oder verletzt worden oder würden vermisst. Im Gazastreifen seien in nur vier Monaten fast 18.000 Kinder zu Waisen geworden.
Israels Vernichtungskrieg in Gaza
Israel hatte nach dem 7. Oktober die Versorgung des Gazastreifens mit Wasser, Lebensmitteln, Treibstoff und Strom gestoppt und zugleich massive Luftangriffe gestartet. Anschließend drangen Bodentruppen in den dicht besiedelten Küstenstreifen ein. Humanitäre Hilfslieferungen werden von Israel seitdem behindert. Fast zwei Millionen Menschen wurden gezwungen, in den Süden zu flüchten.
Nach palästinensischen Angaben wurden in Gaza seit dem 7. Oktober mehr als 28.500 Menschen getötet und Zehntausende verletzt. Die Zahl könnte weit höher sein, da noch viele Tote unter den Trümmern liegen und nicht geborgen werden können.