14.5.2023: Stimmen in Türkiye werden ausgezählt / Photo: AA (AA)
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In Türkiye wird es am 28. Mai zu einer Stichwahl kommen. Bei der Präsidentschaftswahl am Sonntag hatte der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit 49,5 Prozent der Stimmen die für einen Wahlsieg erforderliche Hürde von 50,1 Prozent nur knapp verpasst. Sein Hauptkonkurrent Kemal Kılıçdaroğlu erhielt bei der Wahl am Sonntag nur 44,89 Prozent der Stimmen. Insgesamt traten am Sonntag mehr als 30 politische Parteien und 150 unabhängige Parlamentskandidaten an.

Für politische Analysten ist die Abhaltung der Stichwahl ein Beweis für das Engagement des Landes für die Wahrung der Demokratie.

„Die hohe Beteiligung der Türken an den Wahlen ist ein Beweis für die tief verwurzelte Tradition der Demokratie in Türkiye“, so Dr. Özden Zeynep Oktav, Professorin an der Fakultät für Internationale Beziehungen der Istanbuler Medeniyet-Universität gegenüber TRT World.

„Der größte Reichtum dieses Landes ist, dass die Bürgerinnen und Bürger entscheiden, wer dieses Land regieren und führen wird“, so der der AK-Partei-Sprecher Ömer Çelik nach dem Urnengang.

Insgesamt waren 64,1 Millionen Menschen als Wähler registriert, darunter etwa 5 Millionen Erstwähler und etwa 1,7 Millionen aus der Diaspora, die im Ausland zur Wahl gingen. Im Land selbst waren fast 192.000 Wahlurnen in Betrieb, als die Stimmabgabe gegen 17 Uhr Ortszeit endete.

US-Diplomat lobt hohe Wahlbeteiligung

Laut US-Botschafter a.D. Matthew Bryza ist die hohe Wahlbeteiligung von knapp 89 Prozent beim ersten Wahldurchgang „eine wirklich großartige Entwicklung für die Demokratie Türkiye. Diese Zahlen werden in den Vereinigten, wo eine gute Wahlbeteiligung vielleicht bei 65 Prozent liegt, beneidet.“

19. Juni 2021: Der ehemalige US-Diplomat Bryza (AA)

Laut Bryza, der zuvor auch Beamter des Weißen Hauses und des US-Außenministeriums war, zeigt die hohe Wahlbeteiligung, „wie wichtig den Bürgern in Türkiye die Demokratie ist“.

Einige Meinungsumfragen hatten einen Sieg Kılıçdaroğlus vorausgesagt, doch Bryza unterstreicht, wie „notorisch ungenau“ diese Umfragen sein können. Er zieht einen Vergleich mit den Präsidentschaftswahlen in den USA in den Jahren 2016 und 2020, die „furchtbar ungenau“ gewesen seien.

„Ich bin also überhaupt nicht überrascht, dass sich die [Meinungs-]Umfragen, die Kemal Kılıçdaroğlu vor Präsident Erdoğan sahen, bei dieser Türkiye-Wahl als ungenau erwiesen haben. Ich glaube nicht, dass etwas Böses dahintersteckt - ich denke, es ist einfach ein übliches Phänomen, dass Meinungsumfragen in vielen Ländern, einschließlich der Vereinigten Staaten, in den letzten Jahren ungenau waren“, sagt Bryza.

Kritik an Türkiye-Berichterstattung

Oktav argumentiert jedoch, dass „die Ergebnisse beweisen, dass die externen Meinungsumfragen und die Anti-Erdoğan-Nachrichten, über die ausländische Medien berichten, nicht der Wahrheit entsprechen. Darüber hinaus verstärkten solche Umfragen und Nachrichten die Vorstellung, dass Kilıcdaroglu ein Agent der Vereinigten Staaten ist. Dies führte dazu, dass Kılıçdaroğlus Ansehen in den Augen vieler Menschen in der Türkei sank.“

Bryza bezeichnet es als „ein Zeichen für die Lebendigkeit der türkischen Demokratie, dass beide Kandidaten, sowohl Kılıçdaroğlu als auch Erdoğan, glauben, dass sie in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen gewinnen können. Und ich finde es auch sehr gut im Vergleich zu den Vereinigten Staaten, dass der amtierende Präsident Recep Tayyip Erdoğan ständig gesagt hat, er werde das Wahlergebnis anerkennen, und auch jetzt sehen wir, dass er den zweiten Wahlgang begrüßt.“

Der ehemalige US-Diplomat weist darauf hin, dass „dies in scharfem Kontrast zu den Vereinigten Staaten steht, wo selbst jetzt, nachdem sie den Aufstand vom 6. Januar auf dem Capitol Hill provoziert haben, der das Überleben der amerikanischen demokratischen Institutionen in Frage gestellt hat und der so beschämend war.“

Bryza stellt fest, dass Ex-US-Präsident Trump fälschlicherweise behauptet habe, die Wahl 2020 sei gestohlen worden, und dass er „andeutet, dass die Wahl 2024 unfair sein könnte, und wenn er verliert, werde es daran liegen, dass die Wahl gestohlen worden sei. Das Beispiel von Präsident Erdoğan steht in krassem Gegensatz zu dem schändlichen Beispiel von Donald Trump“, so Bryza.

Da die Türkiye-Wahlen im Jahr 2023 stattfinden, unterstreicht Oktav die Bedeutung des Jahres in Bezug auf die Gründung des Landes. „Die Wahlen im Jahr 2023 bedeuten den Türken sehr viel, da das Jahr 2023 der 100. Jahrestag der türkischen Republik ist. Außerdem glaubten viele, dass die AK-Partei die Wahlen verlieren würde, da sie seit über 20 Jahren regiert und wegen der großen Inflation und der wirtschaftlichen Probleme stark in der Kritik steht“, sagt sie. „Interessanterweise ist genau das Gegenteil eingetreten und die AK-Partei hat die Mehrheit im Parlament erhalten.“

TRT Deutsch