Wegen Kopftuch: Amtsenthebung einer ehrenamtlichen Richterin in München (AA)
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Der Präsident des Bayerischen Verwaltungsgerichts München hat am 28. Oktober die Entbindung einer ehrenamtlichen muslimischen Richterin beantragt. Sie dürfe in einer mündlichen Verhandlung des Verwaltungsgerichts kein Kopftuch tragen. Das sei eine „gröbliche“ Verletzung der Amtspflichten, heißt es in der Begründung des Präsidenten.

Bereits im Februar gab es einen Schriftwechsel mit der zuständigen Amtsstelle. Darin informierte die damalige Präsidentin des Bayerischen Verwaltungsgerichts über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bezüglich des Tragens eines Kopftuches in mündlichen Verhandlungen – demnach ist es Musliminnen bei der Ausübung des Amts verboten, mit Kopftuch zu erscheinen.

Der neue Präsident beantragte am Mittwoch, basierend auf dieser Entscheidung, die Entbindung der Frau als ehrenamtliche Richterin vom Amt.

Im Februar erfuhr die Muslimin, die namentlich nicht genannt werden will, von ihrer Wahl zur ehrenamtlichen Richterin. Ihr sei klar gewesen, dass das Bayerische Verwaltungsgericht hinsichtlich ihres Kopftuches nicht informiert gewesen sei. Sie sei vor die Wahl gestellt worden, zwischen Kopftuch oder dem Amt der ehrenamtlichen Richterin zu entscheiden. Dazu habe sie schriftlich Stellung genommen und mitgeteilt, sie werde während den Verhandlungen ihr Kopftuch nicht ablegen.

Eine ehrenamtliche Richterin darf auch in einer mündlichen Verhandlung kein Kopftuch tragen. (TRT Deutsch)

„Loyalität zum deutschen Rechtsstaat kann nicht mit einem Kopftuch gemessen werden“

Im September habe sie ihre erste Verhandlung als ehrenamtliche Richterin geführt – mit Kopftuch. Am Sonntag habe sie schließlich vom Antrag zur Amtsenthebung erfahren. Sie könne diese Haltung nicht verstehen, denn ihre „Loyalität zum deutschen Rechtsstaat kann nicht mit einem Kopftuch gemessen werden“, sagte sie im Gespräch mit TRT Deutsch. Sie sei loyal gegenüber dem deutschen Staat und stehe zum Grundgesetz.

Diskriminierung und Rassismus gegenüber Kopftuchträgerinnen sei leider nicht nur ein deutsches Problem – es sei vor allem ein europäisches Problem. Als Antidiskriminierungsbeauftragte befasse sich die Juristin mit dem Thema auch privat. „In Deutschland eine praktizierende Muslima zu sein, ist leider nicht leicht“, erklärte sie. Auch der türkischstämmige Rechtsanwalt Fatih Zingal aus Solingen hat kein Verständnis für die Vorgehensweise. „Es ist sehr besorgniserregend, dass das Tragen eines Kopftuches als grobe Pflichtverletzung gewertet wird. Wir sollten mittlerweile eigentlich soweit sein, dass es nicht darauf ankommen darf, was auf dem Kopf ist, sondern im Kopf“, so der Rechtsanwalt. Die Entscheidung trage zur Ausgrenzung der muslimischen Minderheit bei, die ohnehin tagtäglich Ausgrenzungen und Anfeindungen ausgesetzt sei. Irgendwann seien hoffentlich diese Art der Entscheidungen nur noch in rechtsgeschichtlichen Büchern zu finden. Gesellschaftliche Akzeptanz und Toleranz seien keine Selbstverständlichkeit, sondern ein stetiger dynamischer Prozess, an dem alle Akteure mitwirken müssten, erklärte Zingal im TRT Deutsch-Interview.

TRT Deutsch