04.08.2020, Bayern, München: Joachim Herrmann (CSU), Innenminister von Bayern, nimmt an einer Pressekonferenz zu Verfassungsschutzinformationen für das erste Halbjahr 2020 teil. (dpa)
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Der bayerische Verfassungsschutz hat seit 2016 außergewöhnlich weitreichende Befugnisse - ein Vorbild für den Bund und andere Bundesländer? Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) befürchtet genau das und klagt gegen das bayerische Gesetz in Karlsruhe. Am Dienstag (10.00 Uhr) verhandelt das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsbeschwerde. Das Urteil ist frühestens in einigen Monaten zu erwarten. (Az. 1 BvR 1619/17)

Herrmann sieht „Vorreiterrolle“ für Bayern
Zum 1. August 2016 bekamen die bayerischen Verfassungsschützer etliche neue Rechte. Sie dürfen unter anderem Wohnungen abhören und ausspähen, auf gespeicherte Telekommunikations-Verbindungsdaten zugreifen und V-Leute anders einsetzen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte damals, die Reform solle den Verfassungsschutz „fit machen für künftige Herausforderungen“ durch Terrorismus und Rechtsextremismus. Bayern nehme damit eine Vorreiterrolle ein.
Nach Darstellung des Ministeriums bestand der Großteil der Befugnisse bereits vor der Gesetzesänderung. Er sei durch die Neuregelung in vielen Punkten klarer gefasst, zum Teil sogar begrenzt worden.
Auch linksextreme Antifa-Organisation an Erfolg der Klage interessiert
Die GFF dagegen sieht etliche Grundrechte verletzt. Sie kritisiert unter anderem, dass für Maßnahmen wie dauerhafte Observationen keine richterliche Kontrolle vorgesehen sei und Betroffene nachträglich nicht ausreichend benachrichtigt würden. Das Gesetz ermögliche „schon bei diffusen Bedrohungslagen eine breit gestreute Überwachung, die auch völlig Unverdächtige betrifft“. Außerdem werde das Prinzip der Trennung von Polizei und Geheimdiensten aufgeweicht, das Machtmissbrauch verhindern solle.
Verfassungsbeschwerde erheben kann nur, wer „selbst, gegenwärtig und unmittelbar“ in eigenen Rechten betroffen ist. Als Kläger hat die GFF deshalb drei Mitglieder der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) gewonnen, die im bayerischen Verfassungsschutzbericht als „linksextremistisch beeinflusste Organisation“ erwähnt wird.

Seit 2017 Klagen anhängig
Wegen der Corona-Pandemie haben die Richterinnen und Richter des Ersten Senats unter Gerichtspräsident Stephan Harbarth einen ursprünglich angesetzten zweiten Verhandlungstag wieder abgesagt. Sie wollen die Verhandlung nun bis zum Abend abschließen.
Gegen das allein mit CSU-Stimmen beschlossene Gesetz hatte 2017 auch die Landtagsfraktion der Grünen Klage beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingereicht. Die Entscheidung steht noch aus. 2018 hatte es an dem Gesetz noch einige Änderungen gegeben.

dpa