Ein zunächst ausgesprochenes Verbot für Autos der Marke Tesla wegen ihrer vielen Kameras auf bestimmten Grundstücken der Berliner Polizei hat für Aufsehen und Irritationen gesorgt. Am Mittwoch schickte die Polizei ein internes Rundschreiben des LKA-Bereichs Sicherheit herum, in dem das „Verbot“ für die Bereiche des Polizeipräsidiums und des Landeskriminalamtes (LKA) angeordnet wurde.
Die Polizei befürchtete ein Sicherheits- und Datenschutzproblem, weil die Fahrzeug-Kameras der Teslas ständig ihre Umgebung filmen. Darüber hatte die Zeitung „B.Z.“ berichtet, die Polizei bestätigte das Schreiben.
„Verbot“ wurde „im Vorgriff“ ausgesprochen
Am Donnerstag ruderte die Polizei zurück – Pressesprecher Thilo Cablitz erklärte, zwar plane man gerade eine Regelung für alle Grundstücke, bei der es um Autos mit Kameras und Computersystemen gehe. Das Rundschreiben mit der Überschrift „Verbot“ sei aber nur „im Vorgriff“ verschickt worden und aktuell noch nicht wirksam, sondern diene „lediglich der Sensibilisierung“. Derzeit gebe es noch kein generelles Einfahrverbot für bestimmte Fahrzeuge.
Allerdings gelte weiterhin ein grundsätzliches Verbot von Ton- und Bildaufnahmen in allen Sicherheitsbereichen der Polizei. Für die Einhaltung sei jeder selbst verantwortlich, das gelte auch bei Auto-Kameras. Dadurch könnten Polizisten, Polizeifahrzeuge, die Sicherung von Polizeigeländen oder auch anderen Menschen auf dem Gelände aufgezeichnet werden.
Die Videos werden auf Servern am europäischen Tesla-Firmensitz in den Niederlanden „dauerhaft gespeichert“, so die Polizei. Wie Filmaufnahmen weiterverarbeitet werden, sei nicht geklärt. Tesla entscheide, ob Daten herausgegeben werden könnten.
Rundumüberwachung der Umgebung als Feature
Laut Rundschreiben fiel der Polizei das Problem im Januar 2022 auf, Grund war ein Bericht im Fernsehsender ZDF. Das Magazin „Frontal“ hatte im August 2021 in einem längeren Beitrag dargestellt, was Tesla-Autos alles filmen und speichern - und welche Daten herausgegeben werden können.
Demnach hatte etwa die Berliner Amtsanwaltschaft Filme von Tesla erhalten, die Unfälle zeigten. Aber sie bekam auch Filmaufnahmen einer Autobahnfahrt, bei der es zu keinem Unfall kam, die Filme aber trotzdem auf den Servern gespeichert und abrufbar waren.
Moderne Autos haben mehrere Kameras, um etwa beim Einparken zu helfen. In Teslas zeigen acht Kameras eine 360-Grad-Rundumüberwachung der Umgebung des Wagens. Die Systeme dienen zum einen der Fahrerassistenz und dem halbautonomen Fahren. Sie fungieren aber auch als sogenannte Dashcams, die permanent filmen, um etwa nach Unfällen den Ablauf nachvollziehen zu können.
Datenschützer wollen Tesla-Fahrzeuge aus Europa verbannen
Außerdem bietet Tesla seit 2019 einen „Wächtermodus“ an, den die Besitzer bewusst einschalten müssen, damit er aktiv ist. Auch bei einem parkenden Wagen erfassen die Kameras dann ständig die Umgebung und zeichnen die Aktivitäten auf, sobald ein Annäherungsalarm ausgelöst wird. Der Modus soll vor Vandalismus und Diebstahl schützen oder zumindest potenzielle Täter abschrecken.
Datenschützer vertreten die Auffassung, dass der „Wächtermodus“ gegen europäisches Recht verstößt. So kam im Oktober 2020 das „Netzwerk Datenschutzexpertise“ in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass Fahrzeuge von Tesla „auf europäischen Straßen nicht zugelassen werden“ dürften. Die für Tesla zuständige Behörde in den Niederlanden ist bislang aber nicht gegen den „Wächtermodus“ vorgegangen.
Auch andere Bundesländer befassen sich mit dem Problem. Aus Brandenburg hieß es, das Thema sei bekannt. „Die Prüfungen zum zukünftigen, und im Übrigen fahrzeugtypunabhängigen, Umgang mit derlei in Kraftfahrzeugen verbauten Systemen dauern im Polizeipräsidium an.“
Mehr zum Thema: Tesla mit weiterem Rekordquartal: Gewinn und Umsatz über Erwartungen
23 Juni 2022

Tesla-Verbot auf Polizeigelände? „Wächtermodus“ irritiert Ordnungshüter
Aufgrund von Bedenken über die Umgebung filmende Kameras hat Berlins Polizei vorerst intern ein Verbot für Tesla-Fahrzeuge in bestimmten internen Bereichen angeordnet. Sie nahm dieses später zurück. Bedenken ob des „Wächtermodus“ bleiben dennoch.
dpa
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