Bundeswehr-Soldaten vor dem Reichstag.  (AFP)
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In der Corona-Krise bereitet Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer laut einer Erklärung am Donnerstag die Bundeswehr auf einen langen Kriseneinsatz vor.

Bei dem Einsatz könnten auch 75.000 Reservisten zur Hilfe gerufen werden – ein Novum in Deutschland. „Uns allen muss bewusst sein, dass dieser Kampf gegen das Virus ein Marathon ist“, sagte die CDU-Vorsitzende am Donnerstag in Berlin. Man werde „alles tun, was in unserer Macht steht“, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen.

Aufgabe sei es, die „Durchhaltefähigkeit der zivilen Kräfte“ zu unterstützen, so Kramp-Karrenbauer. Ausdrücklich erwähnte sie in einem Tagesbefehl an die Truppe auch Einsätze zur „Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung“, wenn nötig.

Die Ministerin unterstrich, dass die Armee erst dann richtig zum Einsatz kommen werde, sobald die zivilen Behörden und Organisationen „an das Ende ihrer Leistungsfähigkeit gekommen sind“.

Mit diesen Worten bereitet AKK offenbar auf einen bundesweiten Katastrophenfall vor, bei dem der Bundeswehr eine federführende Rolle bei der Sicherung wichtiger Infrastruktur und der Durchsetzung staatlicher Kontrolle zufallen könnte. Der Katastrophenfall ist bisher nur in einzelnen Landkreisen ausgerufen worden. Die Tendenz weist allerdings auf eine baldige landesweite Ausgangssperre hin. Das könnte vor allem die Polizei bei der Durchsetzung der Sperre an den Rand ihrer Kapazitäten bringen.

Bundeswehr könnte kritische Infrastruktur bewachen

Amtshilfe könnte es „nur unter engen Voraussetzungen“ geben, sagte Annegret Kramp-Karrenbauer. Zwar betonte AKK damit, Sicherheit und Ordnung fielen in den Verantwortungsbereich der zivilen Sicherheitsbehörden, also der Polizei, dennoch schlug sie die Möglichkeit einer konkreten Bundeswehr-Rolle nicht kategorisch aus. So könnte das Militär konkret die Bewachung von Wasser- und Elektrizitätswerken übernehmen.

In der Corona-Krise wurden bislang 13 von rund 50 Anträgen auf sogenannte Amtshilfe positiv beschieden. Vor allem geht es um die Beschaffung medizinischen Materials. Das Aufgabenspektrum dürfte in den nächsten Wochen aber erheblich ausgeweitet werden. „In der aktuellen Situation sind schnelle Entscheidungen wichtig“, sagte Kramp-Karrenbauer. „Wir werden so lange unterstützen, wie wir gebraucht werden“.

Die Truppe kann laut Verfassung bei einer Naturkatastrophe oder einem besonders schweren Unglücksfall auch im Inland eingesetzt werden - abweichend von ihrem eigentlichen Auftrag der Landesverteidigung. Unter anderem half sie bei den Hochwasserkatastrophen an Elbe und Oder und bei der Aufnahme Hunderttausender Flüchtlinge aus Syrien 2015. Für den Einsatz von Soldaten bei „hoheitlichen Aufgaben“ - also beispielsweise zur Unterstützung der Polizei - gibt es im Grundgesetz hohe Hürden.

2336 Freiwillige beim Sanitätsdienst

Mit ihrem Tagesbefehl unter dem Titel „Wir kämpfen gegen einen unsichtbaren Gegner!“ stimmte die Ministerin die etwa 180.000 Bundeswehrsoldaten auf den Einsatz ein. Auch die Fähigkeiten der Reservisten sollten genutzt werden. Beim Sanitätsdienst der Bundeswehr haben sich nach ihren Angaben schon 2336 Freiwillige gemeldet.
Der Reservistenverband hat 115.000 Mitglieder. 28.000 „beorderte“ Reservisten nehmen regelmäßig an Übungen teil. Diese Zahl ist deutlich geringer als die theoretisch etwa 940.000 Reservisten, die in einem Verteidigungsfall eingezogen werden könnten.
Generalinspekteur Eberhard Zorn stellte klar, dass es bisher keine Anträge aus den Ländern oder Kommunen gebe, die Patrouillen der Bundeswehr fordern. „Es ist nicht davon auszugehen, dass wir jetzt hier in irgendeiner Form einen Aufmarsch machen.“ Die Bundeswehr bewache lediglich ihre Kasernen mit Pistolen und Gewehren - unter den engen gesetzlichen Auflagen. „Es braucht sich keiner Sorgen machen, dass die Bundeswehr Corona-Partys auflöst oder Ausgangsbeschränkungen überwacht.“
Im Tagesbefehl schrieb Kramp-Karrenbauer: „Wir helfen bei der Gesundheitsversorgung und wenn nötig auch bei der Gewährleistung von Infrastruktur und Versorgung sowie der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung.“ Dafür werde sich die Bundeswehr mit hohem Engagement einbringen. Gleichzeitig warnte die Ministerin vor zu großen Erwartungen. Bundeswehr und ihre Krankenhäuser mit rund 3000 Ärzten seien nur ein kleiner Teil des Gesundheitssystems.
Bundeswehr-Einsatz bei Asylbewerber-Unterkunft in Suhl
Thüringen bat die Bundeswehr darum, in einer Unterkunft für Asylbewerber in Suhl zu helfen, deren Bewohner unter Quarantäne stehen. Kramp-Karrenbauer sagte: „Da geht es auch um den Einsatz unserer Kräfte in einer Aufnahmeunterkunft, die im Moment mit allen Bewohnerinnen und Bewohnern unter Quarantäne steht, und wo die zivilen Kräfte, also die privaten Sicherungsdienste, eben auch im Moment nicht so verfügbar sind.“ Begonnen hat der Einsatz nicht.
Ein Sprecher der Thüringer Landesregierung sagte, Kramp-Karrenbauer habe mit den Ländern über eine mögliche Hilfe der Bundeswehr gesprochen. „Es wäre fahrlässig, diese Hilfe - sofern sie nötig ist - nicht in Anspruch zu nehmen.“ In Suhl würde es „nicht um Bewachung“ gehen, sondern um „die Sicherung der Versorgung für die rund 500 Bewohner, die in Quarantäne sind.“
Die Polizei hatte Anfang der Woche 22 Männer aus der unter Quarantäne stehenden Landeserstaufnahmestelle in Suhl wegen Widerstands gegen die Isolationsbestimmungen verlegt. Sie wurden in einem leerstehenden Gelände einer ehemaligen Jugendarrestanstalt untergebracht. Die mutmaßlichen Störer hätten sich in grober Weise den getroffenen Quarantäne-Anordnungen widersetzt, hieß es. Einige sollen sogar versucht haben, über die Kanalisation zu entkommen.

Die Entsendung von zehn Soldaten zur Bewachung einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Suhl, berichtet der „Spiegel“, wurde inzwischen von Juristen des Verteidigungsministeriums als nicht genehmigungsfähig beurteilt.

TRT Deutsch und Agenturen