Archivbild - 26.09.1980, Bayern, München: Ein Sarg wird vom verwüsteten Tatort beim Oktoberfest weggetragen. Die vor mehr als fünf Jahren neu aufgenommenen Ermittlungen zum Oktoberfestattentat von 1980 sind eingestellt.  (dpa)
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Die Bundesanwaltschaft hat am Montag die vor gut fünfeinhalb Jahren neu aufgenommenen Ermittlungen zum Oktoberfestattentat von 1980 eingestellt. Das sagte ein Sprecher in Karlsruhe am Dienstagabend.

Zwar hätten die neuen Ermittlungen ergeben, dass das Attentat mit 13 Toten und mehr als 200 Verletzten eindeutig rechtsextremistisch motiviert war. Konkrete Ansätze zur Verfolgung etwaiger Hintermänner oder Komplizen seien jedoch auch nach Prüfung Hunderter Spuren nicht gefunden worden. „Wir haben keine zureichenden, tatsächlichen Anhaltspunkte für die Beteiligung weiterer Personen als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen an der Tat des Gundolf Köhler“, sagte der Sprecher.

Anders als bei der Einstellung 1982 habe die Bundesanwaltschaft aber klar den rechtsterroristischen Hintergrund festgestellt, sagte der Münchner Opferanwalt Werner Dietrich, der die neuen Ermittlungen im Dezember 2014 mit seinem dritten Wiederaufnahmeantrag in Gang gebracht hatte. Die Anklagebehörde komme nun zu dem Schluss, dass Gundolf Köhler vor Gewaltanwendung als Mittel zur Durchsetzung seiner demokratie- und verfassungsfeindlichen Ziele nicht zurückschreckte.

Dietrich zitierte aus der Karlsruher Einstellungsverfügung über Gespräche Köhlers mit seinen gleichgesinnten Freunden: „Köhler hat dabei nicht nur über das durch die Tat zu erreichende konkrete Ziel der politischen Einflussnahme auf die bevorstehende Bundestagswahl gesprochen, sondern darüber hinaus über einen Führerstaat und eine nationalsozialistische Diktatur, die er für wünschenswert halte.“ Bei der Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 war CSU-Chef Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidat der Union gegen Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) angetreten, der bestätigt wurde.

Mehrere „Pannen“ bei Ermittlungen: Beweismittel spurlos verschwunden

Eineinhalb Wochen davor, am Abend des 26. September 1980, hatten am Haupteingang zur Wiesn 1,39 Kilogramm TNT zwölf Festgäste in den Tod gerissen und mehr als 200 verletzt. Schrauben und Nägel erhöhten die Zerstörungskraft. Auch der Bombenleger Köhler starb. Der Geologie-Student war ein früherer Anhänger der dann verbotenen rechtsextremistischen „Wehrsportgruppe Hoffmann“ und hatte Kontakte in weitere rechtsextreme Gruppen sowie zur NPD.

Die Akten wurden damals rasch geschlossen, das Verfahren eingestellt. Die Behörden sprachen von einem Einzeltäter, der die Tat aus rein privaten Motiven beging. Das bezweifelten Angehörige, Opfervertreter und Politiker verschiedener Parteien, sie kämpften für die Wiederaufnahme der Ermittlungen, was 2014 geschah - etwa eineinhalb Jahre nach dem Beginn des Prozesses um die rechtsextremen Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Die Rufe nach Aufklärung waren damit noch lauter geworden.

Seitdem gab es laut Anwalt Dietrich weit über tausend Vernehmungen von Zeugen und Opfern, an die 900 Hinweise und Spuren wurden überprüft und fast 400.000 Seiten Akten durchflöht. Die Bundesanwaltschaft habe gründlich und ergebnisoffen ermittelt und sei damit zu „dieser eindeutigen politischen Einschätzung gekommen“. „Schon deshalb hat sich der jahrzehntelange Einsatz gelohnt“, sagte der 73-Jährige.

In den 1980er Jahren hatte es zahlreiche „Pannen“ gegeben. Zeugen wurden nicht ausreichend gehört. Ein nahe dem Explosionsort entdecktes Fragment einer Hand wurde in der Rechtsmedizin untersucht - und verschwand spurlos. 48 Zigarettenstummel aus Köhlers Auto wurden vernichtet. Heute hätten DNA-Spuren Hinweise liefern können. 504 Asservate wurden laut Dietrich vernichtet, angeblich aus Platzmangel.

Als der Generalbundesanwalt 2014 die Wiederaufnahme verkündete, war das auch ein Bekenntnis: dass damals nicht alles gut gelaufen war. Er sprach damals schon vom „schwersten rechtsextremistischen Attentat in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“.

Überlebender fordert erneut Opferfonds

Ein Überlebender des Oktoberfestattentats von 1980 hat nach der Einstellung der Ermittlungen durch die Bundesanwaltschaft die Forderung nach einer besseren finanziellen Unterstützung von Opfern erneuert. Es solle grundsätzlich ein gemeinsam von Bund und Ländern getragener Opferfonds für derartige Attentate errichtet werden, sagte der 51-jährige Robert Höckmayr am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Es wird nicht das letzte Attentat bleiben.“

Viele Opfer hätten zeitlebens mit den Folgen zu kämpfen und erhöhte Kosten zu stemmen - etwa für Hilfsmittel wie einen Rollstuhl. Höckmayr hatte als Zwölfjähriger die Bombenexplosion am 26. September 1980 schwer verletzt überlebt. Er selbst habe zwei Jahrzehnte lang keine Leistungen erhalten, sagte er.

Das Ergebnis der fünfeinhalbjährigen neuen Ermittlungen, die keine konkreten und strafrechtlich relevanten Hinweise auf Hintermänner oder Komplizen erbrachten, überrasche ihn nicht. Er habe nicht erwartet, dass Mittäter gefunden werden könnten. „Es sind ja alle Beweismittel vernichtet worden“, sagte Höckmayr. „Es war mir leider Gottes schon klar, dass es so kommen muss.“

Dass der Anschlag politisch motiviert war, sei für ihn schon als Kind klar gewesen. Allerdings sei es ein Schritt in die richtige Richtung, dass nun auch seitens der Ermittler die rechtsextremistische Motivation ausdrücklich festgestellt worden sei.

Höckmayr wurde 42 mal operiert und hat bis heute Splitter im Körper. Zwei kleine Geschwister starben damals vor seinen Augen. Die Eltern und zwei weitere Geschwister überlebten - die Schwester und der Bruder hätten jedoch die Folgen des Attentats nicht verarbeiten können und sich umgebracht.

dpa