Symbolbild: Ein Muezzin in einer Moschee im Nahen Osten beim Gebetsruf (AFP)
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In Köln ist noch von einem „Modellversuch“ die Rede, im hessischen Raunheim spricht man von „gelebter Normalität“: Am Freitag hat die dortige Stadtverordnetenversammlung mit 24 zu 1 Stimmen beschlossen, dass Moscheegemeinden künftig ihre Mitglieder an Freitagen öffentlich zum mittäglichen Gebet rufen dürfen. Dies berichtete der TV-Sender SAT.1 in seinem „17.30“-Nachrichten.

Paradebeispiel für multireligiöse Stadtgesellschaft

Den entsprechenden Antrag hatten der Türkische Kultur- und Bildungsverein Raunheim e. V. und der marokkanische Freundschaftskreis gestellt. In den Sommermonaten dürfen die beiden Moscheen, die von den Antragstellern betrieben werden, künftig um 14.30 Uhr den Muezzinruf erklingen lassen, im Winter ist der öffentliche Ezan um 12.30 Uhr vorgesehen. Allerdings gibt es Vorgaben bezüglich der höchstzulässigen Lautstärke.

Die 17000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Groß-Gerau ist eine der kulturell vielfältigsten Kommunen des Landes. Den Ergebnissen des Zensus 2011 zufolge verfügen etwa 12.000 von ihnen über einen Migrationshintergrund. In der Anfang der 1960er Jahre noch zu fast 60 Prozent protestantischen Gemeinde gibt es heute neben den Moscheen der türkischen und der marokkanischen Gemeinschaften auch ein Gebetszentrum der Ahmadiyya, eine russisch-orthodoxe Kapelle und ein von thailändischen Mönchen betriebenes, buddhistisches Kloster.

Bürgermeister Rühe: „Letztlich eine Verherrlichung Gottes“

Raunheims Bürgermeister Thomas Jühe begrüßte die Entscheidung der Stadtvertreter. Raunheim stehe für Pluralität und Internationalität, das werde „Gott sei Dank immer mehr zum Normalfall“. Alle Glieder der Stadtgesellschaft sollten sich „gleichberechtigt auch in Glaubensfragen bewegen“ können, so Jühe zu SAT.1. Zudem betonte der seit 2000 amtierende Bürgermeister über den Ezan:

„Es ist letztlich eine Verherrlichung Gottes, die es im Christentum auch gibt. Nur eben nicht in diesem Zusammenhang. Und insofern ist das unschädlich, kann das stattfinden. Es wird niemand diskriminiert dadurch.“

Der Vorsitzende des Islamrats Hessen, Ibrahim Gülsever, spricht von einer „wichtigen, wenn auch verspäteten“ Entscheidung. Bereits während der Lockdown-Phasen innerhalb der Corona-Pandemie war es in vielen hessischen Kommunen üblich, dass die muslimischen Gemeinden zumindest an Freitag öffentlich zum Gebet riefen. Im kommenden Jahr wird in Raunheim der Ruf des Muezzin während des Ramadan sogar täglich einmal erschallen – dann zum Fastenbrechen bei Sonnenuntergang.

TRT Deutsch