Duisburg, Marxloh: Merkez Moschee. (Getty Images)
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Mit dem Artikel „Kirchen aus Sorge vor Ramadan-Chaos geschlossen“ unterstellt die „Bild“ am Donnerstag, dass sich die Bundesregierung aus Angst vor einem großen Durcheinander während des islamischen Fastenmonats Ramadan dazu entschlossen habe, auch christliche und jüdische Gottesdienste weiterhin zu untersagen.

In einem Beitrag der Watchseite „BILDblog“ schreibt der Autor Moritz Tschermak, dass die Autoren ihre Informationen angeblich aus Quellen rund um die „Schalte von Bundeskanzleramt und Länderchefs“ erhielten.

Ihre Behauptung untermauern die vier Autoren des „Bild“-Artikels, Ralf Schuler, Filipp Piatov, Nikolaus Harbusch und Tomas Kittan, mit folgender Aussage: „Wahrer Hintergrund der Entscheidung nach BILD-Informationen: Anders als bei den großen christlichen Kirchen und jüdischen Gemeinden sieht die Politik bei den Muslimen in Deutschland keine zentralen Ansprechpartner, die verlässlich Regeln (Abstand, Hygiene et cetera) in den Moscheen flächendeckend durchsetzen könnten.“

„Deshalb sollen nun alle Gotteshäuser möglichst mindestens noch bis zum Ende des in der kommenden Woche beginnenden Fastenmonats Ramadan (23. April bis 23. Mai) geschlossen bleiben“, heißt es weiter.

Der als Islam-Experte bezeichnete Ahmad Mansour greift in diesem Zusammenhang im Gespräch mit „Bild“ den Koordinationsrat der Muslime (KRM) an. Seiner Meinung nach würde der Koordinationsrat „nur einen kleinen [Teil] der Muslime in Deutschland vertreten“.

KRM vertritt „85 Prozent“ der Moschee-Gemeinden

Diese Äußerung steht im offenen Widerspruch mit der eigenen Aussage des ehemaligen Sprechers des Koordinationsrats der Muslime. „Mit schätzungsweise 85 Prozent vertreten wir die Mehrheit der Moschee-Gemeinden in Deutschland“, unterstrich Ayyub Axel Köhler bereits im Jahr 2007. Im Koordinationsrat sind die größten muslimischen Gemeinden des Landes vertreten, darunter Milli Görüş, DITIB, Zentralrat der Muslime und VIKZ.

Ahmad Mansour behauptet zudem, dass nur wenige Muslime im Koordinationsrat repräsentiert wären.

„Im Gegensatz zu den christlichen und jüdischen Verbänden erreicht der KRM nur einen geringen Teil der muslimischen Gemeinschaft“, kommentierte wiederum die sich als liberale Muslimin bezeichnende Anwältin Seyran Ateş den Verbotsbeschluss.

Diese Behauptungen blenden allerdings aus, dass Christen mit der Taufe in der Regel auch Mitglied einer Kirche werden. Die kirchliche Mitgliedschaft wird dem Einwohnermeldeamt mitgeteilt und geht in die Statistik ein. Bei den Muslimen dagegen herrscht eine solche Aufnahmepraxis in Moscheegemeinden nicht vor, sodass nicht jeder Moscheegänger direkt als offizielles Mitglied gilt. Damit müssten die Moscheegemeinden viel mehr Menschen erreichen, als angenommen.

Entscheidend ist auch, dass der KRM den Großteil der Moscheen in Deutschland vertritt und das geltende Versammlungsverbot die islamischen Gotteshäuser anbetrifft - und nicht etwa eine unkontrollierte Versammlung von Muslimen außerhalb der Moscheen.

„Keil zwischen Menschen“

Tschermak interpretiert den „Tenor“ im „Bild“-Bericht als eine Form der unterschwelligen spalterischen Anfeindung: „Die wilden Muslime, die in ihren Schmuddelmoscheen aufeinanderhocken und sich nicht mal richtig die Hände waschen, sind schuld, dass wir Christen nicht zum Gottesdienst in unsere Kirchen dürfen.“

„So treibt man einen Keil zwischen Menschen, die momentan eigentlich dieselbe für sie schwierige, ärgerliche Situation durchleben“, heißt es weiter.

Der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz kommentierte auf Twitter: „Wie infam von Bild, Religionen gegeneinander auszuspielen. Hat Pegida die Chefredaktion übernommen?“

Staatssekretär Markus Kerber derweil lobte das Engagement muslimischer Gemeinden im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Demnach zeigten sie „ein hohes Maß an Verantwortungsgefühl und Solidarität für unsere Gesellschaft“, so der Staatssekretär gegenüber der Funke Mediengruppe. „Damit wird der Zusammenhalt in unserer Gesellschaft erneuert und gestärkt.“

Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur betonte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime (ZMD), Aiman Mazyek: „So schwer es uns fällt, unsere Moscheen im heiligen Monat Ramadan weiter geschlossen zu halten, so ist es unsere religiöse und bürgerliche Verantwortung, in der aktuellen Phase genau das zu tun.“



TRT Deutsch