05.01.2022, Nordrhein-Westfalen, Paderborn: Der Angeklagte (l.) sitzt neben seinem Verteidiger Ashraf Abouzeid im Schwurgerichtssaal des Landgerichts. Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann aus dem Kreis Höxter vor, dem noch nicht rechtskräftig verurteilten Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke 2016 die spätere Mordwaffe und Munition verkauft zu haben. (dpa)
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Gut zweieinhalb Jahre nach dem Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat ein angeklagter 66-Jähriger bestritten, die Tatwaffe an den späteren Mörder verkauft zu haben. Sein Mandant Elmar J. weise den Vorwurf der fahrlässigen Tötung des CDU-Politikers Lübcke entschieden zurück, sagte dessen Verteidiger Ashraf Abouzeid am Mittwoch zu Prozessbeginn am Landgericht Paderborn.

Angeklagter soll über militanten Rassismus von Ernst Bescheid gewusst haben
Lübcke war im Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses erschossen worden. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten aus Ostwestfalen vor, er habe Lübckes späterem Mörder Stephan Ernst die Tatwaffe samt Munition 2016 für rund 1100 Euro verkauft. Er habe durch vorsätzliches und illegales Handeln fahrlässig zum Tod eines Menschen beigetragen, betonte die Vertreterin der Anklage, Julia Florczak. Dem Angeklagten sei die rassistische Gesinnung des späteren Mörders von Lübcke bewusst gewesen. Käufer und Verkäufer hätten zudem keine Waffenerlaubnis besessen. Elmar J. sei das auch klar gewesen.
Verteidiger Abouzeid sagte im Verfahren, sein Mandant habe keine scharfen Schusswaffen an Ernst verkauft. Polizeibeamtin Christina Wasch gab als Zeugin an, Elmar J. habe auch in der Vernehmung nur vom Verkauf von Dekowaffen oder Dolchen gesprochen. Der Angeklagte selbst äußerte sich dazu am Mittwoch nicht, machte nur einige Angaben zu seiner Person.
Angeklagter räumt lediglich Verstoß gegen Waffengesetz ein

Auch der Rechtsextremist Ernst selbst hatte Elmar J. beschuldigt, dieser habe ihm die Waffe mitsamt Munition für 1100 Euro verkauft. Das schilderte auch Zeuge Dieter Killmer von der Generalbundesanwaltschaft - er hatte im Mordfall gegen Ernst ermittelt - aus Vernehmungen des mutmaßlichen Mörders im Jahr 2020. Ein befreundeter Mieter des Angeklagten gab im Gerichtssaal demgegenüber zu Protokoll, Elmar J. habe ihm gegenüber berichtet, eine Vier-Millimeter-Waffe an Ernst verkauft zu haben. Das entspricht nicht der Tatwaffe im Mordfall Lübcke.
Abouzeid unterstrich, sein Mandant habe nach Bekanntwerden des Mordes an Lübcke zwar zuerst befürchtet, die Tat sei mit einem der „Objekte“ verübt worden, die er an Ernst verkauft habe. Das sei aber definitiv nicht der Fall gewesen.
Elmar J. räume lediglich einen Verstoß gegen das Waffengesetz ein. Sein Mandant bedauere, unerlaubt Schusswaffenmunition besessen zu haben, erklärte sein Verteidiger. Zudem habe dieser eine „gewisse Affinität zum Dritten Reich“ gehabt und auch NS-Devotionalien gesammelt. Er habe sich in finanziell prekärer Lage befunden und sich nach erfolgloser Tätigkeit als Tankstellenpächter und Videothek-Betreiber mit Trödel-Handel auf Flohmärkten über Wasser gehalten. Darüber habe er Ernst kennengelernt. Das „Kennverhältnis“ habe sich intensiviert, nachdem Ernst Interesse am Kauf des Hauses von Elmar J. gezeigt habe. Konnte J. schon 2016 die spätere Tat erahnen?

Der Angeklagte war nach rund einem halben Jahr im Januar 2020 aus der Untersuchungshaft entlassen worden. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte seinen Haftbefehl aufgehoben. Die Richter hatten Zweifel, ob er 2016 schon ahnen konnte, was für eine Tat Ernst mehr als zweieinhalb Jahre später begehen würde.
Der Generalbundesanwalt hatte damals hingegen argumentiert, dem mutmaßlichen Waffenhändler müsse bewusst gewesen sein, dass Ernst ein gewaltbereiter Rechtsextremist war. Elmar J. habe also zumindest in Kauf genommen, dass dieser aus politischen Motiven töten könnte. Das Verfahren war an die Generalstaatsanwaltschaft in Düsseldorf abgegeben worden, danach erfolgte Anklage am Paderborner Landgericht.
Der Rechtsextremist Ernst war Ende Januar 2021 vom Oberlandesgericht Frankfurt wegen Mordes an Lübcke zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Gegen das Urteil ist noch eine Revision anhängig. Lübcke war am 1. Juni 2019 auf der Terrasse seines Hauses mit einem Kopfschuss aus nächster Nähe getötet worden. Die Tat gilt als erster rechtsextremistischer Mord an einem Politiker in der Bundesrepublik. Lübcke hatte sich für die Aufnahme von Flüchtlingen ausgesprochen. Anwalt des Angeklagten zeigt sich optimistisch

Verteidiger Abouzeid betonte unmittelbar nach der Verhandlung, er gehe von einem Freispruch beim Vorwurf der fahrlässigen Tötung aus. Die Anklage stütze sich auf die Aussagen eines - noch nicht rechtskräftig verurteilten - Mörders. Und auf ein „mutmaßliches Geständnis gegenüber einem Freund“, bei dem es aber gar nicht um die Tatwaffe gegangen sei.
Im Falle des eingeräumten Verstoßes gegen das Waffengesetz sind laut Gericht bis zu sechs Monate Freiheitsstrafe möglich, bei fahrlässiger Tötung bis zu fünf Jahre.
Für den Prozess in Paderborn sind als weitere Termine zunächst der 7. und 19. Januar festgesetzt. An diesem Freitag sollte eigentlich Ernst als Zeuge befragt werden. Man habe ihn aber wieder ausgeladen, sagte der Vorsitzende Richter Eric Schülke. Dem Gericht sei angezeigt worden, dass Ernst wegen der laufenden Revision von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen wolle.

dpa