Oskar Lafontaine tritt aus der Linkspartei aus. (dpa)
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Gerade erst hat er seine aktive Zeit als Politiker besiegelt, jetzt tritt er aus der Linkspartei aus: Oskar Lafontaine geht mit einem großen Finale von der politischen Bühne. Der Partei, die er mitbegründet hat und deren Vorsitzender er einmal war, wolle er nicht mehr angehören, teilte er am Donnerstag in Saarbrücken mit. „Ich wollte, dass es im politischen Spektrum eine linke Alternative zur Politik sozialer Unsicherheit und Ungleichheit gibt, deshalb habe ich die Partei Die Linke mitgegründet. Die heutige Linke hat diesen Anspruch aufgegeben.“

Spannungen im Landesverband als Ausgangspunkt Hintergrund sei „die schleichende Änderung des politischen Profils der Linken“ ab 2015, schrieb Lafontaine in einer 44 Zeilen langen Erklärung. Sie sei zu einer Partei geworden, „in der die Interessen der Arbeitnehmer und Rentner und eine auf Völkerrecht und Frieden orientierte Außenpolitik nicht mehr im Mittelpunkt stehen“. Zudem unterstütze die Partei ein im Saarland etabliertes Betrugssystem bei der Akquise von Mitgliedern - das er nicht mehr mittragen könne. Es ist der zweite spektakuläre Bruch des heute 78-Jährigen mit einer Partei. Eine Art Déjà-Vu, das an den 11. März 1999 erinnert. Da hatte Lafontaine als damaliger SPD-Bundesvorsitzender und Finanzminister im Streit um den sich abzeichnenden Sozialabbau der rot-grünen Bundesregierung, der später in die Agenda 2010 mündete, seine Posten der verdatterten SPD-Führung vor die Füße geworfen. Die SPD bebte. Sein Austritt aus der Partei folgte im Jahr 2005. Anders als der Bruch 1999 kam Lafontaines Parteiaustritt aus der Linken nun nicht wirklich überraschend. Wer ihn kennt, weiß, dass er sich mit dem Schritt schwer getan hat. Seit Monaten aber hatte er aus seinem Ärger über die Partei keinen Hehl gemacht - vor allem im Saarland, wo er stets zweistellige Ergebnisse einfuhr und seit 2009 die Linksfraktion im Landtag führte. Jetzt - ohne „Oskar“ - bangt die Partei bei der Landtagswahl am 27. März um ihren Wiedereinzug ins Parlament.

Wagenknecht äußerte sich noch nicht zum Schritt ihres Ehemannes Der Riss der heute zerstrittenen Saar-Partei verlief zwischen Fraktion und Landesverband - und führte dazu, dass vor Lafontaine bereits etliche seiner Mitstreiter der Partei den Rücken gekehrt haben. Mit Lafontaines Austritt erledigte sich auch ein gegen ihn laufendes Parteiausschlussverfahren. Dieses war angestrengt worden, weil er wiederholt Kritik übte an dem „Betrugssystem“, das von der Parteiführung installiert sei, angeblich um Mandate über manipulierte Mitgliederlisten vergeben zu können. Lafontaine ist mit der Linken-Bundestagsabgeordneten Sahra Wagenknecht verheiratet. Wagenknecht wollte sich am Donnerstag auf Anfrage nicht zum Parteiaustritt ihres Mannes äußern. Am Mittwoch erst war Lafontaine im Landtag mit vielen Dankesworten verabschiedet worden. Hatte er doch mit Unterbrechungen dem Landtag 31 Jahre lang angehört. Damit gingen für ihn gut 50 Jahre aktive Politik zu Ende. Er war fast alles, was man in einem politischen Leben in Deutschland werden kann: Oberbürgermeister von Saarbrücken, SPD-Landesvorsitzender, Ministerpräsident des Saarlandes (1985-1998), SPD-Kanzlerkandidat (1990), SPD-Bundesvorsitzender, Bundesfinanzminister, Mitgründer der Linkspartei und deren Partei- und Fraktionsvorsitzender im Bundestag.

„Linke räumt friedenspolitische Grundsätze ab“ Als Landtagspräsident Stephan Toscani (CDU) dessen Verdienste würdigte, hatte Lafontaine seine Erklärung zum Austritt bereits geschrieben. Darin erklärte er weiter: „Nach dem sozialen Profil sollen jetzt auch noch die friedenspolitischen Grundsätze der Linken abgeräumt werden.“ Führende Linke hätten sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine für steigende Rüstungsausgaben und umfassende Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen. „Ich wollte immer etwas für die Leute erreichen, denen es nicht so gut geht“, sagte Lafontaine vorher. Die Linke sei gegründet worden, „um den Sozialabbau und die Lohndrückerei der Agenda 2010 rückgängig zu machen“, erklärte er. Zudem sollte „nach der Beteiligung Deutschlands am völkerrechtswidrigen Jugoslawienkrieg und am Krieg in Afghanistan eine neue Kraft“ für Frieden und Abrüstung entstehen. Anfangs habe es Wahlerfolge gegeben, aber mit der Kursänderung hätten sich viele Arbeitnehmer und Rentner abgewandt, seien zurück zur SPD gegangen, Nichtwähler geworden oder hätten für die AfD gestimmt, schrieb Lafontaine. Nach der Niederlage bei der Bundestagswahl im Herbst 2021 sei nicht mehr zu übersehen: „Normal- und Geringverdiener oder auch Rentner fühlen sich von der Partei nicht mehr vertreten.“

Bilanz: „Hätte vielleicht in der SPD mehr erreichen können“ Ob der Bruch mit der SPD damals ein Fehler war, könne er „auch heute nicht beantworten“, hatte er der dpa Ende Februar gesagt. „Vielleicht hätte ich, wenn ich in der SPD geblieben wäre, mehr erreichen können. Das kann man im Nachhinein kaum beurteilen. Ich würde mich immer noch als Sozialdemokrat aus der Ära Willy Brandts bezeichnen - mit den zwei Säulen Ausbau des Sozialstaats und friedliche Außenpolitik.“ Und fügte hinzu: „Im politischen Leben macht man immer Fehler. Ja, manches würde ich im Nachhinein anders machen. Aber das Geschehene kann man nicht mehr ungeschehen machen.“

dpa