13.06.2021, Hessen, Frankfurt/Main: „NSU 2.0 - Open 24/7“ ist als Schriftzug, den Mitglieder eines Kunstkollektivs, in das Foyer des Polizeipräsidiums in Frankfurt projiziert haben, zu lesen. Mit der Aktion wollen die Künstler gegen rechte Strukturen bei der hessischen Polizei protestieren. In Hessen wird gegen mehrere Polizisten ermittelt, die sich unter anderem an rechtsextremen Chats beteiligt haben sollen. Die Beamten gehören zum Teil dem Spezialeinsatzkommandos (SEK) an. (dpa)
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Zwei Tage vor Beginn des Prozesses um die „NSU 2.0“-Drohschreiben haben Adressatinnen der Beleidigungen und Todesdrohungen vollständige Aufklärung gefordert. „Für uns ist es ein Skandal, dass die Ermittlungen gegen einen vermeintlichen Einzeltäter geführt wurden“, hieß es in einer am Montag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung. Seit der Festnahme des inzwischen am Landgericht Frankfurt Angeklagten im Mai 2021 werde der Versuch unternommen, den Komplex als endgültig aufgeklärt zu präsentieren.
„Nach allem, was wir wissen, steht für uns jedoch fest: Der NSU 2.0-Komplex ist mit der Festnahme des Angeklagten nicht aufgeklärt. Es gibt für uns zwingende Hinweise auf mindestens gezielte Datenweitergabe aus Polizeikreisen“, hieß es in der Stellungnahme der Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız, der Kabarettistin ldil Baydar, der Linken-Politikerinnen Janine Wissler, Anne Helm, Martina Renner sowie der Publizistin Hengameh Yaghoobifarah.
Sie verwiesen darauf, dass zumindest einige der Daten der Opfer über dienstliche Zugänge auf Polizeicomputern in Frankfurt am Main und Wiesbaden aus nicht-dienstlichen Anlässen abgerufen wurden. Weitere in den Drohschreiben genutzte Daten stammten aus polizeilichen Abfragen in Hamburg und Berlin, hieß es. Gerade mit Blick auf die polizeilichen Datenabrufe müsse weiter ermittelt werden. Dies gelte insbesondere für die noch offenen Ermittlungsverfahren gegen die beschuldigten Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte.
Der mutmaßliche Verfasser der Drohschreiben steht von Mittwoch an vor dem Frankfurter Landgericht. Ihm wird Beleidigung in 67 Fällen, versuchte Nötigung und Bedrohung vorgeworfen, außerdem öffentliche Aufforderung zu Straftaten, Volksverhetzung, Besitz kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie Verstoß gegen das Waffengesetz.
Begonnen hatte alles im Jahr 2018 mit Todesdrohungen gegen die Frankfurter Rechtsanwältin Seda Başay-Yıldız und ihre Familie. Die Drohschreiben wurden mit „NSU 2.0“ unterzeichnet - in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU). Başay-Yıldız hatte im Münchner NSU-Verfahren Angehörige der Opfer des rechtsextremen Terrors als Nebenklageanwältin vertreten.

dpa