21.07.2020, Hessen, Wiesbaden: Ein Demonstrantin hält während einer Kundgebung in der Wiesbadener Innenstadt ein Plakat mit der Aufschrift „Solidarität mit den Betroffenen des NSU 2.0“. (dpa)
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Das in der Affäre um die rechtsextreme Drohschreiben-Serie „NSU 2.0“ verdächtigte Ehepaar aus Bayern spielt einem Ermittler zufolge eher eine Nebenrolle. Man könne davon ausgehen, dass es sich um „Trittbrettfahrer“ handele, sagte der Frankfurter Oberstaatsanwalt Michael Loer am Donnerstag in einer Sitzung des Rechtsausschusses des hessischen Landtages in Wiesbaden. Er berief sich dabei auch auf Erkenntnisse des Landeskriminalamtes.
Allein seit einer Sitzung des hessischen Landtagsinnenausschusses am 21. Juli, bei dem die Abgeordneten über die Ermittlungen informiert wurden, habe es 14 weitere mit „NSU 2.0“ gezeichnete Drohschreiben gegeben - und 4 weitere, die den Verdächtigen aus Bayern zugeschrieben würden.
In Landshut waren Ende Juli ein ehemaliger Polizeibeamter und seine 55 Jahre alte Ehefrau kurzzeitig festgenommen worden. Das Paar wird verdächtigt, mehrere Schreiben mit beleidigenden, volksverhetzenden und drohenden Inhalten an Bundestagsabgeordnete und verschiedene andere Adressaten verschickt zu haben. Konkret ging es um sechs Mails, die im Juli verschickt worden waren. Der Ex-Polizist hat die Vorwürfe nach früheren Angaben der Frankfurter Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.
Die „NSU 2.0“-Drohschreiben waren unter anderem an Politiker und eine Frankfurter Anwältin verschickt worden. In mehreren Fällen gingen den Schreiben mutmaßlich illegale Abfragen persönlicher Daten an hessischen Polizeicomputern voraus. Bislang konnte nicht geklärt werden, wer zur fraglichen Zeit am Rechner saß. Dies liegt an der verbreiteten Praxis in Polizeistationen, dass Beamte auch an Computern arbeiten, an denen ein anderer Kollege eingeloggt ist.
Nach Aussagen des Leitenden Oberstaatsanwalts in Frankfurt gestalteten sich die Ermittlungen zu der Serie schwierig, weil sich die Täter im digitalen Raum versteckt hielten, erklärte Hessens Justizministerin Eva Kühne-Hörmann (CDU) im Rechtsausschuss des Landtags. Durch den Eingang neuer Drohschreiben ergäben sich immer wieder neue Ermittlungsansätze.
Zudem sei die Rechtshilfe schwerfällig. Bereits im September 2019 habe die Staatsanwaltschaft ein entsprechendes Ersuchen unter anderem an die Russische Föderation gerichtet. Sie habe die Bundesjustizministerin Christine Lambrecht und Bundesaußenminister Heiko Maas (beide SPD) nun gebeten, sich gegenüber Russland für eine Beschleunigung einzusetzen, sagte Kühne-Hörmann. „Gleichwohl unterstütze ich die Staatsanwaltschaft bei den Bemühungen, das Verfahren an den Generalbundesanwalt abzugeben.“


dpa