20.12.2021, Berlin: Patricia Schlesinger, ehemalige Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) und ARD-Vorsitzende, aufgenommen bei einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. (dpa)
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Drei Tage nach ihrem Rückzug vom ARD-Vorsitz ist die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB), Patricia Schlesinger, auch als Chefin des Senders zurückgetreten. Sie lege ihr Amt mit sofortiger Wirkung nieder, teilte der RBB am Sonntagabend mit. Die Leitung des RBB übernehme der stellvertretende Intendant Hagen Brandstäter. Schlesinger hatte nach zahlreichen gegen sie erhobenen Vorwürfen hinsichtlich ihrer Amtsführung beim RBB bereits am Donnerstag den ARD-Vorsitz abgegeben.

Wie der RBB mitteilte, teilte die 61-Jährige ihre Rücktrittsentscheidung am Sonntag den Vorsitzenden des RBB-Rundfunkrates und des RBB-Verwaltungsrates, Friederike von Kirchbach und Dorette König, mit. Beide hätten den Rücktritt akzeptiert.

Schlesinger begründete ihre Entscheidung mit ihrer Verantwortung gegenüber dem Sender und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. „Aktuell steht nicht mehr die journalistische und publizistische Leistung des Senders im Vordergrund, sondern es geht nur um mögliche und angebliche Verfehlungen der Intendantin“, erklärte sie. „Das bedauere ich sehr und ich entschuldige mich bei den Beschäftigten des RBB für diese Entwicklung.“

„Der Rückzug ist für mich eine logische Konsequenz aus meinem Versprechen, immer und zuerst für die Belange des RBB einzutreten“, fügte sie hinzu. Gleichzeitig hätten „persönliche Anwürfe und Diffamierungen ein Ausmaß angenommen, das es mir auch persönlich unmöglich macht, das Amt weiter auszuüben“, erklärte Schlesinger. „Ich hoffe, dass ich mit diesem Schritt die anstehende Aufklärung der Vorwürfe erleichtere.“

Schlesinger war seit 2016 die Intendantin des RBB. Zuvor war sie Leiterin des Programmbereichs Kultur und Dokumentation beim NDR. Den ARD-Vorsitz hätte Schlesinger eigentlich noch bis Ende 2023 inne gehabt. Zahlreiche Vorwürfe gegen Schlesinger

Das Portal „Business Insider“ hatte sukzessive über die Vorwürfe gegen Schlesinger berichtet. Sie soll unter anderem Abendessen in ihrer Privatwohnung, für die der gebührenfinanzierte RBB aufkam, nicht richtig abgerechnet und ihren Dienstwagen auch für private Fahrten genutzt haben.

Zudem soll der RBB-Verwaltungsratsvorsitzende Wolf-Dieter Wolf in seiner Rolle als Aufsichtsratschef der landeseigenen Messe Berlin den Ehemann von Schlesinger und ehemaligen „Spiegel“-Journalisten Gerhard Spörl mit lukrativen Berateraufträgen versorgt haben. Diese sollen einen Gesamtwert von 140.000 Euro gehabt haben. Die „Bild“-Zeitung (Montagsausgabe) berichtet auch von kostspieligen Umbauten ihres Büros.

Der RBB hatte bereits zuvor als Reaktion auf die Vorwürfe angekündigt,Planungen für einen Neubau ruhen zu lassen. Zudem soll Wolf sein Amt vorübergehend nicht mehr ausüben. Deutscher Journalisten-Verband begrüßt Entscheidung

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßte den Rückzug Schlesingers von der RBB-Spitze. „Es ist angesichts der unaufgeklärten, von Patricia Schlesinger nicht glaubhaft entkräfteten Vorwürfe des Missmanagements und der Günstlingswirtschaft richtig und konsequent, dass sie mit sofortiger Wirkung zurücktritt“, erklärte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Bei der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger komme es darauf an, eine fachlich kompetente und absolut integre Führungsfigur zu finden.

Der Vorsitzende des DJV Berlin/JVBB, Steffen Grimberg, betonte, mit dem Rücktritt von Schlesinger sei es nicht getan. „Der Wille zu Aufklärung und Transparenz darf nicht erlahmen“, erklärte er. Es müsse lückenlos recherchiert werden, ob und wenn ja in welchem Umfang Mittel aus dem Rundfunkbeitrag zweckwidrig ausgegeben worden seien. Außerdem gelte es nun, „den Kolleginnen und Kollegen im RBB den Rücken zu stärken, um verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen“.

AFP