12.01.2022, Nordrhein-Westfalen, Köln: Michael Esser, Leiter der BAO Berg, spricht während einer Pressekonferenz. (dpa)
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Im Missbrauchskomplex Bergisch Gladbach haben die Ermittler seit Ende 2019 bislang bundesweit 439 Tatverdächtige identifiziert. Zudem konnten 65 Kinder aus den Fängen von Pädokriminellen befreit werden, wie die Sonderermittlungsgruppe „Berg“ am Mittwoch bei der Vorstellung ihrer Einsatzbilanz in Köln erklärte. Aus Nordrhein-Westfalen kamen demnach 102 der Beschuldigten.

Schwerpunkt des Netzwerks in NRW

Die ersten Hinweise auf die Missbrauchsserie seien Ende Oktober 2019 bei der Polizei eingegangen, sagte der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob. Zur Gründung der sogenannten Besonderen Aufbauorganisation (BAO) „Berg“ hätten zunächst 30 Mitarbeiter die Ermittlungen übernommen. Später habe sich herausgestellt, dass deutlich mehr Polizisten gebraucht würden. In der Spitze hätten allein in Nordrhein-Westfalen knapp 350 Beamte in dem Komplex ermittelt.

Bundesweit wurden im Zusammenhang mit dem Missbrauchskomplex 27 Tatverdächtige festgenommen, davon 13 Beschuldigte in Nordrhein-Westfalen. In 13 gerichtlich verhandelten Fällen wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft Köln insgesamt mehr als 80 Jahre Haftstrafe verhängt. Hunderte Verfahren seien an andere Staatsanwaltschaften abgegeben worden.

„Wir haben Tatverdächtige aus allen Gesellschaftsschichten“, sagte Ermittlungsgruppenleiter Michael Esser. Darunter seien „Gutverdiener und hoch gebildete Menschen“ sowie „einfache Leute“. „Die gingen ganz normal ihrer Arbeit nach, und auch im Arbeitsumfeld gab es keine Hinweise darauf, dass solche Taten verübt wurden“, sagte Esser.

Polizeipräsident zweifelt an „erheblicher Abschreckung“

In den meisten Fällen stammten die Beschuldigten den Ermittlern zufolge aus dem engsten Familienumfeld. Die Kinder, die dem Missbrauch zum Opfer fielen, waren zwischen unter einem Jahr und 17 Jahren alt. Das jüngste Vergewaltigungsopfer sei zum Tatzeitpunkt drei Monate alt gewesen. 65 Kinder seien aus „aktiven Missbrauchssituationen“ befreit worden.

„Ich glaube nicht, dass wir mit der BAO ‚Berg‘ eine erhebliche Abschreckung erreicht haben“, sagte Polizeipräsident Jacob. Sexueller Kindesmissbrauch finde weiter in der Gesellschaft statt und werde trotz Auflösung der Sonderermittlungsgruppe auch in Köln weiterhin „vehement“ bekämpft.

Der Komplex Bergisch Gladbach ist eine von drei großen Missbrauchsserien, denen Ermittler in Nordrhein-Westfalen auf die Spur kamen. Dabei geht es um ein Netzwerk aus Tätern, die Kinder missbrauchten und untereinander in Chats kinderpornografisches Material austauschten. Hunderte Beschuldigte wurden identifiziert. Der als Hauptbeschuldigter geltende Jörg L. wurde rechtskräftig zu zwölf Jahren Haft verurteilt.


AFP