Expertengruppe: „Kirche schützte Täter statt Kinder“ (dpa)
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Kurz vor der Vorstellung eines lange erwarteten Gutachtens im katholischen Erzbistum München und Freising hat sich ein weiteres mutmaßliches Opfer in einem besonders brisanten Missbrauchsfall zu Wort gemeldet.

Verurteilter Pädokrimineller in anderer Gemeinde wieder aktiv
Der Mann sprach mit „Correctiv“ und dem Bayerischen Rundfunk darüber, wie er als Kind Anfang der 1990er Jahre in der oberbayerischen Gemeinde Garching an der Alz von dem verurteilten Serientäter und Priester H. über mehrere Jahre missbraucht worden sein soll.

„Diesen verurteilten und untherapierbaren Mann dann wieder in eine Gemeinde zu schicken und mit so vielen Kindern und Jugendlichen arbeiten zu lassen, das macht einen einfach nur fassungslos und ein Stück weit aggressiv“, sagt „Stefan“ in dem am Mittwoch veröffentlichten Interview.
Wie die Garchinger Initiative Sauerteig, die den Missbrauchsskandal in ihrer Kirchengemeinde aufarbeiten will, der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, handelt es sich bei „Stefan“ um einen vierten Betroffenen. Bislang hatte das Erzbistum München und Freising Kenntnis von drei mutmaßlichen Opfern aus Garching.
Die Erzdiözese bestätigte auf Anfrage, dass sich dort Ende 2021 ein vierter Betroffener gemeldet habe, der zu einem vereinbarten Treffen aber nicht erschienen sei – „so dass der Erzdiözese bislang keine weiteren Kenntnisse“ vorlägen. Ob es sich dabei um „Stefan“ handelte, war zunächst unklar. Priester H. sorgt seit Jahren für Schlagzeilen

Der Fall des Priesters H. macht seit Jahren immer wieder Schlagzeilen: Der Geistliche war nach Missbrauchsvorwürfen aus Nordrhein-Westfalen nach Bayern versetzt worden, während der spätere Papst, Kardinal Joseph Ratzinger, Erzbischof von München und Freising war. Dort wurde er straffällig.
Nach Angaben des Erzbistums verurteilte das Amtsgericht Ebersberg den damaligen Kaplan H. im Juni 1986 wegen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger zu 18 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe in Höhe von 4000 Mark. Die Bewährungszeit wurde auf fünf Jahre festgesetzt, H. wurde angewiesen, sich in eine Psychotherapie zu begeben. Nach dem Urteil wurde H. erneut versetzt - dieses Mal nach Garching an der Alz, wo er dann noch rund 20 Jahre als Pfarrer tätig war - und wieder Kinder missbraucht haben soll.
In der kommenden Woche will die Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) ein Gutachten zu Missbrauchsfällen im Erzbistum München und Freising veröffentlichen, in dem der Fall des Priesters H. und Ratzingers Rolle eine zentrale Rolle spielen dürften. Laut „Correctiv“ und BR hat „Stefan“ auch mit der Kanzlei gesprochen.

dpa