Länder fordern geschlossen Brückenstrompreis für Unternehmen / Photo: DPA (dpa)
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Die 16 Bundesländer haben sich angesichts gestiegener Energiekosten geschlossen für einen befristeten Brückenstrompreis zur Entlastung energieintensiver Unternehmen ausgesprochen. Das geht aus einer „Brüsseler Erklärung“ hervor, die die Länderchefs dort am Donnerstag einstimmig angenommen haben.

In der Frage eines staatlich subventionierten Industriestrompreises erhöhen die Länder damit den Druck auf Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Dieser hat bisher eine klare Positionierung dazu vermieden und stattdessen zunächst eine Debatte über die Finanzierung gefordert. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, Brüssel könne sich zu den deutschen Plänen für einen Industriestrompreis nicht äußern, weil diese derzeit noch auf nationaler Ebene diskutiert würden.

Was die Länder vereinbart haben:

BRÜCKENSTROMPREIS: In der „Brüsseler Erklärung“ heißt es, die infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine gestiegenen Energiekosten seien ein «akutes Hemmnis für die Erholung der Konjunktur und die Rückkehr der Industrieproduktion auf Vorkrisenniveau». Den EU-Mitgliedsstaaten müsse es daher für einen Übergangszeitraum möglich sein, „einen wettbewerbsfähigen Brückenstrompreis vor allem für energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen zu etablieren, bis bezahlbare erneuerbare Energien in hinreichendem Umfang zur Verfügung stehen“.

Für den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) ist der Ruf nach stärkeren staatlichen Förderungen dagegen eine falsche Botschaft. Ein Brückenstrompreis für Deutschland konterkariere einen europäischen Ansatz, globale Probleme wie die Energiekosten gemeinsam anzugehen und drohe, den europäischen Binnenmarkt zu verzerren.

FINANZIERUNG DER REGIONEN: Bereits stark entwickelte Regionen sollten nach Ansicht der Länderchefs stärker von der EU gefördert werden. Starke Regionen seien die „Wachstums- und Innovationslokomotiven der EU“, heißt es in der „Brüsseler Erklärung“. Damit Europa im globalen Wettbewerb den Anschluss behalte, müssten vorhandene Stärken unterstützt werden.

NRW-Ministerpräsident Wüst sagte zur EU-Finanzierung: „Bisher geht es eigentlich darum, schwache Regionen stark zu machen.“ Aber auch starke Industrieregionen wie Niedersachsen oder Nordrhein-Westfalen stünden vor Transformationsherausforderungen.

MIGRATION: Mit Blick auf die Aufnahme und Verteilung von Flüchtlingen betonten die Länderchefs, dass diese solidarisch getragen werden müsse. Mit der Einigung der EU-Innenminister auf einen Migrationspakt sei es gelungen, auch Staaten in die Verantwortung zu nehmen, die bisher „praktisch keinen Beitrag“ geleistet hätten. Das Ziel eines solidarischen Systems dürfe nun nicht unterwandert werden. Die Ministerpräsidenten pochen weiter auf „rechtssichere und menschenrechtskonforme Verfahren an den EU-Außengrenzen“. Vor allem für Familien mit Kindern müsse besonderer Schutz sichergestellt sein.

Die EU strebt mit dem Migrationspakt einen deutlich härteren Umgang mit Migranten ohne Bleibeperspektive an. So sollen Menschen aus als sicher geltenden Ländern künftig in abgeschottete und kontrollierte Aufnahmeeinrichtungen kommen. Dort würde im Normalfall innerhalb von zwölf Wochen geprüft, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er umgehend zurückgeschickt werden.

SCHNELLERE VERFAHREN: Als Grundpfeiler für eine erfolgreiche europäische Politik sprechen sich die Länderchefs darüber hinaus für weniger Bürokratie und schnellere Verfahren aus. Diese Stellschrauben gelte es bei allen Maßnahmen zu beachten, die notwendig seien, um die aktuellen Herausforderungen zu bewältigen.

Ifo-Chef warnt vor subventioniertem Strompreis

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Clemens Fuest, warnt vor der Einführung eines subventionierten Strompreises für die Industrie. Ein Industriestrompreis sei das falsche Instrument. Zudem sei es zweifelhaft, ob Strom in Deutschland in Zukunft wieder billiger werde. „Und selbst wenn das so ist, rechtfertigt das keinen subventionierten Strompreis für die Zwischenzeit“, sagte Fuest. Vielmehr sollten die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen verbessert werden.

Die Industriegewerkschaften sehen wegen der international hohen Strompreise hunderttausende Arbeitsplätze in Gefahr. Arbeitsplatzverluste und Standortschließungen drohten vor allem in energieintensiven Branchen wie der Stahl-, Chemie- oder Baustoffindustrie, erklärten IG Metall, IGBCE und IG BAU.

TRT Deutsch und Agenturen