Der Druck auf die Bundesregierung infolge der Preisanstiege wächst. (dpa)
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Angesichts rasant steigender Energiepreise mehren sich Rufe nach einem schnellen Gegensteuern der Bundesregierung. Während Verbraucherschützer größere Entlastungen für Privathaushalte fordern, warnte die Wirtschaft am Montag vor Produktionsverlagerungen.

Verbraucherverbände halten geplante Maßnahmen für unzureichend
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) betonte, die Pläne der Ampelkoalition für Privatleute gingen nicht weit genug. Einige Maßnahmen seien „bei weitem nicht ausreichend oder noch völlig unklar in ihrer Umsetzung“, sagte vzbv-Experte Thomas Engelke den Zeitungen der Funke Mediengruppe. So müsse das geplante Klimageld - eine Kompensation für den CO2-Preis - pro Kopf gezahlt werden, und die Abschaffung der EEG-Umlage zur Senkung des Strompreises müsse in voller Höhe bei privaten Haushalten ankommen. Außerdem müsse der Heizkostenzuschuss für Wohngeld-Empfänger, Studierende mit Bafög und Auszubildende mit Ausbildungsgeld mit im Schnitt mindestens 500 Euro pro Haushalt deutlich höher liegen als bisher geplant.
Finanzminister Christian Lindner will sich dafür einsetzen, dass auch die breite Mitte der Gesellschaft entlastet wird. Im TV-Sender „WELT“ sagte der FDP-Chef: „Für mich ist wichtig, dass wir uns dabei nicht nur konzentrieren auf Menschen, die bedürftig sind, wie Wohngeldempfänger, sondern dass wir erkennen, dass auch in der breiten Mitte der Gesellschaft, bei Menschen, die vielleicht sogar über ein vorzeigbares Einkommen verfügen, dass auch dort die Inflation stark zuschlägt.“ Nötig seien auch Instrumente, die Pendler, Beschäftigte und Soloselbstständige erreichen.
SPD-Chef Lars Klingbeil sagte mit Blick auf den Koalitionsausschuss am Mittwoch, die SPD gehe mit dem Ziel in die Gespräche, „dass wir ein großes Entlastungspaket auf den Weg bringen“.
Mehrere Sofortmaßnahmen auf Ampel-Agenda

Im Koalitionsausschuss rede man über eine Reihe von Sofortmaßnahmen, sagte Lindner. „EEG-Umlage, Heizkostenzuschuss und andere Maßnahmen dieser Art – durchaus ist die Pendlerpauschale auch ein Instrument über das wir sprechen.“ Ein Paket zur Sofortentlastung werde es noch diese Woche geben. Allerdings sei auch klar, dass der Staat die Energiepreise nicht dauerhaft subventionieren könne. Langfristig müsse man versuchen, die Preissteigerungen über Steuersenkungen abzufedern, sagte Lindner. Die Steuersätze und Freibeträge könnte man im kommenden Jahr entsprechend anpassen, stellte Lindner in Aussicht.
Beschlossen wurde bisher vom Kabinett nur der Heizkostenzuschuss. Außerdem sind sich SPD, Grüne und FDP einig, dass die EEG-Umlage früher als geplant abgeschafft werden soll - möglichst zur Jahresmitte. Zu möglichen weiteren Maßnahmen zählen eine Erhöhung der Pendlerpauschale, ein Kindersofortzuschlag und eine Klimaprämie.
Eine Erhöhung der Pendlerpauschale lehnten die Verbraucherzentralen ab. Dies „wäre der falsche Weg“, weil davon vor allem Haushalte mit hohem Einkommen profitieren würden, sagte Marion Jungbluth vom vzbv. Sie forderte stattdessen ein einkommensunabhängiges Mobilitätsgeld.
Der Präsident des Industrieverbandes BDI, Siegfried Russwurm, warnte vor den Folgen der gestiegenen Energiepreise für die Produktion. „Die Lage ist so ernst, dass selbst standorttreue mittelständische Unternehmen aus diversen Branchen über eine Verlagerung ins Ausland nachdenken müssen“, sagte Russwurm in Berlin. Gestiegene Energiepreise als existenzielle Herausforderung
Einer BDI-Umfrage zufolge sehen 65 Prozent in den gestiegenen Energiepreisen eine starke und 23 Prozent sogar eine existenzielle Herausforderung. 84 Prozent der Firmen seien der Ansicht, dass die Bundesregierung die weitere Erhöhung der CO2-Preise überdenken und mit flankierenden Maßnahmen zur Entlastung ergänzen sollte.
Der Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung mahnte, die Abschaffung der EEG-Umlage reiche zum Gegensteuern nicht aus. Die Bundesregierung müsse den Mittelstand entlasten, „sonst steht Deutschland bald ohne mittelständische Industriebetriebe da“, sagte Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer. Für Unternehmen, die im europäischen und internationalen Wettbewerb stehen und auf fossile Energien angewiesen seien, müsse es Kompensationen geben.
Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, nannte eine vorgezogene Abschaffung der EEG-Umlage einen wichtigen Schritt für Unternehmen und Verbraucher und „auch ein Signal pro Elektromobilität“, da der Ladestrom günstiger werde: „Im nächsten Schritt muss auch die Stromsteuer runter, um die Energiekosten weiter zu senken.“

dpa