Anwältin Seda Başay-Yıldız (AA)
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Die geschützte Privatadresse der von Rassisten und Rechtsradikalen angefeindeten Seda Başay-Yıldız war offenbar mehr Personen zugänglich als bisher bekannt. Ein Mitarbeiter habe die neue und eigentlich der Geheimhaltung unterliegende Anschrift der Frankfurter Anwältin in den Polizeiakten des Lübcke-Untersuchungsausschusses entdeckt, sagte der innenpolitische Sprecher der Linken im hessischen Landtag, Hermann Schaus, am Dienstag in einer Presseerklärung. Zuvor hatte die „Frankfurter Rundschau“ ​(FR) darüber berichtet.

In einem Brief an den Ausschussvorsitzenden Christian Heinz sowie an Innenminister Peter Beuth und Staatskanzler Axel Wintermeyer (alle CDU) bat der Linken-Politiker darum, den offenkundigen Fehler mit Blick auf die Zugänglichkeit der persönlichen und geschützten Daten schnellstmöglich zu korrigieren. Wintermeyers Antwort sei per Rundsendung an alle Fraktionen weitergeleitet worden.

Başay-Yıldız reagiert entsetzt

Başay-Yıldız habe entsetzt auf den Vorfall reagiert, heißt es in der FR. „So geht man nicht mit gesperrten Daten um“​, so Başay-Yıldız. Es gehe nicht an, dass ihre gesperrte Privatanschrift ebenso wie die Adresse der Kita ihrer Tochter „einfach ungeschwärzt in die Akten kommt“.

Zudem sei sie verwundert, wieso sie und Informationen über ihre Bedrohung überhaupt in den Akten des Lübcke-Untersuchungsausschusses vorkommen. Dieser befasst sich mit dem Mord am Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Jahr 2019.

„Umgang mit Adresse unverantwortlich“​

„Dieser Mangel an Sensibilität und das fehlende Problembewusstsein im Umgang mit der gesperrten Adresse von Frau Başay-Yıldız sind unverantwortlich“, beklagt Schaus.

Während die Akten des Untersuchungsausschusses zahlreiche Schwärzungen enthielten, etwa über V-Männer des Verfassungsschutzes, sei dieser Maßstab bei Başay-Yıldız und ihrer Familie auch nach entsprechenden Hinweisen nicht angelegt worden.

Es sei irritierend, wie viele verschiedene Stellen innerhalb der Polizei Zugang zu sowohl dieser gesperrten Privatdresse als auch der Adresse des Kindergartens ihrer Tochter hätten. „Dieser Zustand muss schnellstens geändert werden“, fordert Schaus.

Opfer der Drohserie NSU 2.0

Die Drohbriefserie „NSU 2.0“​​ begann im Sommer 2018 mit Morddrohungen gegen Başay-Yıldız, die als Nebenklägerin im Münchner NSU-Verfahren Angehörige der Opfer der rechtsextremen Terrorzelle NSU vertreten hatte. Diese gingen per Fax auf ihre Kanzleiadresse ein. Allerdings wurden darin auch die Namen ihrer Tochter und mehrerer Verwandter genannt, die über soziale Netzwerke oder aus öffentlichen Quellen nicht ohne Weiteres eruiert hätten werden können. Entsprechend wurde schon damals gemutmaßt, dass der Urheber der Nachrichten Zugang zu Informationen aus Behördencomputern gehabt haben musste.

Nachdem bekannt wurde, dass die persönlichen Daten der Anwältin von einem Computer in einer Frankfurter Polizeidienststelle abgerufen worden waren, wurde die neue Adresse nach dem Umzug gesperrt. Doch auch diese Adresse wurde in Drohbriefen verwendet.

Im Mai wurde der mutmaßliche Verfasser eines dieser Briefe in Berlin letztendlich verhaftet. Der Sonderermittler der Polizei in Hessen, Hanspeter Mener, hatte damals geschlussfolgert, der Verfasser könne die Anschrift über das persönliche Umfeld der Anwältin herausgefunden haben. Innerhalb der Polizei sei sie nur einem kleinen Kreis aus dem zuständigen Revier, dem Staatsschutz und dem Landeskriminalamt zugänglich gewesen.

TRT Deutsch