Symbolbild: Hände laden eine Schreckschuss-Pistole „Walther P22“ mit einem Magazin. (dpa)
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Die Zahl der den Behörden bekannten Rechtsextremisten mit Waffenerlaubnis ist im Jahr 2020 deutlich angestiegen. Wie die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion mitteilt, hatten die Sicherheitsbehörden Ende Dezember bundesweit rund 1200 tatsächliche oder mutmaßliche Rechtsextremisten auf dem Schirm, die legal Waffen besaßen – ein Anstieg um knapp 35 Prozent im Vergleich zu Ende 2019.

„Der Anstieg belegt die steigende Bedrohung, die von Neonazis und Rassisten ausgeht“, sagte die Bundestagsabgeordnete Martina Renner (Linke). „Erwartungsgemäß hat sich die Einbindung des Geheimdienstes nicht als wirkungsvolle Maßnahme gegen die Bewaffnung der rechten Szene erwiesen“, fügte die Innenpolitikerin hinzu, die selbst mehrfach Drohungen von Rechtsextremen erhalten hat. Aus Sicht der Sicherheitsbehörden ist der Anstieg dagegen auch darauf zurückzuführen, dass sie noch genauer hinschauen und auf die jüngste Novelle des Waffenrechts.

Unverändert blieb im Jahresvergleich die Zahl der sogenannten Reichsbürger und Selbstverwalter, die Waffen besitzen. Stand 28. Dezember 2020 besaßen 528 Menschen aus diesem Personenkreis eine Waffenerlaubnis, heißt es in der Antwort, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. „Reichsbürger“ erkennen den Staat und die deutschen Gesetze nicht an und weigern sich, Steuern, Sozialabgaben und Bußgelder zu zahlen. Seit 2016 bemühen sich die Sicherheitsbehörden darum, Angehörigen der Szene die Waffenerlaubnisse zu entziehen. Innerhalb von drei Jahren gelang ihnen das in 790 Fällen. Die Verfahren ziehen sich allerdings häufig länger hin, weil sich die Betroffenen juristisch zur Wehr setzen.

Anfang Dezember hatte sich ein Sportschütze, der für das Beschaffungsamt der Bundeswehr in Ulm arbeitete, mit einer Schusswaffe das Leben genommen. Kurz zuvor war bekanntgeworden, dass der Militärische Abschirmdienst (MAD) gegen mehrere Mitarbeiter der Regionalstelle für Qualitätsmanagement wegen möglicher Zugehörigkeit zu den sogenannten Reichsbürgern oder Selbstverwaltern ermittelt.

Beruht „zum Teil auf dem gestiegenen Personenpotenzial“

Im vergangenen Oktober hatte das Bundesinnenministerium in einer Antwort auf eine schriftliche Frage von Renner ausgeführt, der Anstieg dürfte „zum Teil auf dem gestiegenen Personenpotenzial im Phänomenbereich Rechtsextremismus beruhen“. Im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2019 wird das rechtsextremistische Personenpotenzial mit 32.080 Personen angegeben.

Anfang 2019 hatte der Verfassungsschutz den „Flügel“ der AfD und die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative jeweils als Verdachtsfall eingestuft. Der 2015 von dem Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke gegründete „Flügel“ wird vom Verfassungsschutz seit März 2020 nicht mehr als Verdachtsfall, sondern als gesichert rechtsextremistische Bestrebung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung eingestuft. Er hatte sich im vergangenen Jahr nach Druck des AfD-Bundesvorstandes formal aufgelöst.

Der „Tagesspiegel“ hatte berichtet, das Rechtsextremismus-Personenpotenzial sei 2020 auf nunmehr 33.300 Personen angewachsen, von denen 13.300 Personen als gewaltorientiert eingeschätzt würden.

Seit rund einem Jahr gilt das neue Waffenrecht

Es gibt zwei Arten waffenrechtlicher Erlaubnisse: Wer als Jäger eine Waffenbesitzkarte hat, darf eine Schusswaffe kaufen, die er zur Jagd benutzt. Sportschützen können ebenfalls eine Waffenbesitzkarte beantragen und dürfen ihre selbst erworbenen Waffen damit auf dem Schießstand verwenden und auch dorthin transportieren. Der Waffenschein berechtigt zum Tragen einer Waffe in der Öffentlichkeit, etwa zum Selbstschutz, weil jemand als Personenschützer arbeitet oder beruflich Wertsachen-Transporte begleitet.

Seit etwa einem Jahr gilt das neue Waffenrecht. Es sieht vor, dass bei der Beantragung der Erlaubnis und danach alle drei Jahre geprüft wird, ob jemand die dafür notwendige „Zuverlässigkeit und persönliche Eignung“ besitzt – und dass auch automatisch beim Verfassungsschutz nachgefragt wird, ob der Waffenbesitzer als Extremist aufgefallen ist. Umgekehrt ist es auch für den Verfassungsschutz einfacher geworden, über eine Anfrage im Nationalen Waffenregister festzustellen, ob jemand, der auf seinem Radar gelandet ist, eine Waffenerlaubnis besitzt. Rechtlich nicht gestattet ist dagegen ein automatischer Abgleich aller tatsächlichen und mutmaßlichen Extremisten mit dem Waffenregister.

Der Entzug einer Waffenerlaubnis muss im Einzelfall begründet werden. Das ist nur dann relativ einfach, wenn jemand nachgewiesen Mitglied einer verbotenen Organisation oder Partei ist.

dpa