Im rheinischen Braunkohlerevier haben sich Klimaschutz-Aktivisten am Sonntag weiter für einen sofortigen Kohleausstieg eingesetzt. Die Protestaktionen fanden in einem kleineren Rahmen als noch am Vortag statt, wie eine Sprecherin des Bündnisses „Ende Gelände“ am Sonntagmorgen sagte. Am Vormittag erklärte die Gruppe ihr Aktionswochenende für beendet. „Es ist alles friedlich verlaufen“, teilte ein Sprecher der Polizei in Aachen am Sonntag mit.
Demonstranten hatten eine bereits aufgegebene Gaststätte im Ort Keyenberg besetzt, um „praktisch eine Neueröffnung“ zu feiern, hieß es. Aktivisten luden Anwohner zu einem gemeinsamen Frühstück ein, dazu wurde ein Gottesdienst vor der ehemaligen Kneipe abgehalten.
Um zehn Uhr hätten die Demonstranten die Gaststätte dann freiwillig verlassen, sagte der Polizeisprecher. Ein Kommunikationsteam der Polizei war vor Ort, um mit den rund 50 Aktivisten im Gebäude in Kontakt zu treten. Diese hatten dort übernachtet, während rund zehn Menschen eine Mahnwache gebildet hatten.
Am Sonntagmittag riefen Klimaschutz-Organisatoren zu einem Dorf- und Waldspaziergang von Lützerach bis in den Wald bei Keyenberg auf. Dort hatten Aktivisten laut Angaben der Gruppe „Unser aller Wald“ in der vergangenen Woche drei Baumhäuser in bis zu 18 Metern Höhe errichtet, um gegen den Tagebau Garzweiler II zu protestieren. „Das ist der Anfang von einem Baumhausdorf“, sagte eine Sprecherin der Gruppe.
Nach dem Ende der Auseinandersetzungen um den Hambacher Forst ist der Tagebau Garzweiler zum neuen Zentrum des Streits um die Braunkohle geworden. RWE will den Tagebau bis zum Abschalten seines letzten Braunkohlekraftwerks 2038 weiter betreiben. Der Energiekonzern verweist darauf, dass es im Kohleausstiegsgesetz eine Bestandsgarantie für Garzweiler gibt. Dabei sollen noch mehrere Dörfer den Baggern weichen und Anwohner umgesiedelt werden.
Spaltung von Dorfgemeinschaften
Die Demonstranten warfen RWE vor, systematisch Dorfgemeinschaften zu spalten. Bereits am Samstag hatten „Ende Gelände“ und andere Organisationen deshalb zu Protestaktionen im rheinischen Braunkohlerevier aufgerufen. Ende Gelände sprach von 3000 Teilnehmern an den Aktionen. Nach Angaben der Polizei von Samstag waren es mindestens über 1000.
Demnach nahmen Beamte 47 Menschen fest, 64 Personen kamen in Gewahrsam. Über 300 weitere Teilnehmer wurden mit Bussen aus dem Bereich des Tagebaus Garzweiler transportiert, weil sie Platzverweise ignoriert hatten. Sechs Polizisten wurden den Angaben zufolge bei den Protesten leicht verletzt, blieben aber dienstfähig.
Zeitweise war es Demonstranten am Samstag gelungen, Anlagen am Rand des Tagebaus und im Kraftwerk Weisweiler bei Aachen zu besetzen. In den direkten Abbaubereich sei aber kein Demonstrant gelangt, sagte eine Polizeisprecherin am Abend. Eine Sprecherin von „Ende Gelände“ bezeichnete die Aktionen als „zivilen Ungehorsam“. Ein RWE-Sprecher betonte, der Betrieb der Anlagen sei nicht eingeschränkt gewesen.
Um Demonstranten vom Tagebau fernzuhalten, setzte die Polizei vereinzelt Pfefferspray und Polizeihunde ein. Die Demonstranten hätten zuvor mehrfach Aufforderungen ignoriert, nicht weiter in Richtung der Abbruchkante des Tagebaus zu laufen.
Lorenz Gösta Beutin, Energie- und Klimapolitiker der Linken im Bundestag, bezeichnete den Einsatz von Pfefferspray als „unverhältnismäßig“ und forderte eine interne Aufarbeitung bei der Polizei: „In Zeiten von Klimakrise und einer Bundesregierung im Klima-Koma ist ziviler Ungehorsam ein notwendiger und legitimer Protest“, sagte Beutin, der als parlamentarischer Beobachter vor Ort war.
Auch vor einem Gaskraftwerk in Düsseldorf hatten sich am Samstag etwa 200 Aktivisten für ein sofortiges Ende der Stromerzeugung aus Gas versammelt. Für Sonntag waren aber keine Demonstrationen angemeldet, sagte eine Polizeisprecherin.
27 Sep. 2020
dpa
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