Bundeskanzler Olaf Scholz. / Photo: DPA (dpa)
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Zum Auftakt der Münchner Sicherheitskonferenz hat Bundeskanzler Olaf Scholz die Verbündeten eindringlich dazu aufgerufen, die Ukraine schnell mit Kampfpanzern zu unterstützen. Alle, die liefern könnten, müssten „dies nun auch wirklich tun“, sagte der SPD-Politiker am Freitag in seiner Rede beim weltweit wichtigsten Expertentreffen zur Sicherheitspolitik, an dem Vertreter aus fast 100 Ländern teilnehmen. Er bot den Bündnispartnern eine deutsche Führungsrolle bei Ausbildung, Nachschub und Logistik an.

„Für mich ist das ein Beispiel für die Art von Leadership (Führung), die jede und jeder von Deutschland erwarten kann - und die ich unseren Freunden und Partnern ausdrücklich anbiete.“ Zuvor hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner per Video übertragenen Eröffnungsansprache den Westen zu größerer Geschwindigkeit bei der Lieferung von Waffen aufgefordert. „Denn davon hängt unser Leben ab», sagte er. Er warnte erneut vor den Konsequenzen, wenn der russische Präsident Wladimir Putin bei seinem Angriffskrieg in der Ukraine nicht gestoppt werde. «Wenn wir gebrochen werden, dann wird er weiter alle anderen Staaten aufessen, die einst in der Sowjetunion waren.“

Ukraine fordert geächtete Waffen

Der ukrainische Vizeregierungschef Olexander Kubrakow forderte am Abend die Lieferung von Streumunition und Phosphor-Brandwaffen. Russland nutze diese Art von Kampfmitteln jeden Tag. „Warum können wir sie nicht nutzen? Es ist unser Staatsgebiet“, sagte er. Er verstehe die Schwierigkeiten wegen Konventionen, aber diese Art von Munition könne dazu beitragen, dass man den Angreifern standhalten könne. Kubrakow spielte damit darauf an, dass der Einsatz von Streumunition völkerrechtlich geächtet ist. Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Phosphormunition kann bei Menschen schwerste Verbrennungen und Vergiftungen verursachen. Mit der Forderung Kubrakows geht die Ukraine in der Diskussion um Waffenlieferungen erneut einen Schritt weiter.

Scholz: Pistorius arbeitet „sehr hart“ an Panzer-Allianz

Scholz hatte Ende Januar nach langem Zögern die Lieferung von 14 Leopard-2-Kampfpanzern in die Ukraine angekündigt und das Ziel ausgegeben, zusammen mit Verbündeten „rasch“ zwei Panzerbataillone aufzustellen, für die in der Ukraine 62 Panzer benötig werden. Für das Bataillon, für das Deutschland die Federführung übernahm, hat bisher nur Portugal drei Leopard 2A6 zugesagt. Das bedeutet: 14 Panzer fehlen noch. „Da werden wir die Bataillonsstärke nicht erreichen“, räumte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) erst Mitte der Woche ein. Scholz betont nun, dass seine Regierung dennoch die Bemühungen fortsetzen werde. „Der Verteidigungsminister ist hier. Er arbeitet sehr hart daran, dass es passiert.“ Auf die Frage, warum es so schwierig sei, die Panzer zusammenzubekommen, sagte der Kanzler in einem Interview im Anschluss an seine Rede nur: „Tja.“ Pause. „Das ist eine Frage, die Sie anderen stellen müssen.“

Macron: „Jetzt ist nicht die Zeit für Dialog“

Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg dringt auf weitere Kampfpanzer-Zusagen. „Ich habe die Alliierten dazu aufgerufen, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um moderne Waffen zu liefern - auch gepanzerte Fahrzeuge und Kampfpanzer“, sagte er. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plädierte ebenfalls für mehr Militärhilfe, um Russland an den Verhandlungstisch zu zwingen. „Wir müssen unsere Unterstützung und unsere Anstrengungen unbedingt intensivieren“, sagte er. Ziel müsse es sein, den Ukrainern eine Gegenoffensive zu ermöglichen. Nur sie werde glaubwürdige Verhandlungen zu Konditionen der Ukrainer erlauben. „Die kommenden Wochen und Monate sind entscheidend.“ Frankreich sei bereit für eine Intensivierung der Hilfe und für einen noch längeren Konflikt. „Jetzt ist nicht die Zeit für Dialog“, sagte er.

Polen will bei Nato-Entscheidung Kampfjets liefern

Damit ist der Ton für die dreitägige Konferenz gesetzt. Verhandlungen mit Russland müssen erkämpft werden - mit noch mehr Waffen der westlichen Verbündeten. Der polnische Mateusz Morawiecki machte deutlich, dass Polen bereit wäre, gemeinsam mit anderen Kampfjets an die Ukraine zu liefern. Als Voraussetzung nannte er allerdings eine „Nato-Entscheidung“ für einen solchen Schritt. Auf die Frage, ob Polen auch F-16 an die Ukraine abgeben würde, sagte er, Polen habe nicht so viele Flugzeuge von diesem Typ. Man sei sich allerdings einig, dass andere Jets geliefert werden könnte. Zum Typ äußerte er sich nicht. Nach Daten des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) besaß Polen neben F-16 zuletzt unter anderem auch noch Kampfflugzeuge der sowjetischen Typen MiG-29 und Su-22M-4.

Russland muss draußen bleiben

In München beraten bis Sonntag 40 Staats- und Regierungschefs und fast 100 Minister. Wie der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine beendet werden kann ist die zentrale Frage. Unter den Teilnehmern sind US-Vizepräsidentin Kamala Harris, der französische Präsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Rishi Sunak. Die russische Führung ist zum ersten Mal seit den 1990er Jahren nicht eingeladen. „Wir sind uns zu schade, diesen Kriegsverbrechern im Kreml mit der Münchner Sicherheitskonferenz eine Bühne für ihre Propaganda zu bieten“, lautet die Begründung von Konferenzleiter Christoph Heusgen - früher außenpolitischer Berater von Altkanzlerin Angela Merkel (CDU).

Selenskyj: „Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen“

Selenskyj war im vergangenen Jahr noch physisch bei der Sicherheitskonferenz dabei - damals noch ganz zivil in Anzug und Krawatte. Bilder von seiner Rede im Februar 2022 wurden zum Auftakt der Konferenz eingespielt. Vier Tage nach Ende der Konferenz griff Russland die Ukraine an. Am Freitag erschien Selenskyj auf den Bildschirmen im Festsaal des „Bayerischen Hofs“ wie seit Kriegsbeginn üblich in Militärmontur. „Es gibt keine Alternative zu unserem Sieg, und es darf auch keine Alternative zu unserer Entschlossenheit geben“, sagte er. Der ukrainische Präsident verglich sein Land mit dem biblischen David, der sich gegen einen russischen Goliath wehren müsse. „Goliath hat schon angefangen zu verlieren. Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen“, sagte er.

dpa