Ein Luftballon im Europäischen Informations-Zentrum (EIZ) in der Thüringer Landeshauptstadt. Am 9. Juni finden in Thüringen die Stichwahlen der Kommunalwahlen und die Europawahl statt, am 1. September die Landtagswahl. / Photo: DPA (dpa)
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Bei der Europawahl werden die Rechtsaußenparteien den Umfragen zufolge vielerorts Erfolge verzeichnen. In Frankreich, Italien und Österreich liegen sie vorn, in deutschen Umfragen kommt die AfD gleichauf mit den Grünen auf den zweiten Platz.

Nach der Wahl dürften sich die bisherigen Rechtsaußenfraktionen im Europaparlament, ID und EKR, neu sortieren - und womöglich einen deutlich stärkeren Block bilden als bisher. Ein Überblick:

AfD in Deutschland

Die AfD hat in Deutschland einen skandalträchtigen Wahlkampf hingelegt, der von Vorwürfen der Spionage aus China und der Geldannahme aus Russland überschattet wurde. Für die Rechtsaußen-Fraktion ID brachte eine verharmlosende SS-Äußerung des Spitzenkandidaten Maximilian Krah das Fass zum Überlaufen, die AfD wurde aus der Fraktion ausgeschlossen. Die Parteispitze in Berlin zog Krah und den Listenzweiten Petr Bystron daraufhin für den Wahlkampf aus dem Verkehr, um weiteren Schaden abzuwenden.

Von der Liste gestrichen werden konnten Krah und Bystron nicht mehr, zuletzt bestritt der Listendritte René Aust aus Thüringen aber die letzten Wahlkampfauftritte der Partei. Auch wenn die AfD mit Zugewinnen im Vergleich zur Wahl 2019 rechnen kann, dürften die Gewinne nun geringer ausfallen als zu Anfang des Jahres prognostiziert.

Damals stand die Partei in den Europawahl-Umfragen noch bei rund 22 Prozent, zuletzt wurden ihr noch 14 bis 17 Prozent zugesprochen. Welcher Fraktion sich die AfD nach der Wahl anschließen wird und wer die AfD-Delegation leiten wird, ist unklar.

Die AfD tritt mit einem EU-kritischen Wahlprogramm an. „Wir halten die EU für nicht reformierbar und sehen sie als gescheitertes Projekt“, heißt es darin. „Daher streben wir einen 'Bund europäischer Nationen' an.“

AfD-Parteitag in Magdeburg (DPA)

Rassemblement National in Frankreich

In Frankreich liegen die Rechtspopulisten des Rassemblement National (RN) unter Führung von Jordan Bardella mit Abstand vorn. Nach jüngsten Umfragen kommen sie auf bis zu 33 Prozent der Stimmen, mehr als doppelt so viel wie die von Präsident Emmanuel Macron unterstützte Liste.

Nach den AfD-Skandalen hatte Bardella das bisherige Bündnis mit den deutschen Rechtspopulisten im EU-Parlament aufgekündigt, nun werden die Karten neu gemischt. „Die Fraktionen werden ohnehin neu aufgestellt“, sagt Bardella. Seine Partei bemüht sich seit Jahren, weiter in die Mitte zu rücken.

Bardella hat bislang offen gelassen, mit wem er sich in Brüssel und Straßburg zusammentun will. Es gibt Anzeichen einer Annäherung zwischen Ex-Parteichefin Marine Le Pen, die 2027 bei der Präsidentschaftswahl in Frankreich zum vierten Mal antreten will, und der italienischen Regierungschefin Giorgia Meloni, deren Partei der Rechtsaußen-Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) angehört.

Was Bardellas Partei im Europaparlament erreichen will, hat sich in den vergangenen Jahren mehrfach geändert. Von einem Frexit oder einem Ausstieg aus dem Euro ist längst nicht mehr die Rede. Das neue Schlagwort lautet „Europa der Nationen“. Dazu soll der Einfluss europäischer Institutionen beschnitten werden.

Rassemblement National (RN) (Reuters)

Fratelli d'Italia

Die in der Traditionslinie der italienischen Neofaschisten stehende Partei Fratelli d'Italia (FdI) von Regierungschefin Meloni stellt im Europaparlament zehn der insgesamt 68 Abgeordneten der EKR-Fraktion. Zur EKR gehören unter anderen auch die spanische Vox und die rechtsnationale polnische Ex-Regierungspartei PiS.

Teile der EKR könnten eine entscheidende Rolle bei einer möglichen Wiederwahl der derzeitigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen spielen. Von der Leyen hatte sich vor diesem Hintergrund seit dem Sommer 2023 auffällig oft gemeinsam mit Meloni gezeigt. Ob die italienische Regierungschefin aber die Königsmacherin für die Deutsche sein will, ist fraglich.

Auch welche sonstigen Ziele Meloni in Brüssel und Straßburg für die Zeit nach den Europawahlen anstrebt, ist nicht klar zu erkennen. Da sind die Aussagen der ultrarechten Regierungschefin Mitte Mai bei einem Parteitag der rechtsextremen spanischen Partei Vox: Sie wolle rechte Parteien in Europa „vereinen“ und „die Linken in die Opposition schicken“. Kurz darauf, beim Wirtschaftsfestival in Trient, sagte sie, es sei "keine Form der Vereinigung“ des rechten Lagers im Europaparlament in Sicht.

26.09.2022, Italien, Rom: Giorgia Meloni, Vorsitzende der rechtsradikalen Partei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens), hält ein Schild mit der Aufschrift „Grazie Italia“ („Danke Italien“) während einer Pressekonferenz in der Wahlkampfzentrale ihrer Partei. (DPA)

In Rom praktiziert Meloni eine solche Zusammenarbeit freilich schon lange: Juniorpartner ihrer Regierungskoalition ist neben der Forza Italia die rechtsnationale Lega von Verkehrsminister Matteo Salvini. Die Lega stellt nach einem sensationellen Wahlergebnis im Jahr 2019 bislang mit 22 Abgeordneten einen großen Teil der ID-Fraktion und mehr als doppelt so viele Vertreter wie Melonis FdI.

Die Kräfteverhältnisse innerhalb der italienischen Rechten haben sich aber längst umgekehrt, was bei der Europawahl voll durchschlagen dürfte: Wie eine Auswertung des Factchecking-Portals „Pagella Politica“ ergab, kamen Melonis FdI Ende Mai auf 27,1 Prozent der Stimmen, die Lega erreichte nur noch 8,5 Prozent.

Wo die Rechtsaußen-Parteien sonst noch vorne liegen

In Österreich führt die FPÖ, die der ID-Fraktion angehört, in den Umfragen für die Europawahl. Mit dem Vlaams Belang (ebenfalls ID) könnten die Rechtspopulisten auch in Belgien stärkste Kraft werden. Die Partei, die unter anderem die Unabhängigkeit der Region Flandern fordert, kann auch bei den Wahlen zum belgischen Parlament mit deutlichen Zugewinnen rechnen.

FPÖ-Chef Kickl und AfD-Fraktionschefin Weidel (DPA)

In den Niederlanden lag mit der Partei für die Freiheit (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders ein Mitglied der ID zwar in den Umfragen vor der Wahl vorn, landete aber laut einer Nachwahlbefragung bei der Abstimmung am Donnerstag überraschend knapp hinter dem proeuropäischen Bündnis Groenlinks/PvdA von Grünen und Linken des ehemaligen EU-Kommissars Timmermans. Groenlinks/PvdA gewann demnach acht Sitze, die Partei für die Freiheit (PVV) von Wilders sieben, wie eine Nachwahlbefragung des Rundfunksenders NOS ergab.

Unklar ist, welcher Fraktion sich die Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban nach der Wahl anschließt. Fidesz war 2021 nach heftigem Streit aus der Europäischen Volkspartei (EVP) um CDU und CSU ausgetreten. Orban hatte sich jüngst für eine Zusammenarbeit unter den Rechtsaußen-Parteien und insbesondere zwischen Meloni und Le Pen ausgesprochen.

AFP