Die UN-Generalversammlung. 13.12.2023. / Photo: AA (AA)
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Kritischer Blick nach Österreich zuerst. Wie ausführlich berichtet, gab es zehn Gegenstimmen bei der jüngsten Abstimmung in der Vollversammlung der Vereinten Nationen zum Thema sofortige Waffenruhe in Gaza. Wie im benachbarten Deutschland Staatsräson? Auch wenn es manchmal anders aussieht – Mainstream-Medien in Österreich scheinen sich stimmungsmäßig doch etwas zu bewegen. Ein höchst interessanter Beitrag im renommierten Der Standard vom 13. Dezember dieses Jahres erläutert: „Das Ergebnis war diesmal noch eindeutiger als beim letzten Mal. 153 Staaten stimmten in der UN-Generalversammlung am Dienstagabend für einen Waffenstillstand in Gaza, nur zehn waren dagegen. Unter ihnen: Österreich. Wien konnte sich damit auch nach rund eineinhalb Monate andauernden Krieges im Gazastreifen nicht mit einer Resolution anfreunden, in der ein Ende der Kämpfe in dem Küstenstreifen am Mittelmeer gefordert wird.“

Nach Israel die Liste der sieben anderen Ko-Sponsoren: EU-Mitglied Tschechien und sodann Guatemala, Liberia, Mikronesien, Nauru, Papua-Neuguinea und Paraguay.

Kontroverse Punkte im Resolutionsentwurf für Wien und Berlin?

Washington wollte die Vorfälle vom 7. Oktober 2023 als schreckliche Hamas-Terrorattacke definieren; Österreich wollte sogar noch weiter gehen und forderte einen sofortigen Zugang zu den Geiseln, die von der Hamas gefangen gehalten würden.

Da keinerlei Zweidrittelmehrheit, um den Resolutionsentwurf entsprechend zu ändern, votierten USA und Wien letztendlich dagegen.

Niemand bestreitet, dass die Vorfälle vom 7. Oktober 2023 verurteilt werden müssen – aber geht es nicht um Proportionalität der Antwort? Über 18.000 (!) unschuldige Menschen, darunter Tausende Kinder und Frauen, von Israel ermordet und es gibt hierfür kein passenderes Wort.

Aber aufgrund einiger linguistischer Feinabstimmungen die sofortige Waffenruhe zu verhindern, macht alle zehn Staaten, die die Resolution ablehnten, leider zu zumindest Mitwissern.

Berlins Außenministerium versuchte zu beschwichtigen und teilte auf dem sozialen Mediendienst X mit, es sei eine schwierige Entscheidung gewesen. Da wir Der Standard zitierten, bietet es sich an, auch beim Blick nach Deutschland eine renommierte Quelle heranzuziehen – die Tagesschau: „Wir wollen das unerträgliche Leid der Menschen beenden – in Israel und in Gaza“. Die Resolution fordere einen "pauschalen Waffenstillstand, sagt aber nicht, warum Israel gezwungen ist, sich zu verteidigen: Weil die Hamas Israel am 7.10. barbarisch angegriffen hat. Und weil die Hamas Israel weiterhin vernichten will." Deswegen habe Deutschland nicht zustimmen können – aber weil man sich dafür einsetzen wolle, das Leid der Palästinenser zu beenden, habe man auch nicht dagegen stimmen können.“

Fassen wir es doch einmal deutlich zusammen – Wien versuchte sich an Washington anzuschmeicheln, überschätzte aber total seinen globalen Einfluss in einer Welt, die viel zu spät, aber eventuell doch noch aufwacht und was Israel gegen Palästina unternimmt als genau das tituliert, was es ist – versuchte Vernichtung und Vertreibung eines ganzen freien Staates.

Berlin versuchte zu beschwichtigen: Wir mögen Palästina, können nicht zustimmen, aber wir wissen nicht so genau, was wir wollen – also Enthaltung. Humanitäre, politische Bankrotterklärung 2.0 mal zwei. Schade und wohl niemals mehr gutzumachen, da das Sterben unschuldiger Bürgerinnen und Bürger in Gaza nun weitergeht.

Könnte umfassende Reform der Vereinten Nationen Lösung sein?

In diesem Zusammenhang ist ein Buch besonders erwähnenswert: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan stellte in „A Fairer World is Possible, A Proposed Model for a United Nations Reform“ (Turkuvaz Haberleşme ve Yayıncılık A.Ş., September 2021) äußerst konkrete Ideen vor, man darf ohne Übertreibung sagen: Es sind die bis dato umfassendsten Reformvorschläge eines Staatsmannes.

Im Kapitel „The Relationship between the General Assembly and the Security Council“ (Die Beziehungen zwischen der Vollversammlung und dem Sicherheitsrat) spricht Präsident Erdoğan die genauen Details seiner Vorschläge an. Die Basis ist (…) „als politisches Prinzip, dass der Sicherheitsrat, der Generalversammlung untergeordnet, aus ihr hervorgeht und ihr gegenüber verantwortlich ist (Seite 184.) Hierfür schlägt er zwei bahnbrechende Lösungen vor (Seite 184 und folgende): Erstens: „Die Mitglieder des Sicherheitsrates müssen aus der Generalversammlung hervorgehen. Die Dauer ihrer Mitgliedschaft sollte begrenzt sein. Mit anderen Worten: Es sollte nicht so etwas wie ständige Mitgliedschaft geben.“

Und zweitens: „Die Generalversammlung muss also das legislative Organ sein und der Sicherheitsrat wiederum die Rolle der Exekutive übernehmen.“

Wenn er dann die Frage anspricht, welches weitere Grundproblem beseitigt werden muss, schreibt er „However, abolishing the veto privilege is the essential starting point“. Für den Autor ist also die Abschaffung des Vetoprivilegs jedoch der wichtigste Ausgangspunkt. Er bezieht sich hierbei auf das derzeitige Veto-Recht im Weltsicherheitsrat.

Elitedenken u.a. am Hudson River oder auch in Genf muss der Vergangenheit angehören. Die Welt ist in der Tat größer als fünf, und Palästina gehört dazu!

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