Iserlohn: Muslimische Gräber auf Friedhof geschändet (Twitter: KÜBRA.)
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Nachdem in der Silvesternacht auf einem Friedhof in Iserlohn im Sauerland zahlreiche muslimische Gräber geschändet wurden, kamen vor wenigen Tagen mehrere Hundert Menschen auf dem Iserlohner Hauptfriedhof zusammen, um ein Zeichen gegen Muslim- und Menschenfeindlichkeit zu setzen und Solidarität mit der islamischen Gemeinde zu demonstrieren. Nach Angaben der Polizei Hagen wurden auf dem muslimischen Teil des Friedhofs demnach etwa 30 Grabsteine umgeworfen sowie Dekorationselemente und Pflanzen zerstört. Vermutet wird ein rechtsextremistischer Hintergrund.

Gemeinsames Bittgebet von Christen und Muslimen als Zeichen der Solidarität

An der Solidaritätskundgebung nahmen der Vorsitzende des Unterausschusses für Auslandstürken und verwandte Gemeinschaften der Großen Nationalversammlung der Türkei und zugleich Parlamentsabgeordneter der AKP, Zafer Sırakaya, CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak, der Vizekonsul des türkischen Generalkonsulats Essen, Emre Öngel, der Religionsdienstattaché des Generalkonsulats Hakkı Gür, der stellvertretende Bürgermeister von Iserlohn, Thorsten Schick sowie Vertreter lokaler Vereine, Parteien und Organisationen teil. Eröffnet wurde die Gedenkveranstaltung mit einem Vers aus dem Koran und einem gemeinsamen Bittgebet, vorgetragen durch den Imam der Zentralmoschee Iserlohn, Harun Ulu.

„ Solidarität und Eintracht von Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft äußerst wertvoll“

Der aus Deutschland stammende Parlamentarier Zafer Sırakaya verurteilte während seiner Rede die Schändung der Gräber und lobte die Solidarität der versammelten Menschen aus verschiedenen Religionen und ethnischen Gruppierungen. Sırakaya bezeichnete dies als „äußerst wertvoll“. Für die Eintracht und Solidarität der Gesellschaft sei das Zusammenkommen der Menschen besonders wichtig sowie eine große Chance. „Möge Allah unsere Gesellschaft zukünftig vor derlei Prüfungen bewahren“, so Sırakaya. Der Abgeordnete der türkischen Regierungspartei dankte zugleich den zivilgesellschaftlichen Vereinen sowie den kommunalen Vertretern und Funktionären der politischen Parteien und Kirchen in Iserlohn.

Zuvor hatte sich Zafer Sırakaya über Twitter geäußert und die Schändung der Gräber „pietätlos“ genannt. Es vergehe kein Tag, so Sırakaya, „ohne Hassverbrechen gegen Muslime.“ Die Politik müsse „endlich konkrete Maßnahmen gegen islamfeindlichen Rassismus treffen.“

Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, bewertete die Tat auf Twitter als „Angriff auf die Werte unserer Verfassung und auf uns alle.“

„Ein Angriff auf uns alle!“

Auch der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, in dessen Wahlkreis Iserlohn liegt, sagte, die Gesellschaft müsse gegen fremdenfeindliche Angriffe zusammenstehen. „Hier liegen Menschen begraben, die in Iserlohn ihre Heimat gefunden haben. Das sind Iserlohnerinnen und Iserlohner,“ sagte der Politiker. Über den Kurznachrichtendienst Twitter bezeichnete Ziemiak die Tat als „Angriff auf uns alle“. Der CDU-Politiker teilte zudem sogar eine türkische Kurznachricht, in der er die Taten als „beschämend“ anprangerte und seine Hoffnung auf eine baldige Ermittlung und Bestrafung der Täter bekundete.

„Es gibt keinen stärkeren Ausdruck von Respektlosigkeit“

Die SPD-Bundestagsabgeordnete aus dem Märkischen Kreis, Bettina Lugk, zeigte sich ebenfalls betroffen und wütend zugleich. Die Politikerin, die auch Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit des Bundestags ist, schrieb über Twitter: „Es gibt keinen stärkeren Ausdruck von Respektlosigkeit und (religiöser) Verachtung – gegenüber den Verstorbenen wie den Angehörigen – als die Verwüstung von Grabstellen. Ich hoffe, dass der/die Täter schnell ermittelt werden können“, so die SPD-Abgeordnete.

„Neuer Beweis für krankhafte anti-islamische Geisteshaltung“

Das türkische Außenministerium hatte die Tat in einer Mitteilung mit scharfen Worten verurteilt: „Mit Bedauern haben wir erfahren, dass auf einem muslimischen Friedhof in der Stadt Iserlohn ein Anschlag verübt wurde. Der Angriff in der Silvesternacht ist ein neuer Beweis für die krankhafte anti-islamische Geisteshaltung, die in letzter Zeit vor allem in Europa auf dem Vormarsch ist und sogar muslimische Friedhöfe ins Visier nimmt. Wir hoffen, dass die Täter dieses traurigen Angriffs identifiziert und vor Gericht gestellt werden und die ihnen gebührende Strafe erhalten. Zudem hoffen wir, dass sich derlei Zwischenfälle nicht mehr wiederholen und erforderliche Präventivmaßnahmen hierfür ergriffen werden“, so das türkische Außenministerium.

„Antimuslimischen Rassismus konsequent bekämpfen“

NRW-Integrationsminister Joachim Stamp bezeichnete die Schändung der muslimischen Gräber als „abscheulich“. Antimuslimischer Rassismus und Hass hätten in Deutschland keinen Platz und müssten auch künftig konsequent bekämpft werden, so der FDP-Politiker auf der sozialen Plattform Facebook.

Beerdigung in Deutschland ist ein Zeichen der Beheimatung

Die Schändung von Gräbern, egal ob von Muslimen, Juden, Christen oder anderen Menschen ist in der Tat ein erschreckendes Beispiel ekelerregender Menschenfeindlichkeit. Denn Totenruhe und Ehrung von Verstorbenen gehören in allen Religionen und allen Staaten der Welt zu den universalen Bestandteilen der menschlichen Zivilisation. Die Entscheidung für eine Beisetzung in Deutschland ist bei vielen Muslimen noch immer eher die Ausnahme als die Regel. Deshalb sind muslimische Gräber ein wichtiges Zeichen der Beheimatung in Deutschland. Dies sollte weiter gefördert werden. Solche feigen Taten bremsen den Wunsch nach einer Beerdigung in Deutschland. Nach 60 Jahren der Arbeitsmigration wird die Bestattung in Deutschland langsam zur Realität. Die Menschen, die ihr Leben hier verbringen, wollen auch nach dem Leben in ihrer deutschen Heimat ruhen. Deutschland ist den Muslimen eine Heimat geworden. Dazu gehören auch muslimische Friedhöfe, wo Muslime in Deutschland ungestört ihre letzte Ruhe finden können. Ein erster Schritt für die Akzeptanz der Muslime in Deutschland ist die im Vergleich zu früheren Anschlägen große Solidarität und Anteilnahme der Mehrheitsgesellschaft. Zivilgesellschaft, Politik bis hin zur Bundesebene, Medien und Öffentlichkeit zeigen diesmal besondere Aufmerksamkeit. Das verdient Anerkennung von muslimischer Seite aus. Es zeigt: Die Vielfalt in Deutschland ist lebendig. Deshalb ist das Statement des deutsch-türkischen Politikers Zafer Sırakaya auch nicht unwichtig und sollte weitergeführt werden: Solche Taten können und müssen als Chance für den Zusammenhalt der Gesellschaft dienen. Derlei Angriffe und die gemeinsamen Reaktionen danach können den gesellschaftlichen Frieden und die Eintracht fortentwickeln. Diese Chancen sollten wir alle nutzen.

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