Soldaten des Eurokorps hissen die EU-Flagge in Strasburg. (Reuters)
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Das Kommando Spezialkräfte (KSK) wurde nach der Evakuierung der eigenen Bürger während des Völkermords in Ruanda durch belgische Spezialkräfte gegründet, weil Deutschland selbst 1994 dazu nicht in der Lage war.

Das Aufkommen rechtsextremer Strömungen im KSK wurde weniger als 10 Jahre nach seiner Gründung sichtbar. So erhielt der damalige Bundesverteidigungsminister Struck Morddrohungen, weil er den KSK-Offizier Reinhard Günzel 2003 entlassen hatte, nachdem bekannt wurde, dass dieser ein Holocaust-Leugner war. In den darauffolgenden Jahren wurden die rechtsextremen Tendenzen der KSK-Soldaten weitgehend ignoriert.

Nach dem „Tag X“

In Zusammenhang mit der Thematik bietet es sich an, den Fall Franco Albrecht aus dem Jahr 2017 als Auftakt einer langen Serie von Skandalen im KSK zu markieren. Franco Albrecht, der als Offizier in der Deutsch-Französischen Brigade diente, wurde gefasst, als er, getarnt als syrischer Flüchtling, Anschläge auf exponierte Personen plante, um damit gesellschaftliche Unruhen zu provozieren. Er machte auch als Mitglied des rechtsextremen Netzwerks „Hannibal“ von sich reden. Die rechtsextremen Einstellungen von Franco Albrecht fielen zwar schon 2013 während seines Studiums auf, doch wurden weder wirksame Sanktionen verhängt, noch wurde er strafrechtlich verfolgt, im Gegenteil bekam er gar die Möglichkeit, eine weitere Masterarbeit zu schreiben. Auch wenn die deutsche Justiz das Thema nicht ernst genug nahm, offenbarten die folgenden Ermittlungen in dem Fall doch die Dimensionen der rechtsextremen Strukturen im KSK.

Mit den Erkenntnissen aus den Ermittlungen im Fall Albrecht konnte man nunmehr auch davon ausgehen, dass das insbesondere auf Social-Media-Plattformen organisierte rechtsextreme Netzwerk „Hannibal“ auch innerhalb des KSK aktiv war. Leider konnten diesbezüglich keine ausreichenden Beweise gewonnen werden, da der Zeitpunkt anstehender Durchsuchungen von einem Offizier des Militärischen Abschirmdienstes (MAD) durchgestochen wurde. In diesem Zusammenhang veröffentlichte das Magazin Focus weitere Dokumente aus den Ermittlungen innerhalb des KSK, die beweisen, dass ein Angriffsplan namens Tag X existierte, der darauf abzielte, die Autorität des deutschen Staates zu untergraben und die eigenen politischen Ziele zu verwirklichen, indem man an einem besagten Tag X verschiedene Politiker ermordet. So wurde offenbar, dass Rechtsextreme in der Bundeswehr Waffen unterschlagen und Informationen für diese KSK-geführte Verschwörung gesammelt hatten. Im gleichen Zeitraum wurde auch bekannt, dass KSK-Mitglieder geschmacklose Spiele wie beispielsweise „Schweinekopfdrehen“ organisierten, deren Hauptgewinn eine Prostituierte war, und Partys veranstalteten, bei denen rechtsextreme Symbole zur Schau gestellt wurden.

Waffen und Sprengstoff im Haus eines KSK-Mitglieds

Die bei der Razzia im Haus des aktiven KSK-Mitglieds Phillip S. im Mai 2020 beschlagnahmten Waffen und Sprengstoffe verdeutlichten, dass die Dimension der Bedrohung ein beängstigendes Ausmaß angenommen hat. Philipp S. gab in seiner Vernehmung zu, Sturmgewehre, Munition und Sprengstoff aus dem Inventar der Bundeswehr entwendet und in seinem Garten versteckt zu haben. Im Laufe des Verfahrens wurden mehr als 25.000 Schuss Munition und eine Vielzahl von Handgranaten in den Bestand des KSK zurückgeführt, nachdem man dem KSK-Kommandanten Markus Kreitmayr zugesichert hatte, anonym und straflos zu bleiben. Es ist und bleibt eine beängstigende und nicht zu unterschätzende Möglichkeit, wonach denkbar ist, dass weitere KSK-Mitglieder Teile des KSK-Inventars nach Hause verbrachten und möglicherweise immer noch nicht die gesamte Munition zurückgegeben wurde.

Mitglieder des KSK und MAD, eigentlich eine der gegen den Rechtsextremismus in den Reihen der Bundeswehr zuständigen Institutionen innerhalb der Bundeswehr, kooperierten zeitweise mit Extremisten, wie die Ermittlungen „Tag X" offenbarten, und torpedierten Erkenntnisse über das vollständige Ausmaß der Unterwanderung der genannten Institutionen durch rechtsextrem eingestelltes Personal.

So gut es gemeint sein mag, dass Deutschland seit Juli begonnen hat, eine Lösung für das Problem zu suchen, indem man zunächst die Auflösung von zwei Einheiten des KSK beschloss, so bleiben diese naiv anmutenden Anstrengungen doch wirkungslos, wenn die Bundeswehr nicht von ihrer Apologetik abrückt, die unweigerlich an dunkle Zeiten erinnert, und das Problem nicht an der Wurzel packt. Laut Angaben des MAD gibt es in der Bundeswehr Schätzungen zufolge mehr als 550 Rechtsextremisten, mit einem proportional bemerkenswert hohen Anteil im KSK.

Eine Bedrohung: Warum?

KSK-Mitglieder sind ausgebildete Experten für psychologische Kriegsführung, geschult im Anti-Terror-Kampf und für nachrichtendienstlichen Erkenntnisgewinn, und aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage Aktionen durchzuführen, die als „False-Flags" bezeichnet werden. Mit diesen Fähigkeiten verfügen KSK-Mitglieder über die Möglichkeit, gesellschaftliche Spannungen zu schüren und auch die Lunte für Unruhen zu entzünden, und verfügen darüber hinaus auch noch über die nötige Motivation.

Die Rolle Deutschlands in der EU und das Gewicht der Bundeswehr in einer möglichen vereinigten EU-Armee bergen die Gefahr, dass auch Militärpersonal anderer europäischer Länder radikalisiert werden könnte. Albrechts Verhältnis zu seinen französischen Kameraden in der Deutsch-Französischen Brigade, in der er diente, wurde nie öffentlich untersucht. Stattdessen konzentrierte man sich ausschließlich auf Albrechts Verbindung mit dem Hannibal-Netzwerk innerhalb Deutschlands. Dabei ist es gar nicht weit hergeholt, von einer „ideologischen Pandemie“ zu sprechen, von der alle europäischen Armeen betroffen sind, wie der Fall des Belgiers Jürgen Connings verdeutlicht, der mit Panzerabwehrraketen und erheblichen Mengen an Munition abgetaucht war, wobei das KSK der Ground Zero dieser Pandemie war. Ähnlich wie die deutsche Regierung zeigte auch die belgische, dass sie die rechtsextreme Bedrohung nicht allzu ernst nimmt, da sie Connings, deren Einstellungen bekannt waren, Zugang zu den oben genannten Waffen ermöglicht hatte.

Die Gleichgültigkeit der europäischen Staaten verursacht den schnellen Aufstieg der Rechtsextremen in ihren Armeen. Dies wiederum unterminiert die Sicherheit der Gesellschaften und der staatlichen Institutionen. Denn die Existenz rechtsextremer Elemente in der Armee bedroht zuvorderst die geltenden Verfassungsordnungen der Mitgliedstaaten der EU.

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