Islamfeindlichkeit und Rassismus: YTB ​​hat mit dem NESAM-Projekt ein Internetportal gegen Diskriminierung und Rassismus gestartet. (dpa)
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Der Jahresbericht von Human Rights Watch für Deutschland 2021 macht auf die Zunahme von Straftaten von rechtsextremistisch eingestellten Personen und Gruppierungen aufmerksam, insbesondere bezogen auf den Anstieg von Hasskriminalität mit politischen Motiven 2020. Demnach stiegen die Straftaten gegen Migranten im Vergleich zum Vorjahr um 72 Prozent. Damit haben rechtsextremistische Straftaten wie Gewalt und Hatespeech, insbesondere rassistische Übergriffe, den höchsten Stand seit 2001 erreicht. Folgerichtig konstatierte selbst der damalige Innenminister Horst Seehofer angesichts des Ausmaßes der Bedrohung, dass „rechtsextreme Übergriffe eine der größten Bedrohungen für die Sicherheit Deutschlands“ darstellen. Überdies stuft der Verfassungsschutz die Alternative für Deutschland (AfD) wegen ihrer Verbindungen zu rechtsextremen Gruppen als Verdachtsfall ein. Auch der Leiter der Behörde sieht in der extremen Rechten des Landes die größte Bedrohung für Deutschlands Zukunft und Demokratie.

Entsprechend begann man damit, gegen die Infiltration der Polizei und Sicherheitskräfte durch rechtsextreme Beamte vorzugehen. So wurden im Juni 2021 in Frankfurt 49 Polizisten wegen rassistischer Postings suspendiert und ein Verwaltungsverfahren gegen sie eingeleitet. Dabei stellte sich heraus, dass 16 von ihnen mit der Aufarbeitung des Terrorangriffs in Hanau betraut waren. In diesem Zusammenhang wurden darüber hinaus vier deutsche Soldaten aus einer NATO-Mission in Litauen wegen antisemitischer und rechtsextremer Hass-Postings abgezogen. Dies sind nur einige von vielen Bespielen für die Infiltration von öffentlichen Institutionen durch Personen mit rechtsextremer Gesinnung.

Regulierungen gegen Hatespeech auf Social-Media-Plattformen

Hatespeech oder Hassreden nehmen in allen Medienformen zu, einschließlich Social-Media-Plattformen. In diesem Rahmen werden die 2021 verabschiedeten gesetzlichen Regelungen als wichtiger Schritt angesehen, dagegen vorzugehen. Dementsprechend wurden die vorgesehenen Sanktionen verschärft sowie der Umfang von Hassreden gegen Rasse, Religion, ethnische Herkunft oder weltanschauliche Orientierung erweitert. Beleidigungen und Verleumdungen galten ja bereits in den bestehenden Gesetzen als Straftaten. Äußerungen, die einen Angriff auf die Würde anderer darstellen, waren jedoch nicht klar genug geregelt.

Bewusstsein für die eigenen Rechte und Anzeige von Verstößen

Es ist wichtig, das Bewusstsein dafür zu schärfen, welche Mechanismen zum Schutz vor Diskriminierungen existieren und wie sie von Betroffenen in Anspruch genommen werden können, die selbigen ausgesetzt waren. Konventionen, die international gelten und die auch Deutschland im nationalen Recht verankert hat, sowie Einrichtungen der Zivilgesellschaft schützen Betroffene bzw. bieten Beratung und rechtliche Unterstützung bei Verletzungen ihrer Rechte. Das Wissen um diese Mechanismen zur Geltendmachung von Rechten bei Grundrechtsverletzungen ist besonders wichtig für Arbeitnehmer und Personen mit Migrationshintergrund.

Das NESAM-Projekt (Portal zur Bekämpfung von Hasskriminalität und Diskriminierung) schärft das Bewusstsein für Diskriminierung

Die Beschwerden bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes haben sich 2021 im Vergleich zu 2020 von 4.000 auf 8.000 verdoppelt. Obwohl diese Zunahme von Beschwerden über etwaige Diskriminierungen zunächst einmal negativ erscheint, ist dennoch als positiv anzusehen, dass sich Betroffene mit ihren Beschwerden immer häufiger an die zuständigen Institutionen wenden. Dennoch bilden diese Zahlen, die sich in den Aufzeichnungen niederschlagen, wahrscheinlich nur die Spitze des Eisbergs. Denn es ist unübersehbar, dass Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland, insbesondere während der Pandemie, weiter auf dem Vormarsch sind. Insbesondere Beschwerden, die unter das Gleichbehandlungsgesetz fallen, haben um mehr als 80 % zugenommen. Dabei zählen Themen wie ethnische Zugehörigkeit, Religion, Geschlecht und Weltanschauung zu den Hauptkategorien der angezeigten Diskriminierungen. Auffällig ist insbesondere, dass sich 36,8 % der Beschwerden auf ethnische Diskriminierung beziehen.

In ähnlicher Weise hat der Islam- und migrantenfeindliche politische Diskurs in Deutschland 2021 exponentiell zugenommen. Dennoch ist die Meldequote von Personen, die rassistischen und diskriminierenden Äußerungen ausgesetzt waren, bei den zuständigen Institutionen relativ gering. Auch die Zahl derer, die sich an Institutionen wenden, die Rechts- und Beratungsdienste anbieten, ist geringer als erwartet. Eine weitere bemerkenswerte Erkenntnis ist, dass 43 % der Menschen mit Migrationshintergrund der Meinung sind, dass eine Beschwerde nach Diskriminierungserfahrungen bei den zuständigen Institutionen nichts bringt. An diesem Punkt birgt das NESAM-Projekt des Präsidiums für Auslandstürken das Potential, zu einer bedeutenden Plattform im Kampf gegen Diskriminierungen und Vorurteile zu werden.

Das NESAM-Projekt, das diskriminierende Einstellungen wie rassistische, fremdenfeindliche Hassreden und Islamophobie gegenüber im Ausland lebenden türkischen Staatsbürgern erfassen soll, verspricht diesbezüglich einen wichtigen Dienst zu leisten. Es ermöglicht auf nur einer Seite mit verschiedenen Sprachoptionen den Zugriff auf Leitfäden für nationale und internationale Rechtsmechanismen. Auch weil derzeit nur ein Drittel der Rechtsverletzungen den zuständigen Behörden gemeldet werden, verspricht das Projekt hier eine wichtige Lücke zu schließen. Letztlich spielt die Erfassung jeder Rechtsverletzung eine wichtige Rolle, um künftige Diskriminierungen zu verhindern.

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