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Sowohl Regierungen als auch Unternehmen verwenden immer ausgefeiltere Technologien, um Personen zu erkennen und zu verfolgen. Mit der Covid-19-Epidemie hat dieser Prozess einen wichtigen Wendepunkt überschritten. So können Regierungen heute sowohl mittels Sensoren als auch durch Algorithmen ständig verschiedenste Örtlichkeiten überwachen. Dazu werden Instrumente auf Basis künstlicher Intelligenz verwendet, um Social-Media-Beiträge, Reiseaufzeichnungen und Kriminalitätsstatistiken systematisch zur Verfolgung krimineller Handlungen zu durchforsten und hinsichtlich der deutlich zunehmenden Straftaten bzw. terroristischen Aktivitäten Verdächtige herauszufiltern.

Die EU-Kommission warnt beispielsweise vor Verstößen Chinas bei den zum Einsatz kommenden KI-Anwendungen. Auch das britische Parlament hat Chinas Menschenrechtsverletzungen mittels dieser Technologie scharf kritisiert. Die jüngsten Enthüllungen einer ehemaligen Facebook-Mitarbeiterin über Rechtsverletzungen mittels KI-basierter Technologien haben die Weltöffentlichkeit aufgerüttelt. Der ehemaligen Mitarbeiterin Haugen zufolge hat das Unternehmen die Verbreitung von Hass und Fehlinformationen verstärkt und damit auch zur Stürmung des Kapitols am 6. Januar beigetragen. Sie erklärte, der Algorithmus der zum Einsatz gebrachten künstlichen Intelligenz habe die hasserfüllten Inhalte hervorgehoben und damit die Reaktionen provoziert. Darüber hinaus soll diese Technologie gezielt missbraucht worden sein, weil seitens des Unternehmens befürchtet wurde, Nutzer würden bei Erzeugung ausgewogenerer Inhalte durch einen angepassten Algorithmus weniger Zeit im Facebook-Netzwerk verbringen und damit die Einnahmen des Unternehmens schmälern.

Internationale Menschenrechtsverletzungen nehmen zu

Instrumente auf Basis der KI-Technologie kommen besonders bei Strafverfolgungsbehörden in Angelegenheiten der nationalen Sicherheit zur Anwendung. So soll der vom chinesischen Technologieunternehmen Huawei auf KI-Basis entwickelte sogenannte „Uiguren-Alarm“ mittels Gesichtserkennungstechnologie automatisch Warnungen an die Polizei senden. Obwohl das Unternehmen Huawei dies vehement bestreitet, geht man inzwischen davon aus, dass diese Technologie vom Unternehmen eingesetzt wird. Menschenrechtsaktivisten kritisieren, diese systematische Überwachung von Personen im öffentlichen Raum durch ein ausgeklügeltes Überwachungssystem schränke das Recht auf Versammlungs- und Reisefreiheit sowie insbesondere die Meinungsfreiheit ein.

Ähnliches wird aus Myanmar berichtet. Dass Myanmars Militärjunta seine Fahndungslisten mit Gesichts- und Kennzeichenerkennungssystemen eines chinesischen Technologieunternehmens zum Einsatz brachte, stieß auf internationale Kritik. Hinzu kommt, dass die von Facebook seit 2018 verwendeten KI-Algorithmen in Myanmar nach einer gewissen Zeit Seiten mit gewalttätigen Inhalten hervorhoben und damit als Beispiel für den negativen Aspekt dieser Technologie gelten. Der Guardian berichtet dazu, Facebook habe so Gewalt und Übergriffe gegen die Gegner der Putschisten in Myanmar geschürt, obschon man versprochen hatte, den Missbrauch der Plattform zu verhindern. Aktivisten von Global Witness behaupten, der Facebook-Empfehlungsalgorithmus hindere Nutzer daran, Inhalte anzuzeigen, die eigentlich gegen die Unternehmensrichtlinien verstoßen. Tatsächlich scheint das Unternehmen eine pro-militärische Seite mit gewaltverherrlichenden Inhalten hervorzuheben. Aus diesem Grund wird gefolgert, dass diese Plattform einen Einfluss auf die Eskalation des ethnischen Konflikts sowohl in Myanmar als auch in Äthiopien zu verantworten hat. Denn die Hälfte der Bevölkerung in Myanmar nutzt Facebook aktiv. Daher ist es bedenklich, dass die KI-Algorithmen zu Manipulationen auf dieser wirkungsvollen Plattform führen.

In Buenos Aires prangerte die Beobachtungsstelle für Menschenrechte ein System an das personenbezogene Daten, darunter Fotos von mit Haftbefehlen zur Fahndung ausgeschriebenen Kindern, öffentlich machte. Besonders in der Kritik stand die ungefilterte Weitergabe von Informationen über diese vorgeblich verdächtigen Kinder, weil in dem Land eine Gesichtserkennungssoftware auch in U-Bahn-Stationen zum Einsatz kommt. Dabei hätte man hinsichtlich der angeblichen Mehrfachkriminalität einiger Kinder und der Anfälligkeit des Systems für Tippfehler sowie der Möglichkeit einer Mehrfachzuteilung der nationalen Identifikationsnummer mit dem Risiko von Verwechslungen stutzig werden müssen. Wie sonst sollte ein 3-jähriger wegen schweren Diebstahls gesucht werden?

Bedarf einer internationalen rechtlichen Regelung

Der sich rasant ausweitende Einsatz von Technologien im Alltag, die auf künstlicher Intelligenz basieren, birgt Gefahren. Unternehmen, Länder und Regierungen kommen in die Versuchung, Menschenrechtsstandards zu ignorieren. Dabei ist es müßig zu erwähnen, dass sie vom nahezu rechtsfreien Raum hinsichtlich der Regularien des bestehenden Völkerrechts profitieren. Obwohl Verantwortliche internationaler Organisationen schon lange vor den Folgen dieser Problematik warnen, lässt eine Einigung auf ein neues Regelwerk noch immer auf sich warten. Nicht ohne Grund forderte die für Menschenrechte verantwortliche Repräsentantin der Vereinten Nationen, Michelle Bachelet, ein Moratorium für Systeme der künstlichen Intelligenz, die Menschenrechte einschränken könnten, bis wirksame administrative und rechtliche Mechanismen auf internationaler Ebene verabschiedet werden, und unterstreicht damit die Bedeutung der Thematik. Sie fordert überdies die Beteiligten auf, Verantwortung zu übernehmen, und erklärte, die Folgen einer unbeaufsichtigten und damit unkontrolliert eingesetzten künstliche Intelligenz seien unüberschaubar.

Europäische Kommission macht auf zunehmende Verstöße aufmerksam

Das Weißbuch der Europäischen Kommission zur künstlichen Intelligenz, das von dieser jüngst veröffentlicht wurde, macht mit einer Reihe sicherheits- bzw. ordnungspolitischer Empfehlungen gegenüber den Entwicklern und Nutzern von KI-Instrumenten ebenfalls auf dieses Thema aufmerksam. Entsprechend intensiv diskutiert und entwickelt ein Expertengremium der EU eine Machbarkeitsstudie, um den Weg für eine gesetzliche Regelung des Einsatzes von Technologien der künstlichen Intelligenz zu ebnen. Tatsächlich waren sich nach den Enthüllungen der ehemaligen Facebook-Mitarbeiterin Haugen selbst in den USA, was sonst selten der Fall ist, sowohl Republikaner als auch Demokraten einig, dass es offensichtlich Regelungen für das Unternehmen bedarf. Und obwohl Facebook die Anschuldigungen von Haugen zurückweist, verdeutlicht die Tatsache, dass selbst Facebook neue Regeln für das Internet befürwortet, die Brisanz der Situation. Denn zuletzt wurden die Regularien für das Internet vor 25 Jahren in den USA überarbeitet. Die Gesetzgeber sollten daher dieses Thema nicht den Unternehmen selbst überlassen, sondern entsprechend den Erfordernissen der Zeit Initiative ergreifen.

Selbstverständlich eröffnet der Einsatz künstlicher Intelligenz Chancen, die das Leben in der heutigen Welt erleichtern. Dennoch wäre es falsch, deswegen Menschenrechtsverletzungen in Kauf zu nehmen. Experten zu diesem Thema sind sich einig, dass es eines internationalen Aktionsplans bedarf, der zeitnah zu entwickeln ist. Dennoch sollten zunächst die Verantwortlichen in den einzelnen Staaten die vergleichsweise neuen Technologieplattformen unparteiisch evaluieren und gesetzliche Grundlagen schaffen. In diesem Sinne werden die notwendigen administrativen und rechtlichen Schritte hinsichtlich der Anwendung von künstlicher Intelligenz in Zukunft noch stärker im Fokus der Länder stehen.

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