Das Hauptquartier der „Deutschen Welle“ in Berlin (Reuters)
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Nicht nur die deutsche Regierung, auch die EU-Kommission ist empört. Die Russische Föderation hat am 4. Februar die „Deutsche Welle“ (DW) darüber informiert, dass ihr der weitere Sendebetrieb in Russland untersagt und ihren Mitarbeitern die Akkreditierung als Journalisten entzogen würde. Außerdem werde ein Verfahren zur Einstufung des Mediums als „ausländischer Agent“ eingeleitet. Noch 2019 hatte sich Außenminister Sergej Lawrow gegen eine solche Forderung der Staatsduma verwahrt.

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bezeichnete das Vorgehen als symmetrische Reaktion auf das Sendeverbot von RT DE in Deutschland. Anfang Februar 2022 hatte die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) die Untersagung der „Veranstaltung und Verbreitung des Fernsehprogramms RT DE“ mit dem Fehlen einer medienrechtlichen Zulassung begründet.

DW ist Eigentum des deutschen Staates

Die deutsche Seite fühlt sich in diesem Vorgehen gerechtfertigt. Eine Zulassung nach dem Medienstaatsvertrag sei zum einen von RT in Deutschland nicht beantragt worden, zum anderen dürfe der Staat keine Medien selbst betreiben oder Anteile halten. Dies sei eine Konsequenz aus der Rolle staatlicher Medien im Nationalsozialismus.

Die russische Nachrichtenagentur „Rossija Sewodnja“, zu deren Mediennetzwerk das 2005 als „Russia Today“ gegründete RT mit seinen mehrsprachigen Programmen gehört, ist aber schon von seiner Rechtsform her ein FGUP – ein „Föderales staatliches Unitarunternehmen“.

Allerdings spricht vieles dafür, dass das Verbot expliziter Staatsmedien in Deutschland von seinem Zweck her auf solche des deutschen Staates beschränkt sein müsse. Juristen nennen das „teleologische Reduktion“. Mit der DW betreibt der deutsche Staat ja selbst eine Sendeanstalt, die im Eigentum der BRD steht – wie Rossija Sewodnja in jenem des russischen Staates. Auch das Budget wird jeweils von den Parlamenten beschlossen.

Mit öffentlich-rechtlichem Rundfunk gleichzuhalten?

In Deutschland steht man dennoch auf dem Standpunkt, dass, wenn zwei das Gleiche täten, dies nicht automatisch dasselbe wäre. Die Berichterstattung der 1953 gegründeten DW diene, so das Deutsche-Welle-Gesetz, der „Ermöglichung einer unabhängigen Meinungsbildung“ und sie dürfe „nicht einseitig eine Partei oder sonstige politische Vereinigung, eine Religionsgemeinschaft, einen Berufsstand oder eine Interessengemeinschaft unterstützen“. Insofern sei das Staatseigentum daran eher eine Formalie, inhaltlich entspräche seine Ausgestaltung eher der des öffentlich-rechtlichen Rundfunks im Inland.

Dieser erfüllt einen Grundversorgungs- sowie Programmauftrag als „Sache der Allgemeinheit und als Medium und Faktor der freien Meinungsbildung“. Dabei habe er „Staatsferne“ und „Unabhängigkeit“ zu wahren. Der deutsche Staat ist anders als bei DW auch nicht Besitzer des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, allerdings werden alle wesentlichen Fragen zu Struktur, Auftrag und Finanzierung durch gesetzliche Vorgaben geregelt.

Staatsfern – aber dennoch politisiert

Die politische Realität in Deutschland weist den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als zwar nicht direkt vom Staat gesteuerten, aber stark politisierten Bereich aus, was sich auch in der inhaltlichen Ausrichtung vieler Sendungen widerspiegelt.

Dies war schon in den Jahrzehnten vor dem ersten Auftreten privater Medienstationen der Fall, wobei damals die großen Parteien SPD und CDU/CSU ihre Positionen in Bund und Ländern nutzten, um ihren Einfluss in den Gremien der öffentlich-rechtlichen Sender geltend zu machen.

Im Laufe der vergangenen Jahre haben sich die Gewichte weiter verschoben, wobei die großen politischen Parteien an Einfluss verloren hatten und stattdessen die Grünen und diesen nahestehende Nichtregierungsorganisationen eine immer stärkere Bedeutung erlangten. Mehrere Studien und Umfragen unter Redakteuren oder Volontären des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wiesen eine überwiegende Neigung öffentlich-rechtlicher deutscher Journalisten zu den Grünen nach.

Die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland wurden auf diese Weise zu „Haltungssendern“, deren Privilegien vom Staat garantiert werden und deren Meinungsmacht so groß wurde, dass Kritiker bereits die Gefahr eines „Staats im Staate“ sehen.

Redaktioneller Spielraum staatlicher russischer Auslandssender

In Russland ist die Machtverteilung zwischen Politik und Rundfunk eine etwas andere. In der Duma verfügt die Kreml-nahe Partei über eine klare Mehrheit, die systemische Opposition hat ein gewisses Mitspracherecht und wird ebenfalls nach bestimmten gesetzlichen Vorgaben an der Mitwirkung am öffentlich-rechtlichen Rundfunk beteiligt.

Die entscheidenden Positionen im Medienkonglomerat „Rossija Sewodnja“ haben Personen mit kurzem Draht zum Kreml inne. Was die Ausgestaltung der Inhalte anbelangt, verfügen die Redaktionen – auch jene in Deutschland – über ein recht hohes Maß an Eigenständigkeit.

Gerade beim deutschsprachigen Angebot von RT unterscheidet sich die politische Präferenz des Großteils der Redakteure deutlich von jener der russischen Bevölkerung, wie sie in der Zusammensetzung der Staatsduma zum Ausdruck kommt.

Auch die redaktionelle Linie deckt sich nicht immer mit jener des Kreml. Während etwa die russische Regierung in der Corona-Politik der Schutzimpfung eine wesentliche Rolle in der Bekämpfung der Corona-Pandemie zugedacht hat, ist das deutsche RT-Programm einseitiges Sprachrohr der Impfgegner. Dies ging so weit, dass YouTube infolge der wiederholten ungeprüften Wiedergabe von Falschinformationen über Impfungen sogar beide deutschsprachigen Kanäle von RT dauerhaft gesperrt hat.

Zu Hause für den Status quo – im Ausland für die Revolution

Es fällt sowohl bezüglich der deutschsprachigen Berichterstattung des staatlichen russischen Auslandssenders RT in Deutschland als auch bezüglich jener der öffentlich-rechtlichen DW in Russland auf, dass beide ein waches Interesse an der Stärkung der nicht systemischen Opposition im jeweils anderen Land erkennen lassen.

Während DW in einer von erkennbarer Sympathie geprägten Weise Personen, NGOs oder Künstlern – vom Nationalisten Alexej Nawalny über „Memorial“ bis hin zu „Pussy Riot“ – hohe Aufmerksamkeit schenkt, lässt RT Deutsch diese Kräften zuteilwerden, die ihrerseits für Deutschland eine radikale Umgestaltung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse anstreben. Auch deshalb können Sahra Wagenknecht, explizit russlandfreundliche oder USA-kritische Politiker von Linkspartei und AfD sowie Impfgegner und Corona-Demonstranten bei RT Deutsch auf eine wohlwollende Berichterstattung hoffen.

Im eigenen Land penibel bemühter Hüter des Status quo, im jeweils anderen Sprachrohr revolutionärer Systemkritiker: strategisch ist zwischen dem selbstberufenen „Anti-Putin-Sender“ (laut Intendant Peter Limbourg) DW und dem nach eigenem Selbstverständnis „fehlenden Part“ kein wesentlicher Unterschied zu erkennen.

Symbolpolitische Selbstbestätigung statt pragmatischer Nüchternheit

Es ist im gesamten Kontext des Medienkonflikts einfach zu offensichtlich, dass es weder um formaljuristische Spitzfindigkeiten noch um Medienfreiheit geht, sondern um die Fortsetzung des geopolitischen Konflikts in der Region mit anderen Mitteln.

So wenig die englisch- oder spanischsprachigen Satellitenkanäle von RT ein Publikum erreichen, das weit über jene Bevölkerungsgruppen hinausreicht, die ohnehin schon dessen Narrativ teilen, so wenig wird der russischsprachige Dienst der DW jenseits von russischen Medienkonsumenten wahrgenommen, die sich ohnehin schon der prowestlichen, nichtsystemischen Opposition zurechnen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass RT DE die öffentliche Meinung oder die politischen Mehrheitsverhältnisse in Deutschland entscheidend beeinflussen würde, ist überschaubar – ähnlich wie im Fall des russischsprachigen DW-Programms in Russland. Inhaltlich bietet keiner der Sender Überraschungen oder Erkenntnisse, die in der Lage wären, Weltbilder zu erschüttern. Vielmehr scheinen beide jeweils darauf ausgerichtet zu sein, Menschen in ihrem ohnehin bereits feststehenden, vorgefassten Weltbild zu bestätigen.

Allein schon das würde es als sinnvoll erscheinen lassen, besonnen und souverän mit dem Wunsch von RT umzugehen, auch in Deutschland einen Fernsehsender zu betreiben. Immerhin hatte Russland die DW zuvor ebenfalls über Jahre hinweg gewähren lassen. Am Ende siegte in Deutschland jedoch wieder einmal der Wille zur öffentlich wahrnehmbaren Selbstvergewisserung über nüchternen Pragmatismus.

Dass Russland auf die Untersagung des Sendebetriebs für RT DE mit reziproken Maßnahmen gegen DW reagieren würde, konnte die deutschen Regierungsstellen nicht ernsthaft überraschen. Sich nun über eine vermeintliche Beschränkung der Pressefreiheit zu empören und auf formalen Spitzfindigkeiten herumzureiten, die angeblich das eine rechtfertigten, das andere aber nicht, ist ein höchst durchsichtiges Manöver.

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