Dritter Türkei-Afrika-Partnerschaftsgipfel (Sabah)
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Schon seit Übernahme der Regierungsverantwortung durch die von Präsident Recep Tayyip Erdoğan angeführte AK-Partei 2002 hat die humanitäre Diplomatie ein bedeutendes Gewicht in der türkischen Außenpolitik inne. Ihre Wurzeln reichen aber sogar bis in die Geschichte türkisch-islamischer Gesellschaften zurück.

Jüngstes Beispiel ist die Erklärung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan auf dem Türkei-Afrika-Partnerschaftsgipfel vom 16.-18. Dezember 2021, wonach die Türkei 15 Millionen Impfstoffdosen an den afrikanischen Kontinent spenden und darüber hinaus im Rahmen der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie gemeinsame Produktionsstätten aufbauen will.

Die Spende, die unmittelbar nach der Notfallzulassung des türkischen Impfstoffs Türkovac erfolgen soll, kann als Manifestation des seit Beginn der Epidemie verfochtenen Ansatzes von Präsident Erdoğan betrachtet werden, vorhandenen Impfstoff gerecht unter allen Nationen zu verteilen. Erdoğan teilte seine Sicht der Dinge bereits auf dem im November organisierten Gipfel der Organisation türkischer Staaten der Öffentlichkeit mit.

Die Teilnahme von 16 Präsidenten aus afrikanischen Staaten am Türkei-Afrika-Gipfel, der in diesem Jahr zum dritten Mal – diesmal unter dem Titel „Vertiefte Partnerschaft für Entwicklung und gemeinsamen Wohlstand“ – in Istanbul stattfand, ist ein Indikator für die strategischen Beziehungen, die von der Türkei mit verschiedenen Regionen der Welt gepflegt werden. In der Abschlussrede des Programms fasste Präsident Erdoğan mit den Worten „Wir wollen zusammen gewinnen, gemeinsam entwickeln, zusammen wachsen, das Wohlergehen unserer Bevölkerungen gemeinsam steigern" den in den letzten Jahren global praktizierten und humanitär orientierten Win-Win-Ansatz der Türkei zusammen.

In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Türkei im positiven Sinn von Zivilisationen mit Kolonialgeschichte, da sie sich darauf konzentriert, Beziehungen auf Augenhöhe mit allen Gesellschaften aufzubauen und Formeln zu entwickeln, bei denen beide Seiten gewinnen. Was die humanitäre Hilfe betrifft, so bemüht sich die Türkei, nicht nur in Afrika, sondern im Rahmen ihrer Möglichkeiten überall in der Welt, wo humanitäre Notlagen herrschen, zu helfen. Die markantesten Beispiele hierfür sind die Hilfe für Flüchtlinge im In- und Ausland sowie die Unterstützung von Ländern, die besonders unter der Covid-19-Epidemie zu leiden hatten.

Covid-19-Hilfslieferungen

Die Solidarität der Türkei mit zahlreichen Ländern und Gesellschaften im Kampf gegen die Covid-19-Epidemie wird mit goldenen Lettern ihren Platz in den Geschichtsbüchern einnehmen. Die selbstlose Lieferung von medizinischen Hilfsgütern in rund 160 Länder der Welt, darunter auch westliche Länder wie die USA, Großbritannien, Italien und Spanien, ist ein wichtiges Beispiel dafür, wie humanitäre Diplomatie ausgestaltet werden sollte. Obwohl einige Experten diesen Ansatz, keinerlei Gegenleistungen zu erwarten, nicht als vernünftig einstufen, entspringt er doch den Werten der Gesellschaft und der staatlichen Tradition des Landes.

Die auch in der Vergangenheit gewährte Unterstützung von Gesellschaften in Not und der Einsatz für von Potentaten unterdrückte Völker haben in der Türkei eine lange Historie. So erinnerte der irische Fußballverein Drogheda United nach der Lieferung von türkischen Covid-19-Hilfsgütern auf seinem Twitter-Account an die 3 Schiffsladungen mit Lebensmitteln des Osmanischen Reiches, die Irland angesichts der Hungersnot vor 173 Jahren zur Verfügung gestellt worden waren, und dankte der Türkei öffentlich, auch um deutlich zu machen, dass die guten Taten nicht vergessen werden, mit dem Hinweis, dass sich diese guten Taten in das kollektive Gedächtnis der Völker eingebrannt haben. Dieses Beispiel unterstreicht, dass die türkische Regierung die Kultur der Hilfe für Menschen außerhalb ihrer Grenzen als historisches Vermächtnis versteht. Danksagungen in Form von Videos, die nach der Auslieferung von Covid-19-Hilfsgütern beispielsweise auf Italienisch und Spanisch veröffentlicht wurden, machen den Erfolg der Türkei in puncto humanitäre Diplomatie greifbar.

Nicht ohne Grund wurde die Schutzausrüstung, die zur Unterstützung im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie ausgeliefert wurde, mit folgendem Ausspruch des türkischen Mystikers Mevlana Celaleddin Rumi versehen: „Hinter der Hoffnungslosigkeit warten zahllose Hoffnungen. Hinter der Dunkelheit warten viele Sonnen“, um auszudrücken, dass man den Schmerz aufrichtig teilt.

Natürlich wäre es nicht richtig, die Bemühungen der Türkei bei der humanitären Hilfe auf die Covid-19-Hilfen zu reduzieren. Das Land hat 5 Millionen Flüchtlinge innerhalb seiner Grenzen aufgenommen und unterstützt Bedürftige in verschiedenen Ländern der Welt. In diesem Sinne spielen staatliche Institutionen wie AFAD, Roter Halbmond, TIKA, das Präsidium für Auslandstürken und verwandte Gemeinschaften eine bedeutende Rolle. Diese Einrichtungen versorgen Menschen, die nach Kriegen und Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen mussten, beispielsweise mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und ähnlichen Hilfsgütern. Auch die Unterstützung in den Bereichen Bildung, Gesundheit, Infrastruktur und Sakralbauten sind Bausteine eines ganzheitlichen Ansatzes. Auch deswegen dankt der in Deutschland lebende Angelo der Türkei für ihre Hilfe mit den Worten: „Sie haben gezeigt, dass Sie stark und hilfsbereit sind."

Die von der Türkei unternommenen Schritte auf dem Gebiet der humanitären Diplomatie fanden auch weltweit Anklang, und laut den veröffentlichten Berichten über geleistete humanitäre Hilfe rangiert sie gemessen am Anteil am nationalen Bruttosozialprodukt in den Jahren 2018, 2019 und 2020 im Ländervergleich auf dem ersten Platz. Mit anderen Worten ist die Türkei das Land, das weltweit die meiste Hilfe leistet. Diese Tatsache ist für die Türkei auch in Bezug auf die Länder, die gemeinhin als Supermächte gelten, besonders wertvoll. Folglich ist die Ankündigung von Präsident Erdoğan: "Wir werden 15 Millionen Dosen Impfstoff spenden" auf dem gemeinsamen Gipfeltreffen mit afrikanischen Ländern in Istanbul vom 16.-18. Dezember ein Ausdruck der eigenen Erweiterung des kulturellen und historischen Erbes.

Positives Vermächtnis für die Zukunft

Über das bisher Gesagte hinaus verdeutlicht die aktuelle Situation, insbesondere mit Blick auf die Covid-19-Pandemie, dass mit der Ausweitung der finanziellen Hilfen auch das geographische Gebiet, in dem Hilfe geleistet wird, ausgeweitet wurde. Wurden vor der Covid-19-Pandemie vor allem Regionen mit engeren kulturellen und historischen Beziehungen bedacht, so hat man danach eine Politik der humanitären Hilfe auch für westliche Partner praktiziert. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass die Hilfspakete, bestehend aus medizinischen Hilfsmitteln und Gerätschaften, per Flugzeug in Länder wie die USA, England, Spanien und Italien geschickt wurden, um diesen bei der Epidemiebekämpfung beizustehen.

Die positive Wahrnehmung der Türkei außerhalb ihrer Landesgrenzen bildet langfristig, auch im Sinne der s.g. „Public Diplomacy“, eine fruchtbare Basis für die Entwicklung ihrer internationalen Beziehungen. Dabei bergen die im Rahmen der humanitären Diplomatie geleisteten Auslandshilfen das Potential, ihr Bild außerhalb der Landesgrenzen als humanes, mitfühlendes Land zu festigen, das Ländern und Gesellschaften in Not zur Hilfe eilt. Aus diesem Grund schafft der ganzheitliche Ansatz der Türkei hinsichtlich der Auslandshilfen eine feste Grundlage für kommende Generationen. So gesehen, bietet die Identifizierung der Türkei in der öffentlichen Wahrnehmung mit dem Begriff des „Guten“ eine Perspektive beziehungsweise ein Lösungsrezept für eine aktuell gefühllose und in Bedrängnis geratene Welt.

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