Symbolbild: Windenergie (AP)
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Die neue deutsche Bundesregierung unter Kanzler Olaf Scholz versprach, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu „einem zentralen Projekt“ ihrer Regierung zu machen. Zu den ehrgeizigen Zielen der neuen Regierung gehören die Förderung erneuerbarer Energien und der Kohleausstieg bis 2030, acht Jahre früher als bisher geplant. Bis 2030 sollen 80% der deutschen Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien stammen, heißt es in der Vereinbarung – gegenüber heute rund 40%.

Eine solche Politik würde massive staatliche Investitionen in den Ausbau der Infrastruktur für erneuerbare Energien und die Nachrüstung von Gebäuden zur Verbesserung der Energieeffizienz beinhalten.

Mit den „Renewables Energy Communities“ bekommen Bürger und kleinere Unternehmen die Möglichkeit, sich untereinander selbst zu versorgen oder mit Stadtwerken zusammen eine Energiegemeinschaft zu gründen. BürgerInnen können sich in Energiegemeinschaften aktiv zusammenschließen und gemeinsam Energie dezentral produzieren, nutzen, speichern und verteilen. So werden sie zu Prosumern (producer and consumer), die den Ausbau erneuerbarer Energieträger regional vorantreiben

Können lokale Energiegemeinschaften ein Instrument sein, um die Ziele der erneuerbaren Energien zu erreichen?

Lokale Energiegemeinschaften in Deutschland

Die Zahl der lokalen Energiegemeinschaften in Deutschland steigt von Jahr zu Jahr. BürgerInnen und Gemeinden in Deutschland installieren eigene Erneuerbare Energien-Anlagen und Energiespeichersysteme und sind führend bei der Dämmung von Wohnungen und Gebäuden. Bürgerenergie hat das Potenzial, die Energiewende zu beschleunigen, gerechter zu machen und stärker am Gemeinwohl auszurichten.

Die Energiegenossenschaft Starkenburg ist eine davon. Die Windkraftanlage der Energiegenossenschaft Starkenburg versorgt 1100 Häuser im Umland mit Strom. Auch der Energiebedarf für Elektrofahrzeuge wird mittels dieser Windkraftanlage gedeckt. Eines unterscheidet diese Windkraftanlage von anderen: Sie ist im Besitz von Bürgern. Die Energiegenossenschaft Starkenburg wurde im Dezember 2010 in Heppenheim gegründet. Zur Genossenschaft gehören zahlreiche Solarenergieanlagen, Windkraftanlagen und Bioenergieanlagen. Mit über 1.000 Mitgliedern fördert die Energiegenossenschaft Starkenburg als unabhängige und überparteiliche Bürgergenossenschaft den Ausbau der erneuerbaren Energien in der Region Starkenburg. Der Zweck solcher Energieverbände ist es, Bürgerenergie zur zentralen Säule einer erneuerbaren, regionalen und unabhängigen Energieversorgung machen.

Durch die neue EU-Richtlinie, die Einzelpersonen und Gemeinden seit neuestem das Recht gibt, selbst Energie zu erzeugen, zu speichern, zu verbrauchen und zu handeln, erhält die Bürgerenergie-Bewegung einen enormen Schub. Da eine reine Gewinnerzielungsabsicht bei einer Energy Community laut EU-Direktive nicht zulässig ist, geht es vorrangig um Vorteile für die Gruppe – oder die Umwelt.

In Deutschland gibt es unter den Namen Bürgerenergiegesellschaft, Energiegenossenschaft, Regionalstrom, Community-Strom, Quartiers- und Nachbarschaftsstrom bereits verschiedene Konzepte der gemeinsamen Stromproduktion oder des geteilten Stromverbrauchs.

Bürgerenergie-Erzeugung in Europa hat riesiges Potenzial

Für eine erfolgreiche Energiewende in Europa spielen die Bürger und Bürgerinnen eine Schlüsselrolle.

In Deutschland befinden sich die erneuerbaren Energien immer noch zum größten Teil in der Hand von Privatpersonen, wie aus einer neuen Studie des Instituts trend:research hervorgeht. Fast ein Drittel der installierten Leistung von Anlagen zur Stromerzeugung aus Wind-, Solar- und Bioenergie sowie aus Wasserkraft und Erdwärme befindet sich in deren Eigentum. Nimmt man LandwirtInnen hinzu, sind es sogar mehr als 40%.

Diese lokalen Initiativen müssen nicht nur kooperativ sein. Im Vereinigten Königreich zum Beispiel haben diese Unternehmen eine separate Kategorie als „Unternehmen zum Wohle der Gesellschaft“, was bedeutet, dass sie als Unternehmen agieren können, aber einen erheblichen Teil ihrer Gewinne für das soziale Wohl ausgeben.

Repowering in Großbritannien ist eine davon. Dieses lokale Unternehmen in Form der „Community Interest Company (CIC)“ installiert mit finanzieller Unterstützung der Bevölkerung Solaranlagen an geeigneten Orten. Jeder, der sich im System anmeldet, hat eine Stimme. Als Gegenleistung für seine Investition erhält man am Jahresende einen Gewinn in Form einer Aktie. Ein Teil der Einnahmen geht an die Aktionäre, ein anderer Teil an die Gehälter derer, die im Unternehmen arbeiten. Der verbleibende Gewinn wird mit den Stimmen der Mitglieder für Projekte zum Wohle des Vereins verwendet. Dazu gehören Aktivitäten wie das Anbieten bezahlter Praktikumsmöglichkeiten für junge Menschen in der Region, um Beschäftigungsmöglichkeiten zu schaffen, die Häuser sozial schwacher Familien zu verputzen und den Bedarf der Schule in der Region zu decken.

Gemeinschaftlich unterstützte Energieerzeugungssysteme sind in Dänemark eine etablierte Kultur. Ihre Geschichte reicht bis in die 1970er Jahre zurück. Die Gemeinschaften, die dänische Familien zusammenschließen und vor Ort gründen, konzentrieren sich in der Regel auf Windkraftanlagen, wobei die Anzahl der Windkraftanlagen im Besitz der Genossenschaften in der Regel zwischen 1 und 10 variiert.

In Dänemark gab es Hunderte von Windkraftanlagen im Besitz von 100.000 Familien. Auch 86% der heutigen Windkraftanlagen gehören diesen Familien. Der Grund dafür ist ein interessantes Gesetz: Mindestens 20% der Anteile neuer Windenergieprojekte müssen Bürgern angeboten werden.

Auch neue Technologien zur Energieverteilung und -speicherung machen diesen Wandel so einfach wie nie zuvor.

Eine kürzlich durchgeführte Studie ergab, dass die Hälfte der EU-BürgerInnen – einschließlich der örtlichen Gemeinden, Schulen und Krankenhäuser – bis 2050 ihren eigenen erneuerbaren Strom produzieren und damit 45% ihres Energiebedarfs decken könnten.

Demokratisierung der Energieversorgung

Wenn wir den Klimanotstand wirklich angehen wollen, müssen wir die Anzahl und Vielfalt von Räumen für sinnvolles demokratisches Engagement erhöhen. Das bedeutet nicht nur Einbeziehung der Menschen in Regierungsentscheidungen, sondern Schaffung und Finanzierung von Räumen, in denen Bürger (zusammen mit Regierungsakteuren und Social-Business-Initiativen) bei der Bereitstellung radikaler Alternativen zusammenarbeiten können.

Lokale Energiegemeinschaften in Deutschland zeigen, dass innovative Ansätze zur Eigentums- und Managementstruktur von Energieversorgungsunternehmen möglich sind und Kommunen eine wichtige Rolle im Energiewendeprozess spielen können.

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