EU-Kommission und Europäisches Parlament haben eine Einigung zum Gesetz über Digitale Märkte erzielt. (dpa)
Folgen

Im rechtlichen Sinne umfasst eine Regulierung alle Maßnahmen und Aktivitäten, die einen Sektor oder den entsprechenden Markt kontrollieren und regeln sollen. In diesem Sinne wird der Digitalsektor dafür kritisiert, grundsätzlich keiner Regulierung zu unterliegen. Die nicht wettbewerbsfördernde, auf wenige Unternehmen beschränkte Struktur des Sektors und die enormen Gewinne, um die es letztlich auch geht, haben die in diesem Sektor aktiven Unternehmen unermesslich stark und zu Kartellen gemacht.

Obwohl die Europäische Union in der Vergangenheit immer wieder Rekordstrafen gegen diese Unternehmen verhängt hat, haben diese ihre Macht weiter ausgebaut und den geschlossenen Charakter der Digitalbranche gefestigt. Die immer mächtiger werdenden Unternehmen der Branche, die praktisch ohne Konkurrenz sind, ebnen den Weg zu einer digitalen Diktatur. Zwar kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht erwarten, dass mit dem DMA das Ende dieser digitalen Diktatur eingeläutet werden könnte, doch lässt sich mit Fug und Recht behaupten, dass die Macht der betreffenden Unternehmen zumindest geschwächt wird.

Begründung für das Gesetz über digitale Märkte (DMA)

Das DMA fußt in erster Linie auf der Prämisse, dass die digitale Welt nach wie vor für einen gesunden Wettbewerb verschlossen ist, da eine kleine Anzahl mächtiger Unternehmen in der digitalen Welt verstärkt die Rolle von „Wächtern“ für Transaktionen zwischen zahllosen Firmen und Endkunden übernehmen. Die Rolle eines „Aufpassers“ der Digitalkartelle erscheint als unbestreitbar negativster Aspekt für die Verhinderung des Aufbaus eines funktionierenden Marktes. Bei der Begründung für das DMA wird entsprechend darauf verwiesen, dass die nationalen Regulierungsinitiativen der einzelnen Mitgliedstaaten nicht die gewünschten Ergebnisse gebracht haben und deswegen ein übergeordnetes Eingreifen erforderlich geworden sei.

Neuerungen des Gesetzes über digitale Märkte

Mit dem DMA soll es den großen Unternehmen der Branche erschwert werden, kleinere Mitbewerber oder etwa Start-ups, die gerade erst mit ihren Aktivitäten beginnen, einfach zu übernehmen. Auf diese Weise soll zum einen der Wettbewerb gesichert und darüber hinaus der Weg für technologische Innovationen geebnet werden. Überdies soll mit dem DMA verhindert werden, dass etwa Suchmaschinen die zu ihnen gehörenden Unternehmen hervorheben und die großen Technologieunternehmen etwaige von einem zu ihrem Konglomerat gehörenden Unternehmen gesammelte Daten nur zugunsten ihrer eigenen kommerziellen Aktivitäten verwenden.

Mit dem DMA soll es zudem einfach möglich sein, die angebotenen Kerndienste der als „Wächter“ titulierten großen Technologieunternehmen in Anspruch zu nehmen wie auf selbige nach eigenem Belieben zu verzichten. Ebenso sollen die Unterrichtung der Europäischen Kommission über Unternehmensfusionen und -übernahmen obligatorisch gemacht sowie Maßnahmen ergriffen werden, um die Kompatibilität zwischen den Grundfunktionen von Instant-Messaging-Diensten zu gewährleisten, die von wenigen großen Unternehmen angeboten werden, und Aktivitäten kleinerer Anwendungsentwickler und Unternehmen, die ihre Dienste im Internet anbieten, zu erleichtern.

In diesem Zusammenhang zielt das DMA darauf ab, Verbrauchern einen faireren und wettbewerbsoffeneren digitalen Markt zu gewährleisten. Im Gültigkeitsbereich des DMA sollen vergleichsweise kleinere Unternehmen im Bereich des digitalen Handels leichter konkurrieren, was dann wiederum zu positiven Entwicklungen sowohl in Bezug auf die Servicequalität, die Produktpreise und die Verwendung personenbezogener Daten führen wird. So soll der digitale Verbraucher mit zunehmendem Wettbewerb in die Lage versetzt werden, letztlich selbst zu entscheiden, welchen Dienst er von welchem Anbieter in Anspruch nehmen will.

Kann das DMA der digitalen Diktatur abhelfen?

In einem Umfeld, in dem sich das Verbraucherverhalten selbst nicht ändert, erscheint es nur schwer möglich, der digitalen Diktatur allein mit rechtlichen Regulierungen beizukommen. Umso mehr ist die Initiative von EU-Kommission und Europaparlament im Sinne eines „Kampfes gegen die digitale Diktatur“ zu würdigen, da man vormals die Aktivitäten großer Technologieunternehmen und deren wachsenden Einfluss als Grad der „Demokratisierung“ betrachtete und quasi den Weg für die Verbreitung der von diesen Unternehmen erbrachten Dienstleistungen ebnete. Wenn sich diese Entwicklungen bei der Europäischen Union auch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte widerspiegeln, werden Demokratien einen großen Beitrag geleistet haben, um einem Missbrauch unserer Werte durch digitale Diktaturen Einhalt zu gebieten.

Ebenso ist aber auch offensichtlich, dass die bloße Verhinderung des laufenden Wachstums dieser großen Technologieunternehmen allein nicht ausreichen wird, um die drohende digitale Diktatur zu bekämpfen. Das DMA ist darauf ausgelegt, den gewerblichen Bereich zu regeln, und verspricht im Kontext politischer Einflussnahme und Desinformation keine Lösungen hervorzubringen, selbst wenn es das digitale Umfeld für den Wettbewerb öffnet und es Nutzern ermöglicht, von ihrem Wahlrecht als Verbraucher Gebrauch zu machen. Die entsprechenden Plattformen bleiben auch weiterhin politisch instrumentalisierbar. Mit der anstehenden Ausweitung des Wahlrechts von Nutzern erhöhen sich insbesondere für Technologieunternehmen, die respektvoller und zurückhaltender mit personenbezogenen Daten umgehen, die Chancen, sich im Wettbewerb zu behaupten. Ebenso werden Einzelpersonen besser vor der Manifestation der digitalen Diktatur, also den großen Technologieunternehmen, geschützt.

Daher ist das DMA eine wichtige und positive Entwicklung, auch wenn es kein absoluter Heilsbringer ist. Dank DMA können Nutzer im digitalen Umfeld, das endlich für den Wettbewerb geöffnet werden soll, real zwischen Anbietern wählen und solche Unternehmen bevorzugen, die nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern auch in Bezug auf sensiblen Umgang mit personenbezogenen Daten attraktivere Angebote bieten. Entsprechend können technologische Innovationen und eine weitere Öffnung des Wettbewerbs sichergestellt werden, wenn große Technologieunternehmen regulatorisch daran gehindert werden, vergleichsweise kleinere Mitbewerber unkontrolliert zu übernehmen. Dennoch ist es wichtig, noch einmal zu unterstreichen, dass ein DMA allein nicht ausreichen wird und es unerlässlich erscheint, dass global umfassendere Vorschriften eingeführt werden.

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