Das neue Buch des Kommunikationsdirektors des Präsidenten, Fahrettin Altun, wurde veröffentlicht (AA)
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Die in den letzten Jahren vorgetragenen türkischen Vorschläge zur Reform des internationalen Systems, ihr verstärktes humanitäres Engagement sowie die Resultate ihrer Interventionen in Konfliktgebieten geben konkrete Anhaltspunkte dafür, wie Stabilität gewährleistet werden kann.

In Bezug auf die internationale Stellung der Türkei wurden bisher Begriffe wie „Makler-Staat“, „Peripherer/Semi-peripherer Staat“, „regionale Macht“ oder „Mittelmacht“ verwendet. Prof. Fahrettin Altun hingegen bezeichnet in seinem Buch „Die Türkei als stabilisierende Macht in Zeiten des Aufruhrs“ diese nunmehr als „stabilisierende Macht“. Dieser neue Oberbegriff speist sich nicht mehr aus ihrem Potenzial oder dem geopolitischen Standortvorteil, sondern insbesondere aus der positiven Nutzung ihrer Möglichkeiten. Eine Analyse der aktuellen Lage in der Weltpolitik und der von der Türkei eingeleiteten Schritte in der Außenpolitik bilden den Rahmen des Buches.

Anatomie der Instabilität

Die Vereinten Nationen und ihre internationalen Institutionen, die wichtigsten Säulen der globalen Politik, wurden gegründet, um Konflikte und Instabilität zu minimieren. Inzwischen ist es jedoch unumstrittene Realität, dass die derzeitige Ordnung weit vom Anspruch und den Versprechungen der UN in Bezug auf grundlegende Ziele wie Sicherheit, Stabilität und Frieden entfernt ist. Das derzeitige Bild, das sich schon während des Kalten Krieges und danach abzeichnete, offenbart eine einfache Wahrheit, nämlich dass trotz einer optimistischen Rhetorik und anderslautenden Versprechungen die moderne internationale Politik immer noch den Interessen globaler Akteure unterworfen ist. Dabei sind Institutionen des internationalen Systems nur so wirksam bzw. wirkungslos, wie sie Teil bzw. Partei eines Interessenkonflikts sind. Und leider spielt sich Politik nicht in der Sphäre von Verheißungen und Versprechen ab, sondern in der Wirklichkeit selbst. Mit anderen Worten: Sowohl Krieg und menschliche Tragödien als auch Kooperation und die gerechte Umverteilung des Wohlstands sind das Ergebnis der konkreten Handlungen der Akteure, nicht deren Versprechen.

Dies macht es auch unumgänglich, dass die Zahl der Flüchtlinge weltweit auf 80 Millionen gestiegen ist und die Zahl der in Armut lebenden Menschen die Schwelle von 730 Millionen überschritten hat. Auch wächst die Ungleichheit beim Zugang zu menschlichen Grundbedürfnissen wie Bildung und Gesundheitsversorgung von Tag zu Tag.

Herausragende Stellung der Türkei

Es scheint, dass eine Welt ohne Konflikte und mit dauerhafter Stabilität kaum möglich ist. Nichtsdestotrotz können Visionen und Politikkonzepte von Staaten die Folgen von Konflikten entweder vertiefen oder entschärfen, zumindest jedoch mildern. Die in den letzten Jahren vorgetragenen türkischen Vorschläge zur Reform des internationalen Systems, ihr verstärktes humanitäres Engagement sowie die Resultate ihrer Interventionen in Konfliktgebieten geben konkrete Anhaltspunkte dafür, wie Stabilität gewährleistet werden kann. In diesem Sinne ist zu konstatieren, dass die Türkei, deren humanitäre Diplomatie, Auslandshilfen und Vermittlungsbemühungen zur Verhinderung und Befriedung von Konflikten ein bemerkenswertes Niveau erreicht haben, an einem außergewöhnlichen Punkt angekommen ist. So ist die Türkei in den Jahren 2017 und 2018 zum einem der führenden Staaten in puncto Entwicklungshilfe aufgestiegen. Hinzu kommen weitere Faktoren, etwa die Tatsache, dass sie fast fünf Millionen Flüchtlinge beherbergt, eine Diplomatie betreibt, welche die Sicherheit von vier Millionen in Idlib eingeschlossenen Menschen gewährleistet, und versucht, ihnen ein Mindestmaß an Lebensstandard zu ermöglichen, sowie an mehr als hundert Länder spendet und während der Anfangsphase der Pandemie strategisch bedeutende Hilfsgüter verteilt hat.

Erdoğans Aufruf für eine gerechtere Welt

Hinzu kamen die Appelle des türkischen Präsidenten Erdoğan wie etwa: „Die Welt ist größer als fünf“ oder „Eine gerechtere Welt ist möglich“, die er zur Etablierung eines funktionsfähigen Systems auf unterschiedlichsten Plattformen auf internationaler Ebene vorbrachte und die hinsichtlich der angeprangerten strukturellen Mängel bzw. Ungleichheiten in der UNO für viel Aufmerksamkeit sorgten. Konkret schlug er die Erweiterung des UN-Sicherheitsrates gemäß neuer, von der Vollversammlung festzulegender Kriterien vor und unterstrich insbesondere vor dem Hintergrund aktueller humanitärer Tragödien die Notwendigkeit, die Institution effektiver auszugestalten.

In jedem der von Prof. Altun in seinem Buch angeführten Beispiele wird deutlich, dass die türkischen Vermittlungsversuche und Interventionen darauf abzielen, Stabilität herzustellen. So ist sie seinerzeit bei der Umsetzung des Annan-Plans in Zypern ihrer Verantwortung nachgekommen. Die Entwicklungen der letzten Jahre haben jedoch auch deutlich gezeigt, dass Griechenland mit seinen rechtswidrigen Schritten in der Ägäis und ebenso die griechisch-zypriotische Regierung im östlichen Mittelmeer sich eben dieser Verantwortung entzogen haben.

Auch war es die Türkei, die lange Zeit versuchte, den Bürgerkrieg in Syrien zu verhindern und alle Anstrengungen unternahm, um die Folgen der durch den Bürgerkrieg verursachten humanitären Tragödie zu lindern. Ihren Kampf gegen terroristische Bedrohungen in der Region verfolgte sie ebenfalls im Rahmen des geltenden internationalen Völkerrechts. Sie unterstützte darüber hinaus den Wiederaufbau und gewährleistete die Sicherheit in vom Terror befreiten Zonen als Voraussetzung für die Stabilisierung der Region. In diesem Sinne genügt ein Blick auf die Sicherheitslage in den Gebieten, die von der Türkei vom Terrorismus gesäubert wurden auf der einen Seite, und auf die Gebiete, in denen die USA, Russland, der Iran und sogar das Assad-Regime militärisch interveniert haben, auf der anderen Seite.

Die Strategie der Türkei in der Libyen-Krise verhinderte, dass das Land in der Gewaltspirale eines weiteren Bürgerkriegs versank und erneut in eine Zeit der Diktatur zurückfiel. Die Ende 2020 unterzeichneten Abkommen der Türkei mit der legitimen libyschen Regierung legten den Grundstein für eine Politik des Interessenausgleichs zwischen der Türkei und Libyen und verhinderten, dass der Konflikt im östlichen Mittelmeer weiter eskaliert. Dank der Unterstützung der Türkei für Libyen sind jetzt Wahlen und damit die Perspektive für politische Stabilität wieder in greifbarer Nähe.

Der aktuelle Aufstieg der eurozentrischen extremen Rechten und die damit einhergehende wachsende Islamophobie belastet nicht nur die Regierungen, sondern auch das Verhältnis von Staat und Gesellschaft. Längst spiegelt sich dieser Aufstieg der Islamophobie und der extremen Rechten auch in der Außenpolitik wider. In diesem Sinne birgt die islamfeindliche Rhetorik, die sich immer mehr auch in physischen Angriffen auf muslimische Minderheiten und deren Einrichtungen manifestiert, die Gefahr, dass die gesamte islamische Welt zum Feindbild erklärt wird.

Prof. Fahrettin Altuns Buch unterstreicht die stabilisierende Rolle der Türkei, die für eine „gerechtere Welt“ eintritt, und bemüht sich, diesen Ansatz zu konzeptualisieren. Gleichzeitig ist es auch ein Appell zur Anerkennung der Beiträge und Anstrengungen der Türkei für Stabilität in weiten Teilen der Welt, von Syrien bis Libyen, von Afrika bis Zypern. Die aktuellen Bemühungen der Türkei angesichts der schwelenden Ukraine-Krise sind ein weiteres Beispiel für Prof. Altuns Konzeptualisierung.

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