Türkische Gastarbeiter an einem Bahnhof / Foto: DPA (dpa)
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Das Jahr 2024 markiert in den Beziehungen zwischen Türkiye und Österreich zwei bedeutsame Jubiläen. Das erste ist der hundertste Jahrestag des am 28. Januar 1924 unterzeichneten Freundschaftsvertrags zwischen der Republik Österreich und der Republik Türkiye, der die Einrichtung diplomatischer Beziehungen auf Basis der Prinzipien des internationalen Rechts besiegelte. Das zweite wichtige Ereignis ist das sechzigjährige Bestehen des türkisch-österreichischen Abkommens zur Arbeitsmigration.

Türkisch-österreichische Beziehungen und Freundschaftsvertrag

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Türkiye und Österreich begannen etwa 160 Jahre nach Gründung des Osmanischen Reiches. Die historischen Beziehungen zwischen Türkiye und Österreich sind insbesondere durch militärische Konflikte zwischen dem Osmanischen Reich und der Habsburgermonarchie im 16. und 17. Jahrhundert geprägt. Die beiden damaligen Großmächte standen sich vor Wien und in verschiedenen Regionen des Balkans gegenüber. Diese Konflikte waren entscheidende Faktoren, die das Machtgleichgewicht zwischen den beiden Imperien bestimmten.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden diplomatische Beziehungen zwischen dem Osmanischen Reich und der österreich-ungarischen Monarchie aufgebaut. Diese Beziehungen, die zunächst von gegenseitigem Wettstreit geprägt waren, wandelten sich im Ersten Weltkrieg zu einer Allianz. Osmanische und österreichische Truppen kämpften gemeinsam an der Galizienfront. Diese Allianz wurde 1924 mit dem „Freundschaftsvertrag“ zwischen der Republik Türkiye und der Republik Österreich gefestigt.

Abkommen zur Arbeitsmigration

Das am 15. Mai 1964 in Wien unterzeichnete Abkommen zur Arbeitsmigration zwischen Türkiye und Österreich war nur eines von 13 derartigen Abkommen, die Türkiye unterzeichnete. Das erste wurde am 30. Oktober 1961 mit Westdeutschland geschlossen. Diesem folgten weitere Abkommen zur Arbeitsmigration mit anderen westeuropäischen Ländern und Australien. Zehntausende Türken, die nach Österreich migrierten, um dort zu arbeiten, hinterließen sowohl in Österreich als auch in Türkiye wichtige und langfristige Auswirkungen. Türkische Arbeiter, die ursprünglich geplant hatten, nach einer Weile nach Türkiye zurückzukehren, begannen in den 1970er Jahren, ihre Familien nach Österreich zu bringen und sich dauerhaft dort niederzulassen.

Mit der dauerhaften Niederlassung türkischer Arbeiter entstanden verschiedene soziale und humanitäre Herausforderungen. An erster Stelle standen der Bedarf an Moscheen für türkische Arbeiter, Schulen für türkische Kinder, zivilgesellschaftliche Organisationen für die soziale Interaktion der Arbeiter und dauerhafte Wohnungen für türkische Arbeiter. Darüber hinaus wurden zwei sehr wichtige Konzepte diskutiert: Integration und Assimilation. Während die Türken ihrerseits versuchten, ihre Traditionen und Kultur in Österreich zu bewahren, wurden sie von der österreichischen Politik zeitweise der mangelnden Integration beschuldigt. In Zeiten des Aufstiegs der extremen Rechten waren sie Assimilationsdruck ausgesetzt. Während diese Diskussionen andauerten, erreichte die Anzahl der in Österreich lebenden Türken etwa 300.000. Heute bilden Türken einen unverzichtbaren sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Teil Österreichs.

Gründe für die Arbeitsmigration aus Türkiye ins Ausland

Die Gründe für die Arbeitsmigration von Türkiye ins Ausland lagen in den 1960er und 1970er Jahren hauptsächlich in der Arbeitslosigkeit und den niedrigen Einkommen in Türkiye. Nach dem Militärputsch von 1980 kamen politische Gründe hinzu. Die instabilen Regierungen der Mehrparteienkoalitionen in Türkiye führten zu unzureichender wirtschaftlicher Entwicklung, hohen Arbeitslosenquoten und niedrigen Einkommensniveaus. Diese Situation drängte viele türkische Bürger dazu, im Ausland bessere Lebensbedingungen und Arbeitsmöglichkeiten zu suchen.

Integration und wirtschaftliche Interaktion

Aus der Perspektive der wichtigsten Elemente des Integrationskonzepts – Sprache und Bildung – ist ersichtlich, dass die in Österreich lebende neue Generation der Türken sowohl Deutsch als auch Türkisch sehr gut spricht. Man begegnet heute in Österreich häufig erfolgreichen türkischen Schülern im Bildungssystem. Darüber hinaus lässt sich beobachten, dass Kinder der ersten Generation von Arbeiterfamilien in Berufsfeldern wie Recht, Medizin und Ingenieurwesen Karriere machen.

Aus wirtschaftlicher Sicht nimmt die Zahl der türkischen Arbeitgeber in Österreich von Tag zu Tag zu. Türkische Unternehmer in Österreich sind hauptsächlich in Sektoren wie Gastronomie, Bauwesen und Einzelhandel tätig, und ihre Aktivitäten sind überwiegend auf kleine und mittelständische Unternehmen ausgerichtet. Die Zahl der Unternehmen in Österreich, die türkischen oder türkischstämmigen österreichischen Bürgern gehören, hat 12.000 überschritten, fast die Hälfte davon in Wien ansässig. In diesen Unternehmen arbeiten auch viele Österreicher und Menschen aus anderen Nationen. Das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern beläuft sich auf etwa 4 Milliarden Dollar.

Aktive Außenpolitik von Türkiye für die türkische Gemeinschaft im Ausland

Seit 2002 ist Türkiye unter den AKP-Regierungen in einen wichtigen Entwicklungsprozess eingetreten und hat seine Wirtschaft sehr schnell ausgebaut. Gleichzeitig wurden nach und nach umfassende Politikkonzepte für die seit Jahrzehnten vernachlässigten im Ausland lebenden Türken umgesetzt. An deren Spitze steht das Präsidium für Auslandstürken und verwandte Gemeinschaften (YTB). Das YTB organisiert Programme wie Stipendien für im Ausland lebende Türken, Türkischkurse, kulturelle Mobilität und Literaturzeitschriften und kümmert sich um die Probleme der Türken. Es bemüht sich zudem um kulturelle Aktivitäten und die Integration der Türken in die Länder, in denen sie leben. In der Regierungspartei AKP in Türkiye gibt es auch türkische Abgeordnete aus Deutschland. Dies führt zu einer aktiveren Politik für im Ausland lebende Türken.

Zwischen Wien und Ankara: Der aktuelle Stand der bilateralen Beziehungen

Die Beziehungen zwischen Österreich und Türkiye, die eine reiche historische, kulturelle und wirtschaftliche Vergangenheit haben, können zeitweise angespannt sein, zeigen jedoch in jüngster Zeit eine positive Entwicklung. Einer der Hauptgründe dafür ist, dass die rechtsextreme FPÖ in den letzten Jahren nicht mehr Teil der österreichischen Regierung ist. Die jüngsten Gespräche zwischen den Staatschefs beider Länder und der Besuch des österreichischen Bundeskanzlers Karl Nehammer in Türkiye – der erste österreichische Kanzler, der Türkiye seit etwa 20 Jahren besucht – zeigen den positiven Verlauf der Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Die starke Opposition Österreichs gegen die EU-Mitgliedschaft von Türkiye bleibt jedoch ein unverändertes Problem in den bilateralen Beziehungen.

Zukunftsperspektive der Türken in Österreich

Die Zukunft der in Österreich lebenden türkischen Gemeinschaft ist eng mit der Außenpolitik von Türkiye und der zunehmenden politischen und wirtschaftlichen Aktivität türkischer Bürger verbunden. Die aktiven Bemühungen von Türkiye, die Rechte ihrer im Ausland lebenden Bürger zu schützen und zu stärken, tragen dazu bei, dass sich die türkische Gemeinschaft in Österreich sicherer fühlt. Die türkische Gemeinschaft in Österreich hat eine bedeutende Position im sozialen Leben, in der Politik und der Wirtschaft des Landes eingenommen und ist ein untrennbarer Teil Österreichs geworden.

Allerdings würde eine Änderung der negativen Haltung Österreichs gegenüber der EU-Mitgliedschaft von Türkiye die Beziehungen zwischen den beiden Ländern und damit auch die türkische Gemeinschaft in Österreich positiv beeinflussen. Eine positivere Haltung Österreichs gegenüber Türkiye würde dazu führen, dass sich die türkische Gemeinschaft in Österreich stärker in das Land integriert. Eine konstruktive Politik Österreichs, die rechtsextremen Diskursen keinen Raum gibt und die Zusammenarbeit und das gegenseitige Verständnis zwischen den beiden Ländern fördert, würde die kulturellen und sozialen Bindungen der türkischen Gemeinschaft in Österreich mit dem Land stärken.


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