„Modest Fashion“ – Trend entwickelt sich zum Teil der Modeindustrie (LIA)
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Von Feride Tavus


„Modest Fashion“ krempelt die Modewelt um. Muslimische und auch jüdische Frauen tragen bedeckte Kleidung – und das nicht nur aus modischen Gründen. Sie bringen damit auch ihre religiöse Haltung zum Ausdruck. Doch es handelt sich nicht nur um einen Trend – dahinter steckt ein Megageschäft. Laut dem Jahresbericht zur islamischen Wirtschaft des Medienkonzerns Thomson Reuters soll der Umsatz mit „Modest Fashion“ bis 2023 auf geschätzte 326 Milliarden Euro steigen.

Sara Naggar hat vor sieben Jahren begonnen, Mode für Frauen zu designen, die sich traditionell kleiden und dennoch nicht auf Mode verzichten wollen. In Rüsselsheim gründete Naggar ihr Fashion-Label „LIA“. Im Interview mit TRT Deutsch erklärt die Designerin mit syrischen Wurzeln, was es mit dem Trend von „Modest Fashion“ auf sich hat.

Was bedeutet „Modest Fashion“?

Modest Fashion ist für alle Frauen, die sich bedeckter kleiden möchten. Das bedeutet, das zum einen dabei weniger Haut gezeigt wird, aber auch die Körperbetonung wird bedeckt. Gerade für die Modeindustrie hat das Thema Modest Fashion in den letzten Jahren stärker an Bedeutung gewonnen, da Modest Fashion die „Regeln“ der Bedeckung mit Fashion Trends kombiniert und beides miteinander verknüpft.

Hat sich der Modestil der Frauen in den vergangenen Jahren verändert?

Ja, absolut. Wir beobachten, dass Frauen mehr Wert auf ihre Kleidung und Modetrends legen. Sie gehen mit dem Thema Mode bewusster um. Gerade durch Social Media und dem Zugang zu Medien wird dies nochmal bestärkt.

Sara Naggar (LIA)

Ist „Modest Fashion“ nur für gläubige, muslimische Frauen gedacht? Nein, Modest Fashion ist an alle Frauen gerichtet, die sich bedeckter kleiden möchten. Es gibt so viele Frauen, die nicht muslimisch sind, aber sich beispielsweise einfach in Skinny Jeans nicht wohl fühlen und stattdessen zu Wide-Leg Hosen zurückgreifen. Oder sich in cropped-Tops – also kurze Oberteile – unwohl fühlen und stattdessen eine etwas längere Bluse, sogenannte Tunika, tragen. Es hat sich so entwickelt, dass Modest Fashion direkt in Assoziation mit einer gläubigen, muslimischen Frau in Verbindung gebracht wird. Aber wenn wir uns das Thema genauer anschauen, sehen wir deutlich, dass Modest Fashion nicht nur aus Abayas besteht, sondern durchaus moderne, angesagte Trends mit den sogenannten Vorschriften des Bedeckens verschmelzen. Viele Mainstream Brands implementieren schon längst Modest Fashion. Was reizt Sie daran, verhüllende Mode für Frauen zu designen? Ich würde vielleicht das nicht verhüllend nennen, aber bescheidene Mode. Als ich angefangen habe Kopftuch zu tragen, habe ich schnell gemerkt, dass eine Hijabi in der Fashion Welt nicht angesprochen wird. So wurde vor sieben Jahren LIA geboren. Ich liebe es die Mode für alle Frauen zugänglich zu machen - egal, ob sie Kopftuch trägt oder nicht, zu welcher Religion sie angehört, welchen Migrationshintergrund sie hat oder Ähnliches. Wichtig ist, dass die Frau, die sich bescheidener kleiden möchte, sich da draußen angesprochen fühlt als Zeichen dafür, dass sie ein Teil der Gesellschaft ist. Ist die Kreativität bei „Modest Fashion“ eingeschränkt? Nein, auf gar keinen Fall. In der Mode kann man seiner Kreativität freien Lauf lassen. Alle Trends, Schnitte, Farben können wunderbar mit ein Stückchen Kreativität bescheidener gestaltet werden. Was ist das Besondere am Modelabel „LIA“? LIA steht für alle Frauen und spricht mit Fashion und Kosmetik alle Frauen an, die sich etwas bedeckter und bescheidener kleiden möchten. Dabei ist es uns ein großes Anliegen auf faire Produktion zu setzen und unsere ethischen sowie moralischen Werte nicht außer Acht zu lassen. Somit entkommen wir gleichzeitig Fast Fashion und supporten Slow Fashion. Unser Sortiment ist bewusst so ausgelegt, dass wir limitiert produzieren, kleine Kollektionen anbieten und Hochwertiges anbieten.

„Modest Fashion“ – Trend entwickelt sich zum Teil der Modeindustrie (LIA)

Manche sehen einen Widerspruch zwischen bedeckter und trotzdem modischer Kleidung. Wie sehen Sie das als Designerin? Ich sehe hierbei keinen Widerspruch. Wenn beispielsweise eine bestimmte Farbe im Trend liegt, kann man durchaus sein Sortiment anpassen und Produkte in dieser Trendfarbe produzieren. Ist der Trend ein Ausdruck unseres Zeitgeistes – der Diversität in der Modebranche? Modest Fashion ist aktuell ein Trend, ja, aber ich denke, dass Modest Fashion in Zukunft noch stärker thematisiert wird und sich zu einem Teil der Modeindustrie entwickeln wird. In Zukunft wird Modest Fashion durchaus ein Begriff für jedermann und wird nicht mehr wegzudenken sein. Inzwischen ignoriert auch die Modewelt die Millionen muslimischen Frauen nicht mehr. Kann aus dem Megatrend ein Megageschäft werden? Es gibt viele Statistiken dazu, die besagen, dass die Kaufkraft der muslimischen Community weltweit gestiegen ist und noch stärker steigen wird. Viele Luxus-Labels und Mainstream-Labels implementieren seit Jahren Modest Fashion in Ihr Sortiment, da sie sehen, welch ein Megageschäft dahinter steckt. Wir spüren das aktuell in Deutschland noch nicht stark, aber in den nächsten fünf Jahren wird Modest Fashion einen großen Teil der Umsatzgenerierung machen.

TRT Deutsch