Geheimes Dokument enthüllt – Marsalek mit großem Einfluss bei Wirecard Bank (TRT Deutsch)
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von Feride Tavus

Im Milliardenbetrugsfall Wirecard hat der zuständige Bundestagsausschuss bislang monatelang ermittelt. Tausende Anleger hatten ihr Geld verloren. Zur Aufklärung des Finanzskandals hat der Ausschuss hunderte Gigabyte an Daten gesichtet. In 52 Sitzungen wurden mehr als 100 Zeugen vernommen.

Lisa Paus ist Obfrau im Untersuchungsausschuss „Wirecard“. Im Gespräch mit TRT Deutsch erklärt die Finanzexpertin von Bündnis 90/Die Grünen, wo aus ihrer Sicht die Fehler lagen und wer die Verantwortung dafür trägt.

Konnte der Untersuchungsausschuss einen politisch Verantwortlichen für den Wirecard-Betrug identifizieren?

Politisch verantwortlich dafür, dass die deutsche Finanzaufsicht nicht gut genug aufgestellt war, um den Betrugsfall Wirecard zu erkennen, ist die Bundesregierung und hier insbesondere das Finanzministerium. Das BMF hat auch die letzten vier Jahre unter Minister Olaf Scholz versäumt, dem deutschen Finanzplatz eine schlagkräftige Aufsicht zu geben. Im Fall Wirecard hat das BMF sich viel zu zögerlich um Aufklärung bemüht und so das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland schwer geschädigt.

Lisa Paus: „Wirecard-Skandal ist ein Fall kollektiven Aufsichtsversagens“ (Bündnis 90/Die Grünen Bundestag)

Ein noch flüchtiger Spitzenmanager soll ja nachweislich Geheimdienste-Kontakte gehabt haben. Welche Rolle haben die Geheimdienste bei dem Bilanzbetrug gespielt? Es ist bekannt, dass Jan Marsalek sich im Dunstkreis einiger Mitglieder ausländischer Geheimdienste bewegte. Welche Rolle diese im Zusammenhang mit dem Bilanzbetrug spielten, konnte leider im Wirecard-Untersuchungsausschuss nicht geklärt werden. Der Wirecard-Skandal hat sich unter den Augen des Finanz- und Wirtschaftsministeriums abgespielt. Bis Juni 2020 gab es 72 Verdachtshinweise. Sprechen wir von einem mafiösen Netzwerk, oder wie konnten Kontrollmechanismen jahrelang auf diese Weise versagen? Der Wirecard-Skandal ist ein Fall kollektiven Aufsichtsversagens. Er zeugt einerseits von der Eitelkeit der deutschen Finanzpolitik, die sich unbedingt einen internationalen Champion im FinTech-Bereich wünschte. Andererseits von einer Aufsicht, die schlicht strukturell außer Stande war, die Missstände und Gefahren zu erkennen. Mit dem Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz (FISG) wurden einige dieser Probleme angegangen - andere aber leider noch nicht. Unter dem neuen BaFin-Chef Mark Branson muss sich nun ein einschneidender Kulturwandel vollziehen. Das Resultat für die Kleinanleger ist: Viele Menschen haben Geld verloren. Welche Chancen haben Anleger nun auf Entschädigung? Die Chancen auf eine Entschädigung hängen sehr vom Einzelfall ab. Klar ist: In der Causa Wirecard gibt es verschiedene Parteien, die den Betrug begünstigt und sich somit womöglich im schadensrechtlichen Sinne mitverantwortlich gemacht haben. Häufig werden hier die Wirtschaftsprüfer genannt, die Wirecard über Jahre korrekte Bilanzen testiert haben. Sind Ihrer Ansicht nach Aufsichtsbehörden in Deutschland überhaupt in der Lage, globale Tech-Geschäftsmodelle zu beaufsichtigen? Die deutschen Aufsichtsbehörden hinken denen anderer großer Finanzplätze, insbesondere denen der USA und von Großbritannien, in puncto Schlagkraft und Kompetenzen erheblich hinterher. Hier brauchen wir dringend Nachbesserung. Welche Konsequenzen muss der Skandal jetzt mit Blick auf die Kontrolleure und Kontrollmechanismen haben? Der Wirecard-Skandal muss vor allem eine Reform der Finanzaufsicht zur Folge haben: eine Neuaufstellung der BaFin, schärfere Kontrollrechte und mehr Transparenz in der Aufsicht. Zweitens eine Reform der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Wir Grüne plädieren hier dafür, die Höchstlaufzeit der Prüfmandate drastisch zu verkürzen und Haftungsbeschränkungen aufzuheben. Leider ist die Bundesregierung dem bis jetzt so nicht gefolgt. Außerdem wollen wir, dass der Lobbyismus insbesondere von Ex-Politikern, der Wirecard mit ermöglichte, strenger kontrolliert wird. Der Wirecard-Skandal wird als der womöglich größte Betrugsfall in Deutschland seit 1945 bezeichnet. Ist das Image des Wirtschaftsstandortes Deutschland In Gefahr? Neben den Anleger*innen, die in Wirecard investiert haben, hat vor allem der Standort Deutschland großen Schaden durch den Skandal erlitten. Er steht jetzt unter Druck, zu beweisen, dass Deutschland auch FinTech und neue digitale Branchen kann. Und nicht nur der Industrie- und Autostandort ist, als den man ihn kennt. Vielen Dank für das Gespräch!

TRT Deutsch