Der 1970 in Trabzon geborene Imamoğlu absolvierte das Gymnasium von Trabzon und hat einen Abschluss in Betriebswirtschaftslehre an der Universität Istanbul gemacht. / Foto: AA       (AA)
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Während sich Türkiye auf die Kommunalwahlen am 31. März vorbereitet, strebt Ekrem Imamoğlu eine zweite Amtszeit als Bürgermeister von Istanbul an. Doch der Kandidat der Republikanischen Volkspartei (CHP) sieht sich mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert.

Es geht um nicht erfüllte Wahlversprechen und andere Baustellen während seiner fünfjährigen Amtszeit. Bereits zu Beginn geriet er wegen umstrittener Maßnahmen für den Stadtumbau, den Wohnungsbau und das Verkehrsmanagement in die Schlagzeilen

Auch Imamoğlus Einsatz für seine Partei bei der Parlamentswahl stieß unangenehm auf. Viele hatten den Eindruck, dass er dadurch seine eigentliche Arbeit vernachlässigt. Denn er war regelmäßig auf Wahlkampfveranstaltungen zu sehen, wo er den CHP-Präsidentschaftskandidaten Kemal Kılıçdaroğlu unterstütze. Imamoğlus Kandidatur zur Wiederwahl wirft daher Fragen über die Zukunft Istanbuls auf.

Wer ist Imamoğlu?

Imamoglu wurde 1970 in der Schwarzmeerstadt Trabzon geboren, besuchte dort das Gymnasium und absolvierte einen Studiengang in Betriebswirtschaft an der Universität Istanbul. Mit einem Master in Personalwesen und Management begann er sein Berufsleben im Jahr 1992 in einem familiengeführten Bauunternehmen, wo er als Vorstandsvorsitzender tätig war.

Im Jahr 2009 war er Vorsitzender der CHP im Istanbuler Bezirk Beylikdüzü und wurde am 30. März 2014 dort zum Bürgermeister gewählt. Er ist mit Dilek Imamoğlu verheiratet und hat eine Tochter und zwei Söhne.

Nur wenige Wahlversprechen erfüllt

Im Vorfeld der Bürgermeisterwahl 2019 war Imamoğlu mit dem Versprechen angetreten, die städtische Armut zu bekämpfen. Er wollte die Infrastruktur der Stadt, einschließlich der U-Bahnlinien und Grünflächen, verbessern. Doch laut Auswertung einer türkischen Website konnte er während seiner Amtszeit nur sieben Prozent seiner Zusagen von vor der Kommunalwahlen 2019 erfüllen.

In Bezug auf die urbane Transformation machte Imamoğlu große Versprechen. Die Lebensbedingungen der Einwohner Istanbuls sollten verbessert werden. Hierbei blieben jedoch mehrere Versprechen unerfüllt, während nur einige in den vergangenen fünf Jahren umgesetzt werden konnten.

Die Gewährleistung von Aufenthaltsgarantien für Istanbuler Bürger und die Klärung von Eigentumsfragen waren zwei wesentliche Säulen von Imamoğlus Programm. Die Fortschritte in diesen Bereichen sind aber überschaubar und bedürfen weiterer Bemühungen.

Imamoğlu hatte sich zudem zum Bau von Sozialwohnungen verpflichtet – nicht nur in den Außenbezirken der Stadt, sondern auch in zentralen Gebieten. Mit Unterstützung des städtischen Unternehmens KIPTAŞ sollten während seiner fünfjährigen Amtszeit 100.000 neue Wohnungen entstehen. Davon sollten 40 Prozent als Mietwohnungen ausgewiesen werden. Offiziellen Angaben zufolge wurden jedoch nur 9.652 dieser Wohnungen fertiggestellt.

Im Rahmen des Projekts „Single Building Transformation" wollte Imamoğlu renovierungsbedürftige Wohngebäude in der Stadt umbauen. Im Stadtzentrum von Kadıköy wurde jedoch bisher nur ein Gebäude der versprochenen Umwandlung unterzogen.

Istanbuler Verkehrsproblem

Die Lösung der Verkehrsüberlastung in der bevölkerungsreichsten Stadt Europas stellte einen weiteren Pfeiler seiner Vorhaben dar. Zunächst sollte das Istanbuler U-Bahn-Netze auf 630 km ausgebaut werden. Dies umfasste auch elf Pläne für neue Standseilbahnlinien.

Nach fünf Jahren ist die Bilanz relativ mau. Offiziellen Verlautbarungen zufolge wurden nur 47 km der versprochenen U-Bahn-Linien fertiggestellt. Die meisten davon waren von seinen Vorgängern, die der AK-Partei angehörten, initiiert worden. Einige Analysten stellen sogar diese Zahlen in Frage. Sie behaupten, dass nur 7 Kilometer fertiggestellt worden seien.

Derzeit verfügt Istanbul über ein 328 km langes U-Bahn-System, wovon 215 km von der städtischen Tochtergesellschaft Metro-Istanbul betrieben werden. Das liegt deutlich unter Imamoğlus Ziel. Nur eine der elf angekündigten Standseilbahnlinien wurden seit 2019 eingeweiht.

Kostenlose Parkplätze für die Anwohner in ihren Vierteln sollten das Parkplatzproblem in Wohngebieten lösen. Dafür sollten auch ISPARK-Einrichtungen in der Nachbarschaft kostenlos sein, genauso wie Parkplätze öffentlicher Einrichtungen.

Die Istanbuler zahlen jedoch weiterhin für ISPARK, dessen Preise in den vergangenen fünf Jahren um das Zehnfache gestiegen sind. Von den versprochenen Parkmöglichkeiten für 100.000 Fahrzeuge wurden während der Amtszeit Imamoğlus nur etwa 30.000 verwirklicht.

Eröffnung von Restaurants und Eklat um Essen mit Botschafter

Doch es gibt auch einige Lichtblicke wie die kostenlose Beförderung von Müttern in den ersten vier Jahren nach der Geburt, die Eröffnung von Stadt-Restaurants mit erschwinglicheren Preisen und der Bau von Sporthallen, Schwimmbädern und Parks.

Aus den offiziellen Angaben der Stadtverwaltung von Istanbul geht außerdem hervor, dass mehr als 170.000 Arbeitssuchende über die Vermittlungszentren der Stadt einen Arbeitsplatz gefunden haben.

Vor zwei Jahren sah sich Imamoğlu einer Flut von Kritik ausgesetzt, als Bilder auftauchten, die ihn beim Restaurant-Essen mit dem britischen Ex-Botschafter Dominic Chilcott zeigten. Istanbul wurde zu diesem Zeitpunkt von heftigen Schneefällen heimgesucht, die die Stadt in Chaos stürzten.

Als die Fotos in den sozialen Medien kursierten, ging der Hashtag „#imamoğluistifa" (#Imamoğlurücktritt) viral. Nutzer beklagten eine Distanz des Bürgermeisters gegenüber den Problemen der Bürger. Imamoğlu erwiderte in den sozialen Medien, er sei „während einer Pause" im Restaurant gewesen.

Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2023

Imamoğlu hielt im vergangenen Jahr mehrere Kundgebungen ab, um den Präsidentschaftskandidaten der Nationalen Allianz, Kemal Kılıçdaroğlu, zu unterstützen. Am Ende verlor dieser trotzdem das Rennen gegen Recep Tayyip Erdoğan.

Die Kundgebungen in verschiedenen Städten Anatoliens hatten zur Folge, dass er Istanbul für mehrere Wochen verlassen musste. Dass er seinen Fokus auf die nationale Politik verlegt hatte, sorgte bei den Istanbulern für Empörung.

Imamoğlus Anstrengungen waren nicht ohne Grund: Hätte Kılıçdaroğlu die Präsidentschaftswahl 2023 gewonnen, wäre Imamoğlu einer der sechs Namen für das Amt des Vizepräsidenten.

TRT Deutsch