„Die Welt“ veröffentlicht Interview mit Terroristenführer Gülen
„Die Welt“ hat ein Interview mit dem Sektenführer Gülen veröffentlicht. Darin stellt er seine Organisation als „humanitäre Bewegung" dar und greift die türkische Regierung an.
Sektenführer Fetullah Gülen (AA)

„Die Welt“ hat am Sonntag ein Interview mit dem Führer der Fetullahistischen Terrororganisation (FETÖ), Fetullah Gülen, veröffentlicht. Darin wettert er gegen die türkische Regierung, die er im Juli 2016 durch einen Putsch stürzen wollte. Zugleich verteidigt er sein kriminelles Netzwerk. Gülen wird in der Türkei parteiübergreifend als Staatsfeind und Terrorist eingestuft.

Seine Organisation bezeichnet der Sektenführer in dem Interview als „humanitäre Stiftung“ und „kleine Bewegung“ - wohingegen der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages von viel größeren Strukturen ausgeht. Die weltweite Mitgliederzahl wird allgemein auf über vier Millionen geschätzt. Genaue Angaben sind nicht möglich. Rund 100 000 Mitglieder sollen in der Bundesrepublik leben, wie der „Kurier“ im Juli 2016 berichtete.

Gülen-Schulen unterschlagen Steuergelder

Innerhalb des globalen Gülen-Netzwerks gibt es über 200 Schulen. Die dort tätigen Lehrer sind zum Teil selbst in Gülen-Schulen ausgebildet worden. In Ländern wie den USA profitiert die Gülen-Sekte von den Freiheiten und der staatlichen Finanzierung. In Form von sogenannten Charter Schools genießen die Bildungseinrichtungen Gülens den Status einer öffentlichen Schule. Bau und Betrieb übernimmt der Staat. Laut einem Bericht von CBS News aus dem Jahr 2017 gibt es in 28 US-Bundesstaaten 136 solcher Gülen-geführter Charter Schools. Diese sollen 2010 bis 2017 insgesamt 2,1 Milliarden US-Dollar Steuergelder bezogen haben. Die ehemaligen Angestellten Ersin Korkut und Mustafa Emanet gestanden gegenüber CBS News, dass ihnen insgesamt fünf Millionen US-Dollar überwiesen wurde. Sie seien dann dazu „gezwungen“ worden, regelmäßig „40 Prozent“ des Geldes an die Organisation zu übergeben – durch Barzahlung, per Check oder Überweisung.

Gülen jedoch glorifiziert seine Schulen, die wegen ihrer illegalen Machenschaften in der Türkei und weiteren 18 Ländern wie Pakistan, Venezuela oder Tunesien verboten sind. Gülen behauptet, dass die Einrichtungen „eine Vision von Bildung“ verteidigten. Die Schulen erziehen jedoch nachweislich neue Mitglieder für die Sekte, die später den Staat infiltrieren sollen. Die Mitglieder in hohen Positionen stehen dann unter dem Befehl Gülens und seiner hochrangigen Funktionäre. Wie entsprechende Schläferzellen im Militär aktiviert werden, sah man zuletzt beim Putschversuch im Juli 2016 in der Türkei. Damals hatte eine Gruppe innerhalb der Fetullahistischen Terrororganisation versucht, die demokratisch gewählte AK-Partei-Regierung zu stürzen. Der Angriff wurde jedoch durch den Widerstand loyaler Sicherheitskräfte und Millionen türkischer Bürger vereitelt. 246 Menschen, hauptsächlich Zivilisten, wurden von den Putschisten getötet. Mehr als 2000 Menschen wurden verletzt. Die türkischen Oppositionsparteien stellten sich geschlossen gegen den FETÖ-Putschversuch und verurteilten ihn.

Das Gülen-Netzwerk ködert Kinder aus armen Familien

Die von dem Gülen-Netzwerk geköderten Kinder stammen zumeist aus armen Familien. Die Organisation versucht ein freundschaftlich bis familiäres Verhältnis zu diesen Kindern aufzubauen, indem diese sozial betreut und finanziell unterstützt werden. Besondere Priorität genießen dabei die Jungs. Um diese privat zu erziehen und zu kontrollieren, werden sogenannte Brüder eingesetzt. Sie sollen später idealerweise einflussreiche Positionen in der Gesellschaft übernehmen - sich aber zugleich den Befehlen Gülens und dem oberen Machtzirkel unterordnen.

Das belegen zahlreiche Aussagen von Aussteigern wie Hüseyin Gülerce oder Latif Erdoğan. Sie schilderten übereinstimmend, dass die Organisation insbesondere nach klugen, talentierten und im Unterricht erfolgreichen Kindern Ausschau hält - die zudem gesundheitlich und körperlich nicht eingeschränkt sind. Diese würden dann durch sportliche und soziale Aktivitäten integriert und gefügig gemacht. Das Gülen-Netzwerk ist darauf bedacht, die Kinder später in Polizei- und Militärakademien unterzubringen, damit sie im Berufsleben strategisch wichtige Positionen erlangen. FETÖ-Mitglieder wurden darüber hinaus auch in die Justiz eingeschleust.

Außerdem spricht Gülen davon, dass er gegen „das patriarchalische Modell“ ist. Dabei ist seine Organisation in den oberen Machtstrukturen durchgehend männlich geprägt. Es existieren klassische Geschlechterrollen. Frauen besetzen keinerlei Führungspositionen im engeren Machtkreis Gülens, auch wenn sie ihrem Führer gesellschaftliche Dienste erweisen. Nach außen hin ist Gülen bedacht, ein anderes Bild zu vermitteln.

Kritik an Syrien-Politik der Türkei berechtigt?

Was die Syrien-Politik der Türkei angeht, unterstellt Gülen der Regierung Mitschuld am Bürgerkrieg. Präsident Recep Tayyip Erdoğan - den er mit Tyrannen wie Hitler und Stalin vergleicht - trage angeblich die Verantwortung für „Tausende von Toten“ und „Millionen von Flüchtlingen“. Fakt ist jedoch, dass die Türkei laut UN-Angaben über 3,8 Millionen Geflüchtete beherbergt – mehr als jedes andere Land auf der Welt. Ein Großteil davon kommt aus Syrien. Darüber hinaus betont die Türkei eine politische Lösung des Konflikts. In diesem Zusammenhang plant Ankara unter anderem, in der nordsyrischen „Sicherheitszone“ Siedlungen für Rückkehrer zu errichten. Die Flüchtlingsarbeit wurde zuletzt auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem Türkei-Besuch gelobt. „Das, was die Türkei hier leistet, ist bemerkenswert”, sagte sie am Freitag in Istanbul.

Gülen lebt derzeit im US-Exil in Pennsylvania. Er wird in der Türkei angeklagt, weil seine Anhänger Bildungsinstitutionen und andere staatliche Einrichtungen für eigene Zwecke unterwanderten. Er gilt zudem als Drahtzieher des Umsturzversuches vom Juli 2016. Die USA lehnen bis heute eine Auslieferung ab.

TRT Deutsch